Das Nachtleben in der Region ist vielfältig. In Würzburg, Schweinfurt und anderswo laden Bars, Kneipen und Clubs dazu ein, den Alltag zu vergessen und das Leben zu feiern. Doch wo viele Menschen sind, der Alkohol fließt und Situationen unüberschaubar werden können, kommt es immer wieder auch zu Übergriffen. Oft mit sogenannten Knockout-Mitteln.

Zwar gibt es Armbänder, mit denen sich Getränke auf K.-o.-Tropfen testen lassen, Schlüsselanhänger mit Alarmfunktion oder das "Heimwegtelefon", das nachts einen Gesprächspartner vermittelt. Doch viele Mädchen und junge Frauen fragen sich trotzdem: Wie noch sorgenfrei feiern gehen, wenn es solche Schutzvorkehrungen braucht?
Expertinnen: Sexuelle Belästigung und Einsatz von K.-o.-Tropfen haben zugenommen
Laut Wiltrud Werner, Leiterin des Weißen Rings in Schweinfurt, haben die Fälle von sexueller Belästigung und vor allem die Verabreichung von K.-o.-Tropfen "gewaltig zugenommen". Im vergangenen Jahr hätten alleine in Schweinfurt rund zwei Dutzend junge Frauen deswegen Hilfe bei dem Verein gesucht, der Kriminalitätsopfer unterstützt.
Auch zu Katharina Amon vom Würzburger Verein Wildwasser, der sich gegen sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen einsetzt, kommen deswegen immer wieder junge Frauen. Wie Werner vermutet auch die Sozialpädagogin, dass es weitaus mehr Betroffene gibt, sich viele aber nicht trauen, Rat und Hilfe zu suchen.

Carmen Aufmuth, Kriminaloberkommissarin im Polizeipräsidium Unterfranken, bestätigt, dass die Zahl der Fälle von sexueller Belästigung in Unterfranken zuletzt gestiegen ist: Für 2023 sind in der Kriminalstatistik insgesamt 220 Fälle von sexueller Belästigung verzeichnet – 18 mehr als im Jahr zuvor.
Belastbare Zahlen über konkrete Fälle mit K.-o.-Tropfen liegen nicht vor, sagt Aufmuth. "In vielen Fällen bleibt es beim Verdacht." Denn zwischen der mutmaßlichen Verabreichung der Tropfen und dem Erstatten einer Anzeige oder medizinischen Untersuchung zum Nachweis der Substanz vergeht meist viel Zeit. Der Übergriff lasse sich dann kaum mehr nachweisen, sagt die Kripobeamtin.
In der Bar oder im Club ungewollt angefasst zu werden: für viele schon "Normalität"
Spricht man mit Frauen, die in Würzburg feiern gehen, über ihre Erfahrungen im Nachtleben, gibt es kaum eine ohne mindestens ein negatives Erlebnis. In einer Bar oder im Club ungewollt an intimen Stellen angefasst zu werden, passiere so oft, dass es manche Frauen schon als "Normalität" bezeichnen. "Es kommt auch immer wieder vor, dass Männer beim Tanzen Annäherungsversuche starten, aufdringlich werden oder ein Nein nicht akzeptieren", sagt Studentin Alisa Saile.

Auch K.-o.-Tropfen sind vielen nicht unbekannt: "Nachdem bereits mehrere Bekannte von mir Opfer davon geworden sind, habe ich mir ein Schutzarmband gekauft", sagt Studentin Mari Nijasi. Und Melanie Baumann, die in Würzburg als wissenschaftliche Referentin arbeitet, ist sicher, selbst schon Opfer davon geworden zu sein: "Einmal war ich nach nur einem Radler im Club plötzlich total betrunken und hatte später keinerlei Erinnerung mehr an den Abend", sagt die 30-Jährige. Sie wisse nur noch, dass eine Freundin sie damals nach Hause brachte.
Immer wieder werden Frauen auf dem nächtlichen Heimweg von Männern verfolgt
Viele Frauen berichten auch, immer wieder auf dem Heimweg verfolgt worden zu sein. Eine Befragte zum Beispiel erinnert sich, wie ihr einmal ein Mann hinterhergelaufen ist: "Ich habe ihn zunächst nicht bemerkt, bis er plötzlich meinen Namen rief. Ich kannte ihn nicht, er muss meinen Namen aufgeschnappt haben, als ich mich vor dem Club von meinen Freunden verabschiedet habe." Er habe sie gefragt, wo sie wohnt und wollte mit zu ihr nach Hause gehen.

In der Hoffnung, er würde das Interesse verlieren, habe sie zunächst versucht, ihn zu ignorieren. Als das nicht half, habe sie Angst bekommen - und einen Freund angerufen. Bis der kam, habe der Mann gewartet – und sei schließlich weggerannt. "Noch heute denke ich oft, dass die Nacht ganz anders hätte verlaufen können, wenn mein bester Freund nicht gekommen wäre." Seitdem nehme sie nur noch das Taxi.
Für ein sicheres Gefühl: Frauen achten auf gewisse Dinge
Auch wenn jede der befragten Frauen von mindestens einem negativen Erlebnis im Nachtleben erzählen kann: Alle sagen, selbst weiter feiern zu gehen. "Ich denke, es kommt darauf an, sich richtig zu verhalten und mit Freunden unterwegs zu sein, auf die man sich verlassen kann", sagt die Würzburger Sonderpädagogin Nadine Fuchs.

Aber was bedeutet es, sich richtig zu verhalten? Zum Beispiel seine Getränke nicht unbeaufsichtigt lassen oder keine offenen Getränke von Unbekannten annehmen, rät Carmen Aufmuth vom Polizeipräsidium Unterfranken. "Gehen sie am besten in einer Gruppe weg und versuchen sie einander den Abend über im Blick zu behalten", sagt die Kriminaloberkommissarin.
Auf dem Heimweg sollte man, wenn möglich, öffentliche Verkehrsmittel oder Taxis nutzen, auf beleuchteten Wegen bleiben und dunkle Straßen oder Parks vermeiden. Außerdem sei die Standortdatenübertragung in Messengerdiensten eine gute Möglichkeit, um der Familie oder seinen Freundinnen und Freunden mitzuteilen, wo man sich gerade befindet.
Mehr Sicherheit, Unterstützung und AnlaufstellenSchutzarmbänder zum Test auf K.-o.-Tropfen gibt es in Drogeriemärkten. Auf die Papierarmbänder träufelt man etwas von seinem Getränk. Färbt sich das Band blau, wurde etwas ins Getränk gemischt.Das Heimwegtelefon e.V. ist ein kostenloser deutschlandweiter Service von Ehrenamtlichen, bei dem Menschen sonntags bis donnerstags von 20 bis 24 Uhr sowie freitags und samstags von 20 bis 3 Uhr anrufen können, wenn sie sich nachts auf dem Heimweg unwohl fühlen. Ehrenamtliche Helfer begleiten die Anrufer dann am Telefon bis nach Hause: (030) 12074182.An das Opfer-Telefon des Weißen Rings kann man sich täglich zwischen 7 und 22 Uhr wenden: 116 006.Auch die Fachberatungsstelle Wildwasser in Würzburg unterstützt Frauen, denen K.-o.-Tropfen verabreicht wurden unter der Telefonnummer (0931) 13287.Quelle: heimwegtelefon.net, weisser-ring.de, wildwasserwuerzburg.de