Das Kapital einer gut laufenden Discothek sind die weiblichen Gäste“, sagt Pascal mit einer tiefen, sonoren Stimme, die selten nur energisch wird. „Darum ist es auch unser Job zu schauen, dass sie sich wohlfühlen.“ Pascal lächelt kurz. Aus Pascals Mund hat dieser Satz nichts Machohaftes, klingt eher wie ein Grundsatz aus jahrelanger Erfahrung. Schließlich macht er seit 22 Jahren „die Tür“ – an Discotheken in Ulm, Neu-Ulm, Schweinfurt und Würzburg. Es gibt kaum etwas, was er in dieser Zeit noch nicht erlebt hat: Schießereien, Messerangriffe, fliegende Flaschen. „Am besten holt man sich den Ärger gar nicht erst ins Haus.“ Ein weiterer Grundsatz.
Sieben Stunden Schicht
Es ist 0.30 Uhr an einem Samstagabend, ein kühler Herbstwind weht. Pascal steht unter einem abgerundeten, roten Kunststoffdach, an seinem Rücken hält eine Plexiglaswand den Wind ab. Von vorne wummern Bässe aus der Tür. Menschen lachen, jubeln, singen. Flaschen klirren. Sieben Stunden lang werden diese zwei Quadratmeter vor der Würzburger Discothek „Das Boot“ heute sein Arbeitsplatz sein – von 22 bis 5 Uhr.
Pascal schaut nach rechts: Die nächste Gruppe feierwütiger Studenten läuft die Rampe hinunter, auf ihn zu. Vier Frauen, drei Männer – Pascal mustert die Gäste. „Ausweise dabei?“ Kurzes Suchen: Bankkarte, Ikea-Family-Card, Ausweis. Ein Blick aufs Geburtsdatum und Pascal streckt die Hand zu einer einladenden Geste aus: „Bitte rechts zur Kasse, viel Spaß.“
Viele werden still kurz vor der Tür, versuchen angestrengt unauffällig zu wirken und sich Schnaps und Bier vom Vorglühen nicht anmerken zu lassen. Denn wer auf die Tanzfläche will, muss an Pascal vorbei – und sollte dabei nicht negativ auffallen. Ohne Frage: Sein Äußeres macht Eindruck. Kräftiger Körper, breite Schultern, sein Augenpaar überblickt die meisten Köpfe. Ein Ausweis scheint in Pascals Händen auf Briefmarkengröße zu schrumpfen.
Auf dem Kopf sind die Haare abrasiert, dafür bilden sie im Gesicht einen dichten Bart, wie ihn Wikinger tragen würden. Schwarze Kleidung, schwarze Schuhe, ein Lederarmband.
„Was denken denn die Leute, was Türsteher für Typen sind?“, fragt er mit einem wissenden Lachen, bereit dazu, im nächsten Moment auf die typischen Klischees zu antworten. Zwei seiner Kollegen lachen mit und zählen auf: „Machosprüche, Drogen, dann mal schnell mit einer Frau auf der Toilette verschwinden.“ – „Und ganz wichtig: Motorräder! Hahaha!“ Die drei Türsteher amüsieren sich prächtig. „Nein, im Ernst“, sagt Pascal ruhig: „Dieses Türsteher-Klischee, das gibt es in der Wirklichkeit nicht.“ Pascal ist ein ruhiger, besonnener, gewissenhafter Mensch. Niemand, der Spaß darin findet, Macht über andere Menschen auszuüben. Sie hätten alle „normale“ Berufe, er sei Energieelektroniker. Sein Kollege Andreas ist Altenpfleger. „Ich kenne sogar einen, der eigentlich Arzt ist“, wirft Giulio von rechts ein. Pascal hätte damals mit 18 einfach bei einer Disco nach Jobs gefragt. „Ich war jung und habe Geld gebraucht. Die haben dann gesagt, ich soll an die Tür gehen. So hat es angefangen.“
Warum sie den Türsteher-Job dann überhaupt machen? Kurze Stille, Blicke werden ausgetauscht, wieder Lachen. „Manchmal frage ich mich auch, ob ich mittlerweile nicht zu alt dafür bin“, sagt der 40-jährige Pascal. Wie jeder der arbeiten geht, habe auch er mal mehr Lust und mal weniger. Aber eines ist für ihn klar: „Das ist kein Hobby, das ist Arbeit – aber umso länger man das macht, desto schwerer fällt das Aufhören.“ Er versuche es nun langsam ausschleifen zu lassen. Statt drei bis vier Mal in der Woche, steht er nun nur noch samstags an der Tür. „Das Alter wird?s schon richten, denn es wird natürlich auch nicht einfacher.“
Smartphones sind ein Problem
Ob sich die Gäste in den vergangenen 22 Jahren verändert haben? „Aber ja“, sagt Pascal und zieht die Augenbrauen nach oben. Die seien teilweise viel aggressiver geworden. „Und vor allem provokativer.“ Die Smartphones seien dabei auch ein Problem. „Es wird immer alles gleich mitgefilmt.“ Das beruhigt die Lage oft nicht gerade. Viele würden sich einfach immer im Recht fühlen und könnten nicht einsehen, wann Schluss ist.
„Heute treten die auch auf Leute weiter ein, die am Boden liegen – das hätte es früher nicht gegeben“, sagt Pascal. Schlägereien seien eigentlich fast Tagesgeschäft, das etwas beherztere „Rausbringen“ von Gästen, die sich danebenbenommen haben, ebenso. Da entlädt sich die Wut auch schnell mal am Türsteher. „Da ist dann oft eine Frustration da, gerade wenn die Leute schon einiges getrunken haben und wir sie nach Hause schicken.“ Pascal erzählt von Angriffen auf ihn, auch mit Messern. „Das gehört dazu“, sagt er mit gewohnt besonnener Bassstimme.
Plötzlich schreckt Pascal auf: Ein Tumult im Innern der Discothek. Zwei Jugendliche in weißen Hemden scheinen Streit zu suchen. Pascal stellt einen zur Rede, nimmt ihn mit zur Tür. „Was soll das denn? Du gehst jetzt nach Hause.“ Er müsse seinen Bruder noch holen, der sei noch drinnen. „Dann ruf ihn an oder schreib ihm eine SMS – rein gehst du nicht mehr.“ Leicht torkelnd schleicht der andere in Begleitung von Pascals Kollege zur Tür hinaus. „Geht einfach nach Hause“, wiederholt Pascal. Kurzes Flehen. Sie würden auch friedlich sein, sagt einer.
Pascal bleibt hart. „Nach Hause!“ Geknickt ziehen sie von dannen. Wenige Augenblicke später fliegt eine Flasche gegen das Boot. Die Jugendlichen laufen davon. „Das ist die Frustration. Ganz normal“, sagt Andreas. Pascal nickt.
Man könne eben nicht in die Leute reinschauen. Viele drohen ihm, sie würden um die Ecke auf ihn warten. „Die Schlange der Leute, die da auf mich warten, muss mittlerweile schon ziemlich lang sein“, sagt Pascal und lacht. „Tatsächlich hat das bisher noch niemand gemacht.“ Solche Drohungen scheinen ihn schon lange nicht mehr zu beeindrucken. Und auch eine vermeintliche Terrorgefahr ändert nichts an seiner Einstellung. „Wir machen unsere Arbeit wie vorher auch.“ Vielleicht schaue er manchmal etwas genauer hin – aber wenn dann unterbewusst.
Ein Mann mit schwarzem Krempenhut und einem breiten Grinsen kommt die Rampe hinuntergelaufen. Dunkle Haut, auf der Jacke Aufnäher verschiedener Punk-Rock-Bands. Schon von Weitem grüßt er die drei Türsteher mit ausladenden Gesten. Jeder bekommt eine Umarmung. Die drei freuen sich sichtlich, ihn zu treffen. Nach einer kurzen Unterhaltung mischt er sich unter die Menge. In den kommenden Stunden wird er gelegentlich immer wieder an der Tür vorbeischauen.
Viele Gäste kennt Pascal persönlich, er schüttelt viele Hände an so einem Abend. „Es kommen schon oft dieselben Leute“, sagt er. „Weil wir einfach gut sind“, fügt Pascals Kollege Andreas hinzu und lacht.
Durch Pascals Tür gehen vor allem Studenten. „Wir sind ein sehr offener Club, wir haben nur die Vorgabe, für eine gute Mischung zu sorgen“, sagt er. Natürlich weist er auch Leute ab. Bei manchen habe er schon ein Bauchgefühl, dass sie Ärger machen könnten. Und wenn Gäste gar nicht zum Konzept des Abends passen oder „die Mischung“ zu sehr beeinflussen würden, kommen sie auch nicht rein. „Wenn an einem Studentenabend etwa plötzlich 15 bis 20 über 50-Jährige kommen, muss ich denen leider erklären, dass es heute nicht so gut passt“, sagt Pascal.
„Ich bin hier an der Tür der Vermittler zwischen den Vorstellungen der Geschäftsleitung und den Gästen.“
Eine wirklich „harte Tür“ gebe es in Würzburg eigentlich nicht. Nicht vergleichbar mit Großstädten wie Frankfurt oder Berlin. „Ich habe mal an einer Tür gearbeitet, da wollte der Betreiber ausschließlich Leute in Abendgarderobe haben.“ Pascal ist froh, dass er diese Vorgabe nicht mehr durchsetzen muss. „Das war wirklich anstrengend.“
Trotzdem gibt es auch bei ihm Tage an denen er genauer auf die Kleidung achtet. „Kiliani ist da wirklich anstrengend“, sagt er. Da kämen ganz andere Leute als sonst. „Und bei den Trachten kannst du eigentlich jeden genauer unter die Lupe nehmen, weil da oft ein Brotzeitmesser als Accessoire dazu gehört. Und mit Messer kommt hier keiner rein.“
Ansonsten sei das hier kein Stress. „Der Stress beginnt bei uns erst, wenn es eine Schlägerei gibt.“ Und dazu ist es heute bisher noch nicht gekommen. So steht Pascal an seiner Tür, wartet, beobachtet, schüttelt Hände, scherzt mit den Kollegen. Noch zwei Stunden, dann begleitet er die letzten Gäste nach draußen. Da gebe es selten Ärger. „Irgendwann sind die Batterien bei allen mal leer“, sagt Pascal.