Ein Personalrat, der dem Intendanten "toxischen Umgang" vorwirft. Beschäftigte, die Hilfe suchend Briefe an die Stadt schreiben und nur bereit sind, sich anonym zitieren zu lassen. Ein Intendant, der überraschend bekannt gibt, dass er in zwei Jahren gehen wird. Schwer zu glauben, dass dies Nachrichten aus einem Theater sind, das sein Publikum regelmäßig mit erfolgreichen Produktionen begeistert.

Dass sich am Mainfranken Theater Würzburg Dramen auch abseits der Bühne abspielen, ist seit Jahren bekannt. Da sind die erschwerten Arbeitsbedingungen wegen der Dauerbaustelle. Und da ist die Diskussion um Intendant Markus Trabusch und seinen Führungsstil, die im Juni 2019 öffentlich wurde, als es um die Verlängerung seines Vertrages ging.
Erste Verlängerung des Intendanten-Vertrags schon mit Hindernissen
Der neue Vertrag mit Trabusch kam nach einigem Hin und Her im September 2020 zustande. Würzburgs Kulturreferent Achim Könneke und Oberbürgermeister Christian Schuchardt hatten zu den Kritikern des Intendanten gehört. Dass der Stadtrat für eine Vertragsverlängerung stimmte, wurde als politische Niederlage Schuchardts gewertet.
In diesem Mai sollte wohl über eine weitere Verlängerung um fünf Jahre entschieden werden. Dem kam Markus Trabusch zuvor: Mitte April gab er bekannt, keine weitere Amtszeit anzustreben. Da war die Diskussion allerdings schon wieder aufgeflammt: Denn schon Tage vor Trabuschs Verzichtserklärung hatte sich der Personalrat des Theaters mit einer kritischen Rundmail an Stadtratsfraktionen und die Bürgermeister gewandt. Eine weitere Rundmail sollte zwei Wochen später folgen.
Die Kritikpunkte des Personalrats - und die Reaktionen darauf
Kritikpunkte, die der Personalrat der gesamten Werkleitung vorwirft, sind "stark eingeschränkte Entscheidungsspielräume, irrwitzige Strukturen und Betriebsabläufe, nicht funktionierende Kommunikationskette, mangelnde Wertschätzung, nicht ernst genommene Arbeitsschutzvorschriften, Missachtung der Interessensvertretungen". Die Folge sei unter anderem eine große Mitarbeiterfluktuation.
Weder Intendant noch Personalrat wollen sich derzeit weiter äußern. Über die "Turbulenzen", wie Trabusch es nennt, wurde am 7. Mai im Werkausschuss Mainfranken Theater des Stadtrats nichtöffentlich gesprochen. Im öffentlichen Teil äußerte sich der Geschäftsführende Direktor Dirk Terwey lediglich zum Thema Personalmangel. Dieser sei ein akutes Problem etlicher deutscher Theater, viele Fachkräfte seien "in geregelte Berufe" ohne Dienst am Abend und an Wochenenden abgewandert.
"Wir bekommen technische Positionen nicht besetzt", so Terwey. 145 Stellen seien bundesweit ausgeschrieben, darunter allein 17 Bühnenmeister. Auch das Mainfranken Theater suche derzeit einen Bühnenmeister, dazu zwei Beleuchtungsmeister, einen Bühnenmaschinisten, einen Stellwerker und zwei Beleuchter.

Die ebenfalls kritisierte "Missachtung der Interessensvertretungen" wird wohl die Justiz beschäftigen: Der Personalrat, so erfuhr die Redaktion, will vom Verwaltungsgericht Ansbach feststellen lassen, dass die Monats- und Wochendienstpläne am Theater "der Mitbestimmung des Personalrats unterliegen".
Markus Trabusch hatte nach der ersten Rundmail des Personalrats gesagt, er wisse von Missstimmung in Teilen der Belegschaft: "Berechtigter Unmut muss aufgegriffen und konstruktiv in Verbesserungen überführt werden." Nach der zweiten Rundmail lehnte der Intendant es ab, sich "an der öffentlichen Auseinandersetzung" zu beteiligen. Er sehe im Personalrat nicht die gesamte Belegschaft repräsentiert.
Es geht offenbar nicht nur um Personalrat kontra Werkleitung
Der Redaktion hatten schon zuvor weitere Schreiben von Gruppen wie von Einzelnen aus dem Theater an OB und Kulturreferent vorgelegen, in denen die Sehnsucht nach einem kooperativeren, wertschätzenderen Führungsstil deutlich wird. Auf einer Personalversammlung im Februar, so berichten Teilnehmer, sei erstmals in größerem Kreise deutliche Kritik aus mehreren Abteilungen an der Leitung laut geworden.
Viele Gespräche mit aktuellen und ehemaligen Beschäftigten legen nahe, dass es am Mainfranken Theater nicht nur um eine Auseinandersetzung zwischen Werkleitung und dem gewählten Gremium Personalrat geht. Offensichtlich sind etliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überarbeitet, fühlen sich in ihrer Kompetenz nicht wahrgenommen und in ihren Bedürfnissen nicht gehört. Einige haben deshalb das Haus nach kurzer Zeit wieder verlassen. "Ich bin gegangen, obwohl ich noch nichts anderes hatte", lautete beispielsweise eine Aussage, "aber das ist nicht der Ort, an dem es für mich weitergeht".
Warum es am Theater so schwer ist, Kritik an den Chefs zu üben
Alle, die bereit waren, sich zu äußern, wollen anonym bleiben. Niemand will in der vergleichsweise kleinen Welt des Theaters in Deutschland als notorischer Meckerer gelten. Und der sogenannte Normalvertrag (NV) Bühne, nach dem das künstlerisch tätige Personal beschäftigt ist, bietet so gut wie keinen Kündigungsschutz.

Die Regel im NV Bühne sind Ein- oder Zwei-Jahres-Verträge, die beliebig oft verlängert werden können. Oder eben nicht: Gründe für eine Nichtverlängerung müssen keine genannt werden. Derlei "Kettenverträge" dürfen in anderen Branchen ohne "Sachgrund" wie etwa Elternzeitvertretung nur dreimal verlängert und für maximal zwei Jahre abgeschlossen werden, am Theater gibt es dafür keinerlei Einschränkungen. Das soll den Intendanzen größtmögliche künstlerische Flexibilität geben.
Die Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA), die Gewerkschaft der Theaterschaffenden, dringt deshalb beim Deutschen Bühnenverein, der Vertretung der Arbeitgeber, auf eine Reform des Normalvertrags Bühne. Bis dahin bleibt es für die Beschäftigten schwer, offen Kritik zu äußern. "Die Sorge der Nichtverlängerung schwebt über allem", sagt Erik Völker, Landesvorsitzender der GDBA. Zum Fall Mainfranken Theater sagt er: "Wir versuchen immer, auf vernünftigem Wege eine Klärung herbeiführen. Bei Herrn Trabusch ist das schwierig."
Bundesweite Befragung zeigt: An vielen Theatern gibt es systembedingte Probleme
Die Asymmetrie der Macht und das Spannungsfeld zwischen Theater und Politik sind keine Würzburger Spezialitäten. Sie sind strukturell bedingt und führen immer wieder zu Konflikten, zuletzt etwa in Wiesbaden, Erfurt oder Kassel. Der Autor Thomas Schmidt hat 2018 knapp 2000 Beschäftigte an Theatern befragt und das Ergebnis der Bestandsaufnahme unter dem Titel "Ungelernte Alleinherrscher" im Online-Magazin für klassische Musik "VAN" zusammengefasst.
Demnach arbeitet mehr als die Hälfte der Beschäftigten bis zu zehn und mehr Stunden täglich. 44,5 Prozent der Künstlerinnen und Künstler an den bundesweit rund 140 Häusern verdienen durchschnittlich 2000 Euro brutto, also etwa 1400 Euro netto. 55 Prozent aller Befragten geben an, Formen von Missbrauch erfahren zu haben - darunter "Forderungen nach grenzenloser zeitlicher und räumlicher Verfügbarkeit" oder "Erpressung, Drohen mit Kündigung, wenn nicht trotz Krankheit gespielt wird".
Wie könnte es nun in Würzburg weitergehen?
Es steht Theaterleitungen jederzeit frei, bessere Bedingungen anzubieten, etwa über Arbeitszeitregelungen. In Würzburg, so ein Insider, laufen entsprechende Verhandlungen, sie steckten allerdings fest. Vorbilder gäbe es. So gestehen manche Häuser etwa den Schauspielerinnen und Schauspielern bei acht zu leistenden Arbeitsstunden eine für das Textlernen zu. Würzburg nicht. "Texte lernen ist hier reine Freizeitangelegenheit", sagt ein Beschäftigter.
Wie kann es weitergehen? Zwei Jahre ist Intendant Markus Trabusch noch im Amt. Eine lange Zeit, sollte es den Parteien nicht gelingen, wieder ins Gespräch zu kommen. Und eine kurze, falls doch noch ein "überzeugender Endspurt" gelingt, wie es Achim Könneke formulierte. Ein Beschäftiger sagt: "Das Haus als Ganzes ist aufgewacht. Wir wollen gemeinsam darüber nachdenken, wie ein buntes, kooperatives Theater aussehen könnte."