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Würzburg: Tut Twitter genügend gegen Hass-Kommentare? Würzburger Anwalt Jun zieht gegen die Plattform vor Gericht

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Tut Twitter genügend gegen Hass-Kommentare? Würzburger Anwalt Jun zieht gegen die Plattform vor Gericht

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    Tut Twitter (im Bild das Firmenlogo) genügend gegen den Hass im Netz? Anwalt Chan-jo Jun will es wissen.
    Tut Twitter (im Bild das Firmenlogo) genügend gegen den Hass im Netz? Anwalt Chan-jo Jun will es wissen. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa 

    Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. So banal der Satz auch klingt, so schwierig ist es, Recht und Gesetz in der digitalen Wirklichkeit auch durchzusetzen. Einer, der seit Jahren dafür kämpft, ist Chan-jo Jun. An diesem Donnerstag verhandelt das Landgericht Frankfurt einen Antrag des Würzburger Rechtsanwalts auf einstweilige Verfügung gegen den Kurznachrichtendienst Twitter.

    Jun vertritt in dem Verfahren Michael Blume, den Antisemitismus-Beauftragten der Landesregierung von Baden-Württemberg. Dieser sieht sich seit Monaten auf Twitter massiven Angriffen ausgesetzt. Jun spricht von zahlreichen verleumderischen Tweets mit falschen Behauptungen. So sei Blume unter anderem eine Sex-Affäre mit einer minderjährigen Asiatin angedichtet worden.

    Rechtsanwalt Chan-jo Jun im Oktober bei einer Podiumsdiskussion in Würzburg.
    Rechtsanwalt Chan-jo Jun im Oktober bei einer Podiumsdiskussion in Würzburg. Foto: Thomas Obermeier

    Obwohl man Twitter mit Verweis auf die Verpflichtungen nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (Netz-DG) aufgefordert habe, die rechtswidrigen Beiträge zu löschen, seien 43 von 46 Postings zunächst weiter online stehen geblieben, sagt Jun. Zehn Tage später sei dann zwar der Account eines Journalisten gesperrt worden, von dem die meisten falschen Nachrichten stammten, doch sei nicht verlässlich erkennbar, auf welcher Basis dies geschehe. Er fürchte, sagt Jun, "dass die Kommentare jederzeit wieder auftauchen können".

    Ziel des Eilantrags sei es deshalb, Twitter zu verpflichten, dass die gegen Blume gerichteten Verleumdungen sowie alle sinngleichen Inhalte nicht nur entfernt werden, sondern auch künftig auf der gesamten Plattform nicht wiederhergestellt werden dürfen. Es könne nicht sein, dass Blume jede einzelne neue Rechtsverletzung selbst aufspüren und melden müsse.

    HateAid: Hasskampagnen sind kein Einzelfall

    Unterstützt wird der Antisemitismus-Beauftragte in dem Verfahren von der Initiative HateAid, die Betroffene von digitaler Gewalt berät. Es sei "leider kein Einzelfall, sondern ein Muster", dass Plattformen Hasskampagnen trotz Kenntnis einfach laufen ließen. So würden der Ruf und die Glaubwürdigkeit von Menschen des öffentlichen Lebens langfristig geschädigt, sagt HateAid-Geschäftsführerin Anna-Lena von Hodenberg.

    Michael Blume ist seit 2018 Antisemitismus-Beauftragter der baden-württembergischen Landesregierung.
    Michael Blume ist seit 2018 Antisemitismus-Beauftragter der baden-württembergischen Landesregierung. Foto: Bernd Weissbrod, dpa

    Auch für Anwalt Jun geht es in dem Verfahren neben dem konkreten Fall um Grundsätzliches. Er erhofft sich von einer Gerichtsentscheidung eine Antwort auf die Frage, was soziale Netzwerke konkret leisten müssen, um dem deutschen Recht, also den im Netz-DG niedergeschriebenen Lösch-Verpflichtungen, gerecht zu werden. Er bezweifle, so der Anwalt, dass es genügt, auf technische Lösungen wie die Programmierung entsprechender Algorithmen zu setzen. Die Moderation der Plattformen durch Menschen sei aus seiner Sicht zumutbar. Sie sei aber auch teuer, räumt Jun ein.

    Jun: Befindlichkeiten eines Milliardärs sind kein Maßstab

    In einem "Musterprozess" wolle er Spielregeln für Twitter erarbeiten, sagt der Anwalt. Es könne nicht sein, dass die "politischen Befindlichkeiten eines Milliardärs" entscheiden, was auf der Plattform verbreitet werde. Damit spielt er auf den Kauf des Kurznachrichtendiensts durch den US-Unternehmer Elon Musk an. Dieser hatte zuletzt angekündigt, große Teile der Twitter-Mitarbeitenden zu entlassen, was die Moderation der Inhalte weiter erschweren dürfte.

    Einen ähnlichen Musterprozess hatte Chan-jo Jun zuletzt im Namen der Grünen-Politikerin Renate Künast gegen den Facebook-Mutterkonzern Meta geführt. Das Landgericht Frankfurt verpflichtete Meta im April, Wort-Bild-Montagen (sogenannte Memes) mit einem erfundenen Zitat der Bundestagsabgeordneten dauerhaft und konsequent zu löschen. Außerdem sprach es Künast 10.000 Euro Schmerzensgeld zu. Eine Summe, die Meta bislang nicht bezahlt hat. Das Unternehmen hat gegen die Gerichtsentscheidung Berufung beim Oberlandesgericht Frankfurt eingelegt. Ein Prozess dort ist für Juni 2023  terminiert.

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