Auf dem ovalen Amulett an der zarten Silberkette leuchten zwei Herzchen, bestückt mit kleinen Glitzersteinen. Ein besonderes Schmuckstück in Erinnerung an ein besonderes Lebewesen, ein Amulett zum Aufklappen. Es ist eine kleine Urne, die man sich um den Hals hängen kann – so bleibt die Asche des liebsten Haustiers immer ganz nah am Herzen. Für die einen mag das makaber klingen, für andere ist das eine besondere Form der Trauerbewältigung.
„Ein Haustier ist mittlerweile für viele Menschen ein vollwertiges Familienmitglied“, weiß Sandra Lutz. Gemeinsam mit ihrem Mann Jochen betreibt die Unternehmerin neben einem Hotel und einem Humankrematorium, auch ein Haustier- und Pferdekrematorium. Das „dank & treu“ im baden-württembergischen Schwäbisch Hall ist das bundesweit erste und bislang einzige Krematorium, in dem auch Pferde eingeäschert werden dürfen. In dem im Oktober 2017 erbauten Gebäude wurden bislang rund 1600 Tiere zu Asche gebrannt. „Vom kleinen Babypapagei bis hin zum großen Pferd“, sagt Sandra Lutz.

Schlachtpferd oder würdevoller Abschied?
Die hölzerne Fassade des Neubaus passt sich gut in die ländliche Lage am Waldrand an. Tritt man durch die Eingangstür, eröffnet sich der offene Empfangsraum. Ein helles, modernes Foyer, gestaltet mit gedeckten Farben und dennoch wirkt der Raum nicht düster. Auf mit Holzpaneelen gebauten Regalen stapeln sich Urnen in allen möglichen Formen und Farben. Die Decke besticht durch ein großes beleuchtetes Bild, Baumspitzen sind zu sehen und ein großer Lichtkegel – für den symbolischen Weg in den Himmel?
Stirbt ein Pferd, hatte der Besitzer in Deutschland bislang nur die Möglichkeit, den Abdecker zu rufen. Das Pferd wurde abgeholt und entweder als Schlachtpferd zur Lebensmittelgewinnung genutzt oder in einer Tierkörperverwertungsanstalt verarbeitet. An einen würdevollen Abschied war da nicht zu denken. Im Juli 2016 hat der Bundesrat das „Gesetz zur Änderung des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes“ verabschiedet, seit Februar letzten Jahres ist es in Kraft. Seitdem ist die Einäscherung von Pferden auch in Deutschland erlaubt. Und genau darauf hat das Unternehmer-Ehepaar Lutz reagiert.
Spezialanhänger für den Transport
„Am 25. Oktober 2017 haben wir die Genehmigung erhalten, am 26. Oktober haben wir schon zwei Pferde geholt“, erzählt Sandra Lutz. Seit längerem stand sie schon mit den beiden Pferdebesitzern in Kontakt. „Sie haben gesagt, dass sie ihre Pferde unbedingt einäschern lassen möchten. Als dann der Termin der Ämter stand, haben sie so gut es ging mit dem Einschläfern gewartet.“
Für den Besitzer ist der Transport eines toten Pferdes schwierig. Deshalb hat das Ehepaar vorgesorgt: Mit einem extra angeschafften Spezialanhänger können sie das Tier auf Wunsch abholen, „ganz pietätvoll“, wie die 42-Jährige sagt. Wie viele Pferde bislang im Krematorium eingeäschert wurden, möchte die Unternehmerin nicht erzählen, nur, dass bislang nur zwei Pferde vom Besitzer selber nach Schwäbisch Hall gebracht worden sind. Die anderen habe das Ehepaar abgeholt. „Deutschlandweit und sogar schon aus Polen“, erzählt sie.
Musik und Bilder für den würdevollen Abschied
Ob kleiner Vogel, Hund, Hamster oder Pferd: Für die Halter ist der Abschied des Tieres in der Regel hochemotional. Täglich fließen deshalb Tränen im Krematorium. Vom Foyer des Gebäudes aus führen zwei Türen zu den sogenannten Abschiedsräumen. Modern gestaltete Räume mit dunkelblauen Sofaecken, fröhlichen Bildern und gedimmtem Licht. Ruhige Musik kommt aus den Lautsprechern in der Decke. „Auf Wunsch kann der Tierbesitzer auch seine eigene Musik mitbringen“, erzählt Sandra Lutz.

In den Räumen des Abschieds wird das Haustier auf einen Wagen gelegt. Der Besitzer kann sich dann endgültig von ihm verabschieden. Eine große Glasfront zeigt den Blick auf den Einäscherungsraum. Ein weitläufiger, fast hallenartiger Ort mit hohen Decken, dunklen Lampen und zwei Toren zu den Öfen. Ein Beamer strahlt ein großes Pferdebild auf eine weiße Wand, „auch hier kann der Kunde seine eigenen Bilder mitbringen“. Nach Wunsch kann der Besitzer durch die Glasscheibe bei der Einäscherung zusehen. Er sieht, wie der tote Köper in einen der beiden Öfen geschoben wird. Einige Minuten oder Stunden später – je nach Tiergröße verändert sich die Brennzeit – wird ihm die Asche in einer Urne ausgehändigt. Was er damit macht, bleibt dem Trauernden selbst überlassen. Anders als es bei den sterblichen Überresten von Menschen der Fall ist, gibt es keine Regeln für den Umgang mit Tierasche.
850 Grad heißer Ofen
Beim Einäschern von Pferd und Kleintieren gebe es große Unterschiede, berichtet Lutz. Während der kleinere Ofen für die Haustiere bereits am Morgen auf 850 Grad aufgeheizt werde, könne der Ofen für die Pferde erst aufgeheizt werden, wenn sich der Kadaver bereits im Ofen befindet. Hierfür wird das tote Tier auf einen drei mal fünf Meter großen Herdwagen gelegt und durch das Tor gefahren. Erst dann schließt sich die Tür und die Aufheizphase kann beginnen. „Deshalb dauert die Einäscherung des Pferdes auch immer recht lang“, erzählt Lutz. Sechs bis acht Stunden im Schnitt.
Zu jedem Tier wird ein nummerierter Schamottstein gegeben. „So können wir immer nachvollziehen, wessen Asche das ist“, sagt Lutz. Der Stein begleitet die toten Tiere von der Ankunft bis in die Urne.

Die Leistung hat seinen Preis: Die Einäscherung eines Pferdes mit einem Gewicht zwischen 300 und 500 Kilogramm kostet rund 2400 Euro – die Überführung nicht mit eingerechnet. Ein 20 Kilogramm schwerer Hund schlägt mit 240 Euro zu Buche.
Von einem Pferd bleiben 30 Kilogramm
In einem Regal neben dem Foyer lagern die durchsichtigen Plastikbeutel mit der Tierasche. „Uschi“ kann man auf einem von ihnen lesen. Eine Katze, wie Sandra Lutz erzählt. Die Asche ist grau, hat eine sandähnliche Konsistenz und ist leicht – im Gegensatz zu dem Gewicht einer durchschnittlich großen, lebenden Katze. Um die 500 Gramm Asche bleiben von einem Kätzchen übrig – 25 bis 30 Kilogramm bei einem Pferd.

Demnach gibt es auch Urnen in den unterschiedlichsten Größen. Ob als kleines Amulett für nur einen Teil der Asche, mittelgroße Urnen für den Hund, oder stuhlgroße Holztruhen für die Pferdeasche.
Ein Muss: Einfühlsamkeit
Vier Angestellte haben Sandra und Jochen Lutz in ihrem Tierkrematorium. Und alle haben selber Tiere zu Hause. Es gebe zwar bereits den Ausbildungsberuf Kremationstechniker, jedoch seien ihre Mitarbeiter alle Quereinsteiger. „Das ist ein sehr vielseitiger Beruf, zum einen muss man mit technischen Dingen umgehen können, zum anderen hat man auch den Kundenkontakt“, meint Sandra Lutz. Dementsprechend einfühlsam müsse man sein.
„Ein Haustier ist ein treuer Begleiter“, sagt sie, die selber einen kleinen Hund besitzt. Die Besitzer würden zu ihren Tieren eine besondere Beziehung aufbauen – egal ob Wellensittich, Katze oder Pferd. Und wenn der oft treueste Begleiter eines Menschen stirbt, hat dieser häufig niemanden für den Beistand. „Wenn ein Mensch stirbt, gibt es Seelsorger, Pfarrer oder Nachbarn, die sich um einen kümmern“, sagt Lutz. „Wenn ein Tier stirbt, interessiert es meistens niemanden.“ Sie und ihre Mitarbeiter im Tierkrematorium möchten den Trauernden beistehen. Von der Abholung des Körpers, bis zur Einäscherung. „Wir können ihnen die Trauer nicht nehmen, wir können auch das Tier nicht wieder lebendig machen“, sagt sie, „aber wir können die Tierbesitzer begleiten, und das ist das Schöne an unserem Beruf.“
Wie einige weitere Plastiktüten wartet nun auch die Asche von „Uschi“ im Regal darauf, von ihrer Besitzerin abgeholt zu werden. Vielleicht ja in einem der Amulette, um ihrem Frauchen auch in Zukunft ganz nah sein zu können.