325 Kilometer zieht sich der Main, von 30 Staustufen gebremst, durch Unterfranken. 110 Kubikmeter Wasser pro Sekunde strömen flussabwärts. So hoch jedenfalls ist der mittlere Abfluss des Mains über das ganze Jahr gesehen. Ein Kubikmeter, das sind tausend Liter Wasser. Kein Wunder also, dass der Mains in der zunehmend trockener werdenden Region Begehrlichkeiten weckt. Denn Grundwasser ist in Unterfranken eine knappe Ressource.

Nach 18 zu trockenen Jahren von 2003 bis 2020 fehlten Unterfranken laut Bayerischem Landesamt für Umwelt im Mai 2021 mehr als 350 Liter neues Grundwasser pro Quadratmeter. Ein Defizit, das ein einzelner nasser Winter nicht ausgleichen kann: Am 10. Februar 2022 zeigten noch 40 Prozent aller staatlichen Messstellen niedrige oder sehr niedrige Wasserstände in den tieferen Grundwasser-Stockwerken.
Was also tun, wenn Unterfranken im Klimawandel weiter austrocknet und sich, so die Prognose der Klimaforscher, die Zahl der Hitzetage bis Ende des Jahrhunderts vielleicht sogar versiebenfacht? Trinkwasserversorger, Gemeinden, Förster, Winzer, Obst- und Gemüsebauern - sie alle wollen in den nächsten Jahrzehnten mehr Wasser.
Hat der Run auf das Wasser des Mains bereits begonnen? Wer heute schon entnehmen darf, wer in Zukunft gerne Mainwasser hätte und wie viele Entnahmen der Main verträgt: Die Fakten im Überblick.
Wieviel Wasser wird dem Main in Unterfranken entnommen?
Noch gibt es keine zentrale Datenbank, in der alle Nutzer registriert sind, die in Unterfranken Wasser aus dem Main entnehmen dürfen. Eine grobe Schätzung der Regierung von Unterfranken geht von rund 250 genehmigten Wasser-Entnahmen pro Jahr aus. Insgesamt werden dem Fluss zirka 60 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr entnommen. Der größte Teil davon, 56 Millionen Kubikmeter, dient als Kühlwasser für Industrieunternehmen und wird nach Gebrauch wieder in den Fluss eingeleitet. Netto werden dem Main in Unterfranken pro Jahr etwa vier Millionen Kubikmeter Wasser entzogen.
Wer darf dem Main Wasser entnehmen?
Von den vier Millionen Kubikmetern Wasser, die dem Main jährlich entzogen werden, sind die Hälfte Kühlwasserverluste von rund einem Dutzend Nutzern aus der Industrie. Für die andere Hälfte sind mehr als 230 Entnehmer verantwortlich: Sie nutzen zwei Millionen Kubikmeter Mainwasser pro Jahr für die Bewässerung in Landwirtschaft, Obst-, Garten- und Weinbau. Dazu zählen auch Gemeinden, die ihre Sportplätze bewässern.

Wer braucht am meisten Mainwasser in Unterfranken?
Einer der größten Entnehmer ist das Industrie Center Obernburg, ein Industriepark mit mehr als 35 Unternehmen im Landkreis Miltenberg. Auch ZF in Schweinfurt, das Heizkraftwerk in Würzburg, die Südzucker AG in Ochsenfurt und die Glasindustrie im Landkreis Main-Spessart nutzen Mainwasser als Kühlwasser, das wieder eingeleitet wird. Unter den 230 Entnehmern, die Mainwasser zur Bewässerung einsetzen, haben Landwirtinnen und Landwirte, die Feldgemüse anbauen oder Obst- und Gartenbau betreiben, den größten Bedarf.
Welche größeren Entnahmen sind in Zukunft geplant?
Aktuell hoffen 16 Landwirte und Gemüseanbauer des Bewässerungsvereins in der Bergtheimer Mulde im Landkreis Würzburg, dass sie in Zukunft bis zu 1,4 Millionen Kubikmeter Mainwasser pro Jahr in Richtung Unterpleichfeld pumpen dürfen. Zwei weitere Mainwasser-Projekte, die vom Bayerischen Umweltministerium gefördert werden, betreffen Winzerinnen und Winzer in Iphofen und Nordheim im Landkreis Kitzingen. Dort geht man von einem jährlichen Bewässerungsbedarf von 170.000 und 370.000 Kubikmeter Wasser aus.
Kann man dem Main unbegrenzt Wasser entnehmen?
Man müsse "sehr achtsam sein", sagt Axel Bauer, Sachgebietsleiter Wasserwirtschaft bei der Regierung von Unterfranken. "Der Main hat Potenzial. Er hat aber auch Grenzen. Jede einzelne Entnahme wird dem Main nicht weh tun, aber die Summe macht es aus." Der Run auf den Main habe zwar noch nicht begonnen, der Nutzungsdruck auf das Gewässer nehme aber zu. Die Prognose des Wasser-Experten der Regierung: "Je mehr Trockenjahre kommen, desto mehr Bewässerungswünsche werden auftreten."
Wer entscheidet, wer Wasser aus dem Main bekommt?
Die Landwirtschaftsämter entscheiden, ob eine angebaute Kultur bewässerungswürdig ist. Die Wasserwirtschaftsämter bewerten das Dargebot, also die Menge an Wasser, die zur Bewässerung zur Verfügung steht. Die örtlichen Landratsämter genehmigen schließlich die Entnahmen. Das Problem: Noch fehlt der Datenaustausch zwischen den Ämtern, so dass es möglich wäre, alle Mainwasser-Entnahmen in Unterfranken in ihrer Summe einschließlich ihrer möglichen ökologischen Folgen zu betrachten. Jede Genehmigung wird für sich alleine entschieden.

Wie ist die Haltung der Ämter?
Uneins sind sich Wasserwirtschafts- und Landwirtschaftsämter oft darüber, was bewässert werden sollte. "Aus unserer Sicht sollte Mainwasser nur für Kulturen verwendet werden, die ohne Bewässerung in Unterfranken nicht wachsen, nicht aber zur Gewinnmaximierung", sagt Dr. Klaus Maslowski vom Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg. Axel Bauer von der Regierung von Unterfranken nennt einen umstrittenen Fall aus dem Raum Schweinfurt als Beispiel: Dort war geplant, Energiemais zu bewässern -wofür am Ende aber keine Genehmigung erteilt wurde.
Industrie, Wein, Landwirtschaft, Gemeinden: Wer wird beim Mainwasser bevorzugt?
"Es gibt keine Prioritätenliste, wer heute und wer in Zukunft Wasser aus dem Main entnehmen darf", sagt Axel Bauer. "Doch eine flächige Bewässerung von Weizen, Roggen, Dinkel oder Mais, sollte sie in Unterfranken irgendwann nötig werden, ist in unserem Wassermangelgebiet ein No-Go", sagt der Wasser-Experte der Regierung. Ein heißes Eisen sei vor allem bei kleineren Gewässern die Sportplatzbewässerung oder die Entnahme von Löschwasser in Trockenzeiten. Sollte sich die Situation verschärfen, könnte es auch hier zu Einschränkungen kommen.
Wie wird der Nutzungsdruck auf den Main abgemildert?
Genehmigungen werden seit 2022 nicht mehr wie früher üblich auf 20 Jahre, sondern auf fünf bis zehn Jahre befristet. Neu ist auch, dass in Zeiten, in denen der Main zu wenig Wasser führt und der Sauerstoffgehalt zu niedrig beziehungsweise die Wassertemperatur zu hoch ist, kein Wasser mehr entnommen werden darf. Da dieser Fall immer häufiger in den Sommermonaten eintritt, verschieben sich die zulässigen Wasserentnahmen zunehmend auf das Winterhalbjahr. Die Folge: Immer mehr Entnehmer müssen teure Speicher bauen, um im Sommer genügend Wasser zur Verfügung zu haben.
Wann schaden Wasserentnahmen dem Main?
Wenn die Wassertemperatur über 25 Grad steigt, der Sauerstoffgehalt weniger als sechs Milligramm Sauerstoff pro Liter beträgt und der Wasserpegel in Trunstadt (Lkr. Bamberg), der erste Pegel des Mains kurz vor Unterfranken, unter ein bestimmtes Niveau sinkt, greift der "Alarmplan Main – Ökologie". Dann wird es für die Kleinlebewesen kritisch. Die Regierung gibt zuerst eine interne Vorwarnung heraus. Verschlechtert sich die Situation, erfolgt eine Warnung - oder Alarm. Dann sollen Entnahmen auf das unbedingt erforderliche Maß reduziert oder ganz eingestellt werden.
Was passiert, um ein Fischsterben zu verhindern?
Alarm wird ausgelöst, wenn am Pegel Trunstadt der Abfluss unter 15 Kubikmeter pro Sekunde fällt, die Wassertemperatur über 27 Grad steigt oder weniger als vier Milligramm Sauerstoff pro Liter gemessen wird. Dann wird es auch für Fische kritisch. Wasser aus dem Main zu entnehmen, kann dann per Anordnung untersagt werden. Im Hitzejahr 2018 gab es zehn Tage lang Alarm, 17 Tage Warnung und 36 Tage Vorwarnung. Insgesamt war der "Alarmplan Main" mehr als zwei Monate lang aktiv. "Bis heute hat es kein klimabedingtes Fischsterben gegeben, doch sollten sich die Hitzetage in Zukunft vervielfachen, könnte der Main massive ökologische Schäden davontragen", warnt Axel Bauer.
Wie oft führt der Main zu wenig Wasser?
Selbst im Winter werden geringe Wassermengen über den Main-Donau-Kanal aus Südbayern nach Unterfranken geleitet. Zwischen April und Oktober besteht der Main fast jedes Jahr aus einer erheblichen Menge Donau- bzw. Altmühlwasser. Fällt der Pegel in Trunstadt auf 41 Kubikmeter pro Sekunde oder tiefer, herrscht Niedrigwasser. Dann können bis zu 15 Kubikmeter pro Sekunde übergeleitet werden. Der Main besteht dann zu einem Drittel aus Wasser aus dem Donaueinzugsgebiet.

Gibt es immer genug Donauwasser, um den Main aufzufüllen?
Nein. Wird auch in Südbayern das Wasser knapper, wird die übergeleitete Wassermenge auf zunächst zwölf, dann zehn und schließlich sieben Kubikmeter Wasser pro Sekunde reduziert. Ziel ist es, möglichst lange Wasser aus dem Rothsee, dem Brombachsee und dem Altmühlsee entnehmen zu können und das Überleitungssystem aufrecht zu erhalten. Noch musste es nie komplett eingestellt werden. Doch im Hitzesommer 2015 herrschte mehrere Wochen lang Engpassbetrieb.
Wie will man in Zukunft den Main vor zu vielen Wasser-Entnahmen schützen?
In den nächsten drei Jahren untersuchen Wissenschaftler des Landesamts für Umwelt, wie sich der Klimawandel auf die Gewässerökologie des Mains auswirkt. Bei dem Projekt der Kooperation KLIWA arbeiten Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und der Deutsche Wetterdienst eng zusammen. Gleichzeitig will die Regierung ein Projekt einrichten, um das ökologisch verträgliche Maß von Wasserentnahmen in der Summe zu untersuchen. "Das Ergebnis soll künftig eine wichtige Grundlage für Entnahmeanträge sein", sagt Axel Bauer.