Einen ungewöhnlichen, in hohem Maße bewegenden Blick auf ein düsteres Kapitel deutscher Geschichte ermöglicht das theaterensemble mit seiner jüngsten Produktion "Die Judenbank". Der Autor Reinhold Massag setzt sich in dem 1995 uraufgeführten Schauspiel auf originelle Weise mit der verblendeten Weltsicht der Nazis auseinander. Bei der Premiere des packenden Ein-Personen-Stücks belohnt begeisterter Schlussbeifall die herausragende Leistung des Protagonisten Herbert Hausmann in der Rolle des Dominikus Schmeinta.
Seit 20 Jahren sitzt der "Krüppel" - Muskelschwund im rechten Arm hat sein bäuerliches Erwerbsleben lahm gelegt - auf "seiner" Bank am Bahnhof von Ottersdorf. Der 61-Jährige scheint mit eher schlichtem Geist begabt und erzählt mit gemütlichem fränkischem Zungenschlag wie der Nazi-Wahn die Dorfgemeinschaft durchschüttelt. Dabei entpuppt er sich immer mehr als eigenwilliger, aber genauer und hintergründiger Beobachter von Verleumdung und Bespitzelung, von Eifersucht und Ehebruch.
Bühne nur mit einer Bank bestückt
Eingetaucht in unterschiedliche Beleuchtungen der kargen, nur mit einer Bank bestückten Bühne verwandelt sich Dominikus in forsche Phrasendrescher, stramme NS-Größen, neidische Klatschweiber und niederträchtige Denunzianten. In diesen fiktiven Dialogen beweist der agile Schauspieler ein beachtliches Reservoir an Stimmvariationen.
Norbert Bertheau hat mit seiner akribischen Regiearbeit jeder dieser zahlreichen Figuren eine eigene Stimmlage und passende Gestik eingeprägt. Die lückenlose Abfolge der Szenen erzeugt fortlaufende Spannung. Was passiert, wenn eines Tages ein Schild "seine" Bank als "Nur für Juden" ausweist? Dominikus' heile Welt gerät ins Wanken. Er grübelt über die "Fehlbeschilderung" nach, wo doch im Dorf kein Jud' nicht ist! Also muss ein Jud' her! Da kommt dem um sein "Sitzgewohnheitsrecht" Betrogenen die trotzige Idee: "Dann werd' ich halt ein Jude!"
Doch wer befreit den gesetzestreuen Bürger aus seinem Arier-Gefängnis? Wohin sich mit der Bitte um Verwandlung in einen Juden wenden? Reichssicherheitshauptamt? Nein! Höher hinauf! Also zum Führer persönlich! Ab geht die Post und die Antwort haut dem "Wahljuden" ein Obersturmbannführer um die Ohren. Versuch gescheitert, aber was soll's? Dominikus braucht die Bank ohnehin nicht mehr: Das Altenheim wird verlegt in eine schöne Gegend, wo keine feindlichen Bomben drohen. Dominikus aber ahnt, dass dieser "Ausflug" ein schlimmes Ende finden wird.
Absolut sehenswert!