Eine Lösung für die Massen an verschwendeten Lebensmitteln scheint dringend notwendig zu sein: Laut einer Studie der World Wide Fund For Nature (WWF) von 2015 landen in Deutschland pro Jahr mehr als 18 Millionen Tonnen an Lebensmitteln im Müll - fast ein Drittel des Nahrungsmittelverbrauchs. Dazu gelten rund 84 Prozent der Lebensmittelabfälle im Handel als vermeidbar, wie die Verbraucherzentrale in einer Studie aus dem Jahr 2022 festhält.
Das Konzept des Unternehmens
Genau dagegen wollen die Unternehmer der App "Too Good To Go" ankämpfen: "Unsere Mission? Dafür sorgen, dass Lebensmittel gegessen statt verschwendet werden", werben sie auf ihrer Website. Das Prinzip ist einfach: Bäcker, Restaurants und andere Lebensmittelbetriebe stellen Angebote für Überraschungstüten online, die mit Ware gefüllt sind, die sonst im Müll landen würde. So eine "MagicBag" bekommt man dann für nur einen Bruchteil des eigentlichen Preises. Meist muss man solche Tüten für den folgenden Tag bestellen und darf sie dann in einer bestimmten Zeitspanne abholen.
Die App gibt es mittlerweile in 15 europäischen Ländern sowie in den USA und Kanada. Allein in Deutschland gäbe es mehr als 17.000 Betriebe, die ihre Ware auf der Plattform anbieten würden, so Johanna Paschek, Pressesprecherin des Unternehmens. Im Jahr 2019 waren es erst 3000. Laut eigenen Aussagen wurden durch die App seit 2016, das Gründungsjahr des Unternehmens, 19.000 Tonnen an Lebensmitteln gerettet.
"Too Good To Go" stößt in Würzburg auf große Nachfrage
In Würzburg nehmen laut Johanna Paschek, Stand November 2022, rund 40 Kleinbetriebe an der App teil- im Juni 2019 waren es erst 18, das Marktcafé Brandstetter war das erste. Darunter befinden sich Bäcker, Restaurants, Supermärkte, Tankstellen und Cafés. Dadurch wurden in Würzburg bereits mehr als 130.000 Portionen gerettet, die rund 130 Tonnen an Lebensmitteln entsprechen. Doch 40 Betriebe reichen fast nicht- das Angebot ist oft innerhalb von Minuten ausverkauft.
So verkauft zum Beispiel "Pasta e Olio" in der Eichhornstraße täglich mindestens fünf Portionen Pasta für 3,50 Euro statt für zehn Euro. Das Angebot sei immer nach zehn Minuten ausverkauft. "Für uns ist das eine Win-Win-Situation", sagt der Geschäftsführer Giacomo Menna. "Wir können erstens die Qualität hochhalten, zweitens müssen wir das Essen nicht wegschmeißen und drittens bekommen wir neue Gäste, die uns gar nicht auf dem Schirm hätten." Das Restaurant sei einer der ersten Betriebe gewesen, die mitgemacht haben", sagt Menna.

Gerade zur jetzigen Zeit würden die Menschen gerne zugreifen, so Paschek: "In der ersten Jahreshälfte 2022 ist die Anzahl der täglich geretteten Portionen kontinuierlich gestiegen, von etwa 20.000 auf mehr als 35.000 Portionen pro Tag". Das sei zum einen auf das gestiegene Bewusstsein für die Umwelt, und zum anderen auf die aktuelle Inflation zurückzuführen.
Die App hat auch negative Aspekte
"Too Good To Go" wirbt damit, dass durch die App auch die Betriebe einen Gewinn machen würden. Sie rechnet allerdings pro Tüte eine Gebühr von 1,19 Euro ab, die an sie selbst geht. Zusätzlich berechnet sie eine Jahresgebühr von 39 Euro. Eine Kleinbäckerei, die fünf Tage die Woche zwei Tüten für drei statt zehn Euro verkauft, macht dadurch durchschnittlich einen Gewinn von 18 Euro die Woche. "Too Good To Go" verdient an der Bäckerei rund 13 Euro in der Woche, verdient also über 40 Prozent an den Tüten selbst.
Für Giacomo Menna ist diese Gewinnspanne aber kein Problem: "Wir machen zwar kein riesiges Plus, dafür generieren wir aber viele Neukunden, und das bringt uns noch mehr." Auch der Kontakt zu der Firma sei immer gut gewesen: "Die sind immer super freundlich, auch der Kundendienst."
Künftig Probleme für die Tafel?
Doch die Tafel könnte in Zukunft Probleme mit der App bekommen: Grundsätzlich bekommt diese immer weniger Lebensmittel gespendet, so Pascal Kutzner, Pressesprecher der Tafel Deutschland. "Ein Grund dafür ist, dass Supermärkte mittlerweile (...) darauf achten, weniger Lebensmittel zu verschwenden, was wir grundsätzlich gut finden. Andererseits verringert das die Lebensmittelspenden an uns." Auch Andreas Mensing, Vorstandsvorsitzender der Tafel Würzburg bestätigt das: "Discounter machen Sonderaktionen und ermäßigen die gebrauchten Waren, die wir sonst bekommen haben. Das heißt, dass uns doch einige Waren fehlen, die wir sonst verteilen könnten." In einem nennenswerten Zusammenhang mit der App würde das allerdings nicht stehen, so Kutzner.
Auch Hanna Dorn, Mitglied bei der Initiative "Foodsharing" in Würzburg, bekräftigt diese Aussage. Diese Initiative steht ebenfalls in Kontakt mit verschiedenen Würzburger Unternehmen und holt nach Ladenschluss übrig gebliebene Lebensmittel ab. Dies funktioniere aber in der Form, dass weder das Unternehmen vertraglich an sie gebunden wäre, noch dass eine der beiden Seiten zusätzlich Gewinn generiere. "Foodsharing" gehe es also nur um das Retten von Lebensmitteln.
Hanna Dorn sieht bei "Too Good To Go" dafür aber ein anderes Problem: "Wenn man mit Betrieben spricht, hört man öfter, dass 'Too Good To Go' mit der Erwartung auf Betriebe zugeht, dass diese so kalkulieren sollen, dass am Ende auf jeden Fall etwas übrig bleibt. Das finde ich wiederum kritisch gegenüber der Intention, Lebensmittelverschwendung vorzubeugen."