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Würzburg/Berlin: Ungewöhnlicher Vorgang: Verpasste Lauterbach seiner Staatssekretärin Sabine Dittmar einen Maulkorb?

Würzburg/Berlin

Ungewöhnlicher Vorgang: Verpasste Lauterbach seiner Staatssekretärin Sabine Dittmar einen Maulkorb?

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    Die unterfränkische Gesundheitspolitikerin und Staatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) beim Redaktionsbesuch am 9. Dezember in Würzburg.
    Die unterfränkische Gesundheitspolitikerin und Staatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) beim Redaktionsbesuch am 9. Dezember in Würzburg. Foto: Daniel Biscan

    Eigentlich sollte hier ein Interview mit der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Sabine Dittmar, erscheinen. Eigentlich. Denn nachdem die Redaktion das Gespräch mit der SPD-Politikerin aus Maßbach (Lkr. Bad Kissingen) geführt hatte, kam es zu einem ungewöhnlichen Vorgang: ein Veto aus Berlin, aus dem eigenen Ministerium, gegen die Veröffentlichung.

    Hat Minister Karl Lauterbach seiner Staatssekretärin einen Maulkorb verpasst? Es sieht ganz danach aus. Und damit wirft der Fall ein Schlaglicht auf die Kommunikation des Ministeriums nach innen und außen und auf dessen Führung durch einen Minister, den – wie er selbst in Interviews bestätigte – die Popularität aus Talkshows und durch Twitter ins Amt gebracht hat.

    Dittmar diskutierte mit Redaktion über Probleme in der Pflege

    Doch der Reihe nach: Am 9. Dezember ist Dittmar in Begleitung eines Mitarbeiters zu Gast im Verlagshaus in Würzburg. Ein Politikerbesuch, wie viele andere. Nach einem vertraulichen Hintergrundgespräch gibt Dittmar der Redaktion ein Interview zum Thema Pflege. Wie kann man den Personalnotstand in den Heimen in den Griff kriegen? Braucht es dafür mehr Zuwanderung? Müssen die Beiträge der Pflegeversicherung steigen, um das System am Laufen zu halten? Solche und weitere Fragen diskutiert die frühere Hausärztin mit den Reportern, zeigt sich dabei gleichzeitig offen und bedacht.

    Anschließend verschriftlicht die Redaktion das Gespräch mit der 58-Jährigen und schickt das fertige Interview – wie üblich und abgesprochen – per E-Mail zur Autorisierung, also zur Prüfung und für mögliche kleine Korrekturen, an Dittmars Bürgerbüro in Haßfurt. Ein Mitarbeiter bestätigt den Eingang und kündigt eine Freigabe bis Freitag, 16. Dezember, an.

    Doch dazu sollte es nicht kommen. Stattdessen wird das Interview zurückgezogen. An eben jenem Freitag teilen zunächst Dittmars Mitarbeiter, dann ihre persönliche Referentin in Berlin der Redaktion schriftlich und telefonisch mit, dass "die Entscheidung getroffen wurde, das Interview zum derzeitigen Zeitpunkt zurückzustellen".

    Will Lauterbach das Thema Pflege selbst setzen?

    Sabine Dittmar selbst will sich zu dem Fall aktuell nicht äußern. Die Entscheidung, das Interview mit der Redaktion nicht freizugeben, sei im Haus gefallen, heißt es unterdessen aus ihrem Umfeld – was im Falle einer Staatssekretärin eigentlich nur die Leitung des Ministeriums bedeuten kann.

    Heißt: Dittmars Aussagen zur Pflege sind hinfällig, der Beitrag kann nicht erscheinen. Und dies, obwohl das Thema Pflege höchstvirulent ist und eine größere Pflegereform ansteht. Oder liegt genau hier das Problem? Dem Vernehmen nach will Lauterbach in den kommenden Wochen Eckpunkte der Reform vorstellen. Will er das Thema selbst setzen und pfeift deshalb seine Staatssekretärin zurück?

    Die Ereignisse lassen kaum einen anderen Schluss zu – und das wirkt einigermaßen grotesk: Während Lauterbach durch die Talkshows tingelt und zu jeder Tages- und Nachtzeit twittert, darf sich die zweitmächtigste Person in seinem Ministerium nicht in einem Interview zu einer der größten gesundheitspolitischen Herausforderung äußern.

    Sabine Dittmar bei ihrer Vereidigung als Staatssekretärin mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach.
    Sabine Dittmar bei ihrer Vereidigung als Staatssekretärin mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Foto: BMG/Thomas Ecke

    SPD-Mann Lauterbach gilt als Ego-Shooter, als Kontrollfreak, als schlechter Delegierer. Was er im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" jüngst als Stärke verkaufte: Er arbeite sich mit seinem Fachwissen persönlich ein, dies beschleunige die Prozesse. Der "Spiegel" zitiert aus einem zweiseitigen Schreiben der Gleichstellungsbeauftragten im Gesundheitsministerium an die Belegschaft, direkt nach einer digitalen Personalversammlung im November: "Mal ehrlich, bei dieser Videoschalte gab es m.E. nicht nur technische, sondern auch massive inhaltliche Verständigungsprobleme."

    Pressestelle des Ministeriums beantwortet Fragen der Redaktion nicht

    Karl Lauterbach musste sich in den vergangenen Wochen so einiges anhören – nicht nur die gewohnte Schelte aus Opposition und unionsgeführten Ländern. Auch im eigenen Ministerium scheint es schon länger zu knirschen. Medien wie der "Spiegel" und andere berichten von Unmut über Lauterbachs Führungsstil. Die Kommunikation sei vielfach gestört. All dies ließ das Gesundheitsministerium zuletzt reichlich chaotisch wirken.

    Ein Gezerre um das Interview einer Staatssekretärin mit ihrer Heimatzeitung passt da ins Bild. Fragwürdig auch die Rolle, die die Pressestelle des Gesundheitsministeriums dabei spielt. Eine schriftliche Anfrage zu den Gründen, die zum Veto gegen die Veröffentlichung geführt haben, bleibt bis Montagabend unbeantwortet. Auf eine telefonische Nachfrage reagiert eine Mitarbeiterin gereizt, erklärt die ausgebliebene Reaktion mit einer "hohen Auftragslage". Wann das Ministerium antworten will, lässt sie offen.

    Dass Dittmar mit der Situation zufrieden ist, darf bezweifelt werden. Schon im März 2022, zehn Wochen nach ihrem Amtsantritt, sah sie ihre neue Rolle zwiespältig. Vorher, als gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, habe sie zu allem und jedem auch öffentlich ihre ganz persönliche Meinung äußern können, sagte sie damals bei einem Treffen in Berlin. "Jetzt gilt es, Stellungnahmen im Hause abzustimmen" – mit Minister Lauterbach, mit der ganzen Ampel-Regierung. Über die Zusammenarbeit mit Lauterbach sagte sie: "Alles gut mit uns beiden, das passt."

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