Er kommt – ein paar Minuten nach der vereinbarten Zeit, aber mit so strahlendem Gesicht, dass man dem jungen Mann das nachsieht. Die Teilnehmer der Gesprächsrunde im Integrationsfachdienst (IFD) Würzburg sowieso. Aber dies täten wohl auch Menschen, die nicht wissen, dass Raphael Gerhard jeden Grund hat, sich zu freuen über die gemeisterten Herausforderungen.
Die Autofahrt von Gemünden nach Würzburg zum Treffen in den erst kürzlich in neue Räume umgezogenen IFD war eine davon. Die weit größere: Der 32-Jährige hat sich trotz seines Handicaps (atypischen Autismus) einen unbefristeten Arbeitsvertrag erarbeitet. Das verbindet ihn mit dem 23-jährigen Manuel Semineth aus Würzburg. Beide jungen Männer, die unterschiedlich schwere körperlichen beziehungsweise geistige Behinderungen aufweisen, sind ein ermutigendes Beispiel in Sachen „Unbefristete Beschäftigung trotz Behinderung“.
„Er hat sich prima entwickelt.“
Geschäftsführerin Tina Kirsch über Raphael Gerhard
An einer derartigen Erfolgsgeschichte sind immer mehrere Parteien beteiligt: Arbeitnehmer und -geber, IFD Würzburg (tätig im Raum Würzburg, Main-Spessart und Kitzingen) – und unterschiedliche Kostenträger (Agentur für Arbeit, Bezirk Unterfranken, Integrationsamt, mitunter auch Rehaträger).
Im konkreten Fall: die genannten jungen Männer; die Arbeitgeber Recyclingbetrieb Kirsch & Sohn in Gemünden (vertreten durch Geschäftsführerin Tina Kirsch) und der real Getränkemarkt in Würzburg-Lengfeld (vertreten durch Marion Meyer von der Personalabteilung), die diesen beiden IFD-Klienten in Form von Langzeitpraktika und anschließender befristeter Einstellung die Chance geboten haben, sich für einen ihren Fähigkeiten gemäßen Arbeitsplatz zu qualifizieren; schließlich das Arbeitgeber-/Arbeitnehmer-Bindeglied, der IFD (siehe Infobox), für den der Qualifizierungstrainer Tino Diller die Maßnahme Unterstützte Beschäftigung (UB) durchführt. Eine Aufgabe, die nicht automatisch in eine Win-win-Situation mündet und allen Beteiligten einen langen Atem abverlangt.
Für Raphael und Manuel, die unterschiedlich schwere körperlichen beziehungsweise geistige Behinderungen aufweisen, die in ihrem Job intensive und längerfristige Unterstützung brauchen, bestand kaum Hoffnung, jemals ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu erhalten. Der Übergang in die Werkstatt für Menschen mit Handicap lag nahe, schildert Diller die Ausgangssituation, in der die Agentur für Arbeit die beiden in die unterstützte Beschäftigung vermittelte.
Das große Plus des Teams der Beratungsstelle: Es kennt den Arbeitsmarkt der Region, unterhält gute Kontakte zu kleinen wie größeren Firmen (Mitarbeiterzahl reicht von fünf bis 500), informiert und berät sowohl Arbeitgeber als auch Menschen mit Handicap über Unterstützungsmöglichkeiten, bringt sie passgenau zusammen und begleitet sie bei Übernahme in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis auch nach Auslaufen der UB-Maßnahme.
Zu den wichtigsten UB-Elementen gehören der Vorbereitungskurs, der wöchentliche Projekttag – laut Tino Diller vergleichbar mit der Berufsschule, „bloß dass hier alltagspraktische Themen besprochen werden, weil unsere Klienten ja keine Ausbildung absolvieren und auch keine schriftlichen Prüfungen ablegen“ –, das intensive Training im Betrieb („Jeder Handgriff wird gezeigt“), der regelmäßige Austausch mit Kollegen und Arbeitgebern der IFD-„Schützlinge“.
Dass sich der langwierige Einsatz – die individuelle Qualifizierung kann bis zu 24 Monate dauern – lohnt, daran zweifelt hier niemand. Beide Burschen hätten enorm an Selbstwertgefühl, Selbstständigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Offenheit zugelegt, hebt Diller hervor.
Manuel ist derzeit ausgelastet mit seinen 20 Wochenstunden im Leergutbereich und „zufrieden“. Das ist sein Arbeitgeber auch, sonst hätten „wir für ihn keine neue Stelle geschaffen“, berichtet Marion Meyer über den „Ausnahmepraktikanten“. Etwa zehn hatte der Lengfelder Markt in den vergangenen zwei Jahren.
Tina Kirsch, deren Firma „generell mehrere Praktikanten“ beschäftigt, lobt Raphael als einen jetzt „sattelfesten“, zuverlässigen, freundlichen Helfer im Bereich Recycling. „Er hat sich prima entwickelt.“ Kein Wunder, dass Raphael selbst ob dieser Anerkennung sogar noch eine Nuance stärker strahlt als bisher.
Integrationsfachdienst
Der IFD ist eine Beratungsstelle, die in der Region Würzburg, Main-Spessart und Kitzingen Menschen mit Behinderung rund um das Thema Arbeit unterstützt. Zu ihren Aufgaben zählen: Vermittlung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte Menschen, Sicherung bestehender Arbeitsverhältnisse, Beratung von Firmen bei behindertengerechter Arbeitsplatzausstattung und Beantragung von Zuschüssen.
In Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit führt er die Maßnahme Unterstützte Beschäftigung (UB) durch. Teilnehmen können Menschen mit Behinderung, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Stelle suchen und im Arbeitsleben intensive und längerfristige Unterstützung benötigen. Die Agentur für Arbeit unterstützt diese Maßnahme in der Regel bis zu zwei Jahre. Die Wurzeln des IFD reichen in die 80er Jahre zurück. In ihrer aktuellen Form besteht die Tochtergesellschaft der Mainfränkischen Werkstätten seit Ende 2007.
Kontaktadresse: IFD Würzburg, Reuerergasse 6, Tel. (09 31) 32 94 00, E-Mail: info@ifd-wuerzburg.de. Der Dienstleister bietet zudem immer dienstags von 16 bis 18 in seinen Räumen eine offene Sprechstunde (ohne Anmeldung).