Auch wenn Greußenheims Bürgermeisterin Karin Kuhn wichtige Fragen zu den mutmaßlichen Übergriffen in der Kita der Gemeinde nicht beantwortet, kristallisiert sich allmählich ein klares Bild heraus. Im Dezember hatte die Gemeinde im Landkreis Würzburg zwei Erzieherinnen wegen "fragwürdiger Erziehungsmethoden" suspendiert. Recherchen ergaben, dass Kita-Leitung und die Gemeinde als Träger trotz bekannter Vorwürfe gegen insbesondere eine Erzieherin offenbar kaum Maßnahmen ergriffen haben.

Wie das Polizeipräsidium Unterfranken nun bestätigt, wird gegen beide suspendierten Erzieherinnen ermittelt: Nach Information der Redaktion soll die Hauptbeschuldigte unter anderem ein Kind bis zum Erbrechen gefüttert haben. Sie soll grob mit Kindern umgegangen sein oder sie als Strafe in einen dunklen Raum eingesperrt haben. Diese Vorwürfe gehen aus Chatverläufen und Gesprächsprotokollen, die der Redaktion vorliegen, sowie aus Gesprächen mit Betroffenen hervor.
Staatsanwaltschaft Würzburg war bei Vernehmung von Erzieherin beteiligt
"In diesem Verfahren werden die Ermittlungen hinsichtlich einer möglichen Körperverletzung und Nötigung geführt", teilt das Polizeipräsidium auf Anfrage mit. Ermittelt werde jedoch auch gegen die zweite suspendierte Erzieherin: "Der Tatvorwurf bezieht sich gegenwärtig auf eine mögliche Nötigungshandlung." Die Erzieherin war maßgeblich daran beteiligt, die Vorwürfe gegen die hauptbeschuldigte Kollegin bekannt zu machen. Welche konkreten Vorwürfe ihr selbst zur Last gelegt werden, teilt die Polizei nicht mit. Und auch die Gemeinde hat dazu keine Angaben gemacht.

Nach Information der Redaktion hat die zweite Erzieherin inzwischen in einer Vernehmung unter Beteiligung der Staatsanwaltschaft ausführlich ausgesagt. Über den Inhalt gibt die Behörde keine Auskunft. Aus Ermittlerkreisen heißt es, dass die geäußerten Vorwürfe ernst genommen würden. Man arbeite "mit Hochdruck" an dem Fall.
Die Erzieherin hat ihre Beobachtungen in einem schriftlichen Dokument festgehalten, das der Redaktion vorliegt. Darin heißt es unter anderem: "Es ging schleichend im Juli 21 los. (...) Kinder wurden gepackt und grob auf den Boden geknallt, den Kindern wurde Essen reingestopft, bis sie gewürgt oder sogar gebrochen haben. (...) Ein Kind wurde aus dem oberen Gitterbett gerissen, nur am Arm, sodass man meinte, die Schulter kugelt gleich aus und der Kopf ist dabei ungebremst auf dem Boden geschlagen."
Bürgermeisterin: Leiterin der Kita Greußenheim ist aktuell "im Krankenstand"
Sowohl die Kita-Leitung als auch die Gemeinde hatte die Erzieherin nach eigener Aussage im September über diese Vorwürfe informiert. Die hauptbeschuldigte Erzieherin wurde daraufhin von der Kita-Leiterin als Springerin eingeteilt, "um ihre persönlichen Erfahrungsfelder zu erweitern", wie es in einer Mitteilung an die Eltern hieß. Die Hintergründe wurden den Eltern - nach allem was bekannt ist - nicht mitgeteilt. Stattdessen erhielten die Eltern und die Bürgermeisterin im Dezember eine Mail vom Account der Kita-Leitung, in der eine Beförderung der Erzieherin angekündigt wurde.
Sie habe sich von der Leitung der Einrichtung ausreichend informiert gefühlt, sagte Bürgermeisterin Karin Kuhn zuletzt gegenüber dieser Redaktion. Sie habe jedoch Erfahrungsberichte von Eltern bekommen, die sie prüfen wolle. "Wir haben mittlerweile die Vorwürfe von Eltern alle zusammengetragen", teilte Kuhn Ende März mit. Die Nachfrage, was die Auswertung ergeben hat, beantwortete Kuhn nicht.
Nach Aussage von Eltern ist die Leiterin aktuell nicht mehr in der Kita tätig. Die Bürgermeisterin bestätigt auf Anfrage lediglich, dass sich die Leiterin "im Krankenstand" befinde. Ob die Gemeinde als Träger weiterhin Vertrauen in sie habe, will Kuhn "aus arbeitsrechtlichen Gründen" nicht beantworten.
Der Elternbeirat teilt auf die Frage, ob er sich von Kita und Träger ausreichend informiert fühle, mit: "Wir wurden durch die Bürgermeisterin über die aktuelle Lage im Kindergarten informiert. Aus unserer Sicht wird seitens des Trägers alles Erforderliche getan, um das Thema aufzuarbeiten." Explizit danken wolle man den Erzieherinnen, die "bewundernswerte Arbeit in dieser belastenden Situation" leisten würden.
Elternteil: "Bürgermeisterin deckt Kita-Leiterin weil sie selbst mit drin steckt"
Offenbar spricht der Elternbeirat zumindest in Teilen damit nicht für alle Eltern. "Keinesfalls" fühlten sie sich ausreichend informiert, sagen Betroffene gegenüber der Redaktion. Die Gerüchteküche brodele schon viele Tage, Informationen aber gebe es "leider bisher wieder keine". Unter anderem heißt es, man sei "erschüttert darüber, dass solch harte Vorwürfe verschleiert wurden".

Tatsächlich hatte die Bürgermeisterin Maßnahmen nur zögerlich ergriffen und beschwichtigt: "Ich kann Sie dahingehend beruhigen, daß (...) keinerlei körperliche Gewalt vorliegt", hatte Kuhn noch im Januar an Eltern geschrieben. "Wir haben Angst, dass das unter den Teppich gekehrt werden soll", sagt dazu ein betroffenes Elternteil. Die Bürgermeisterin decke die Kita-Leiterin "nur noch, weil sie selbst mit drin steckt".
Die Redaktion hat Karin Kuhn erneut um eine aktuelle Stellungnahme zu diesen Vorwürfen gebeten. Kuhn hat die Anfrage nicht beantwortet. Auch die hauptbeschuldigte Erzieherin sowie die Kita-Leiterin haben mehrere Anfragen nicht beantwortet.