Menschen mit Behinderung – im Bereich der Blindeninstitutsstiftung sind es Menschen mit Seh- und Mehrfachbehinderung– vermissen ihre Verstorbenen, trauern wie jeder andere. Doch die Bewohner aus dem „Blindi“ gelangen selbstständig kaum ans Grab ihrer Toten. Viele stammen nämlich nicht aus Würzburg. Wenn jemand stirbt, wird er meist in seinem Heimatort beigesetzt und lässt Freunde, Mitschüler oder Kollegen aus der Behindertenwerkstätte in Würzburg zurück. Wie also trauern? Wie die eigenen Gedanken der Trauer teilen? Wo duftende Blumen hinlegen?
Die Blindeninstitutsstiftung hat jetzt einen Gedenkort geschaffen: inmitten des bestehenden, zentral gelegenen Klanggartens auf dem Gelände in der Ohmstraße. Eine der Helferinnen bei der Schaffung der Gedenkstätte war die blinde Annika von der Tann. Hier wird auch ihrem Bruder ein kleines Denkmal gesetzt.
Nicolas war ein geschickter Handwerker und Moderator
Die 29-Jährige und ihr Bruder Nicolas stammen aus Iphofen; Nicolas starb im November 2015. Der damals 28-Jährige, erzählt Annika von der Tann heute, besuchte das Blindeninstitut schon seit seiner Grundschulzeit. Später arbeitete er im Metallbereich der Behindertenwerkstatt.
Trotz seines Handicaps als blinder Mensch war der junge Mann sehr geschickt, übernahm leidenschaftlich gerne komplexe Metallbohrungen, „und er konnte eine Motorsäge auseinandernehmen und wieder zusammenlegen“, berichtet seine Schwester. Aufgrund seiner klaren Worte und seiner Weitsicht war der beliebte junge Mann schließlich Werkstattrat – was einem Betriebsrat entspricht.
Die Nachricht vom Tod schockierte
Nicolas von der Tann glaubte zunächst an einen grippalen Infekt, als er zum Arzt ging. Er hatte jedoch eine Lungenentzündung, die schließlich zum Herz-Kreislauf-Versagen führte. Er starb innerhalb weniger Tage – ein Schock für alle, die ihn kannten. Seine Freunde und Kollegen der Bentheim-Werkstatt des Blindeninstituts waren über die Nachricht von seinem Tod so geschockt, dass vor Kummer die Arbeit vorübergehend ruhte. „Die Werkstatt war wie leer gefegt“, schildert seine Schwester.
Er wurde 2005 in Iphofen beigesetzt; jetzt endlich erhält er eine kleine, individuell gestaltete Namenstafel im Gedenkgarten auf dem Gelände der Blindeninstitutsstiftung. Neben dem Namen und Geburts- und Sterbedatum sind Pusteblumen eingeritzt – nicht nur, weil er sie mochte. Mit den davonfliegenden Samen des Löwenzahns wird im übertragenen Sinne auch die Vergänglichkeit dargelegt. Und so waren in seinem 29. Lebensjahr, wie das auf der kleinen Keramiktafel zu sehen ist, schon viele Samen weitergeflogen.