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Würzburg/Wülfershausen: Ungleiche Verteilung bei Windkraft-Ausbau: Warum in Unterfranken viel mehr Windräder stehen als im Süden Bayerns

Würzburg/Wülfershausen

Ungleiche Verteilung bei Windkraft-Ausbau: Warum in Unterfranken viel mehr Windräder stehen als im Süden Bayerns

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    Erst durch die 10H-Regelung verhindert, später mit Sabotageaktionen bekämpft: Mehr als zehn Jahre hat es gedauert, bis am Ortsrand von Wargolshausen und Wülfershausen im Landkreis Rhön-Grabfeld Windräder standen.
    Erst durch die 10H-Regelung verhindert, später mit Sabotageaktionen bekämpft: Mehr als zehn Jahre hat es gedauert, bis am Ortsrand von Wargolshausen und Wülfershausen im Landkreis Rhön-Grabfeld Windräder standen. Foto: Torsten Leukert

    Energiewende, Ukraine-Krieg und Wahlkampf. Es gibt viele Gründe, warum Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wieder häufiger von Windrädern spricht. Zwischen 300 und 340 Anlagen seien in Planung, angefragt oder kurz vor der Genehmigung, rechnete Söder im Dezember vor. Es wehe "tatsächlich ein frischer Wind für den Wind".

    Doch wenn der Ministerpräsident über Windräder in Bayern spricht, dann geht es vor allem um Windräder in Franken. Denn hier stehen mit Abstand die meisten Anlagen. Klaus Schenk, Bürgermeister von Donnersdorf (Lkr. Schweinfurt), beklagt das Ungleichgewicht: "Ich weiß, dass wir die Energiewende brauchen. Aber muss alles in Franken passieren?" Seit Jahren gibt es ein Nord-Süd-Gefälle. Je südlicher man im Freistaat kommt, desto seltener sieht man Windräder.

    Den subjektiven Eindruck bestätigen Zahlen: Nirgendwo sind so viele Windräder in Betrieb wie in Oberfranken mit 290. In Unterfranken drehen sich aktuell 271 Windräder, in Oberbayern sind es 95.  Schlusslicht ist Niederbayern mit 21.

    Woher kommt das Ungleichgewicht? Drei Gründe im Überblick.

    1. In Unterfranken sind die Windverhältnisse besser als im Süden von Bayern

    Guter Wind im Norden, schlechter Wind im Süden. So pauschal stimmt das natürlich nicht, aber es gibt geographische Unterschiede, die den Windkraftausbau begünstigen. Denn Windparks entstehen vor allem dort, wo sie wirtschaftlich rentabel sind. Turbulenzen, Windhäufigkeit und - geschwindigkeit sind bei der Standortwahl entscheidend und im Bayerischen Windatlas erfasst. 

    Im Spessart und in der Rhön sind demnach die Windbedingungen gut, wie ein Blick auf die Karte zeigt. Auf 180 Meter Höhe beträgt die Windgeschwindigkeit im Mittel bis zu sieben Meter pro Sekunde. Die südwestlichen Winde sind in der Region deutlich stärker als beispielsweise nördlich von Nürnberg.

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    Eine Windbremse sind die Alpen. Eine Fläche von 20 bis 30 Kilometern davor ist für Windräder ungeeignet, weil die Bergwand die Luft zurückstaut. Auch im Bayrischen Wald und in den Voralpen ist der Effekt zu beobachten.

    Doch inzwischen ragen die Windräder immer höher in den Himmel, technische Innovation macht auch Standorte in windschwächeren Gebieten attraktiv. Karsten Schuster, Geschäftsführer von Volta Windkraft in Ochsenfurt, plant und baut seit mehr als 20 Jahren Windparks und sagt: "Ein Windrad im Landkreis München kann genau so viel Energie liefern wie im Landkreis Würzburg. Neben der Windqualität gibt es noch weitere Faktoren, die das Nord-Süd-Gefälle in Bayern erklären." 

    2. In Unterfranken gibt es nicht so viele Sonderregeln wie in Südbayern 

    Das Regelwerk mit Landes-, Bundes und EU-Recht ist kompliziert. Überall in Bayern gibt es Zonen, in denen gesetzlich keine Windräder stehen dürfen. Nistende Fledermäuse, tieffliegende Militärflugzeuge, überschwemmte Feuchtwiesen - alles Argumente, die Windräder verhindern. Zwar sind auch in Unterfranken Bereiche wie das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön für die Windradplanung ausgeschlossen. Doch im Süden des Freistaats gibt es deutlich mehr und flächenmäßig größere Tabuzonen. 

    Der Rotmilan etwa fühlt sich auf der Schwäbischen Alb und im westlichen Alpenvorland besonders heimisch, weshalb dieser Raum bei der Standortsuche weiträumig ausgespart wird. Für den Bayerischen Wald, Deutschlands größten Waldnationalpark, gibt es keine Baugenehmigungen. Gleiches gilt für kilometerweite Gebiete im Biosphärenreservat Berchtesgaden.

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    3. In einigen Regionen fehlt das Konzept, wo Windparks entstehen könnten

    Die Debatten über Windräder werden vielerorts geführt, sie sind weder ein unterfränkisches noch ein oberbayrisches Phänomen. In den Regionen Main-Rhön und Würzburg aber sind zumindest annährend so viele Gebiete für Windparks ausgewiesen wie im Wind-an-Land-Gesetz festgelegt. Fünf Planungsregionen in Bayern dagegen haben bisher überhaupt keine Vorrang- oder Vorbehaltsflächen ausgewiesen. 

    Strom, am besten bezahlbar und nachhaltig, das wollen alle. Aber ein Windrad, so direkt vor der Haustür? Oliver Weidlich kennt die Diskussionen und Emotionen über mögliche Windrad-Standorte, die er als schraffierte Flächen in Karten einzeichnet. Als Leiter des Sachgebietes Landes- und Regionalplanung der Regierung von Unterfranken schlägt Weidlich mit seinem Team Vorrang- und Vorbehaltsgebiete vor, auf denen neue Windräder entstehen könnten. Er macht das nach Kriterienkatalog mit 50 Einzelkriterien wie Flugsicherung, Naturschutz oder Siedlungsabstände: "Wir wollen keine Windrad-Verhinderungspolitik machen, sondern geeignete Flächen finden", sagt Weidlich.

    Die Vorrangfläche "WK19" am Fuße des Steigerwalds ist ein Beispiel dafür, wie der Windradausbau zur Hängepartie wird. Zwar ist das Gebiet verbindlich im Regionalplan festgeschrieben, trotzdem dreht sich hier kein einziges Rotorenblatt. Erst verhinderte die 10H-Regelung den Bau, jetzt stemmen sich Bürgermeister und Einwohner dagegen. Sie fürchten, dass die Gemeinden Wonfurt und Theres (Lkr. Haßberge) sowie Donnersdorf und Grettstadt (Lkr. Schweinfurt) von bis zu 250 Meter hohen Anlagen umzingelt werden. Seit mehr als zehn Jahren wird über Windräder gestritten, die weder genehmigt noch gebaut sind.

    In Wülfershausen/ Wargolshausen drehen sich zehn Windräder. Ob endlich oder leider, das hängt davon ab, wen man in Rhön-Grabfeld fragt. Während der Bauphase hatten Gegner Nägel in der Zufahrt vergraben und Arbeitsmaschinen sabotiert. Nach mehr als zehn Jahren, einer Prozesslawine und einem Betreiberwechsel sind seit Mitte Januar alle Windräder in Betrieb.

    Nur weil der Windpark in Betrieb ist,  ist der Protest noch nicht verstummt, wie das Plakat in Wargolshausen (Lkr. Rhön-Grabfeld) zeigt. 
    Nur weil der Windpark in Betrieb ist,  ist der Protest noch nicht verstummt, wie das Plakat in Wargolshausen (Lkr. Rhön-Grabfeld) zeigt.  Foto: Torsten Leukert

    Die beiden Fälle zeigen, wie vielerorts der Windradausbau verschleppt wird. Schnell geht es nur dann, wenn alle Beteiligten sich klar für Windenergie aussprechen. So wie in Üchtelhausen (Lkr. Schweinfurt), wo im Juni 2022 bei einem Bürgerentscheid mehr als 70 Prozent der Teilnehmenden für einen neuen Windpark stimmten.

    In Unterfranken werden sich auch in naher Zukunft mehr Windräder drehen als südlich von München. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. 25 Windräder sind aktuell in Unterfranken in konkreter Planung. Zum Vergleich: In Niederbayern ist aktuell die Genehmigung für ein Windrad beantragt, in Schwaben wird zeitnah kein einziges Windrad in Betrieb gehen.

    Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Fassung waren Aussiedlerhöfe als Grund aufgeführt, weshalb Windanlagen in näherer Umgebung der einzelnen Höfe nicht realisiert werden können. Der Mindestabstand von 1000 Metern zu Windräder bezieht sich nach Baugesetzbuch auf bebaute Ortsteile und Geltungsbereiche eines Bebauungsplans. Einzelne Aussiedlerhöfe fallen nicht unter diese Regelung. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.

    Windkraft in Bayern: Regelung, Gebiete, Gesetz10h-Regelung:  Seit Mitte November 2022 gilt in Bayern eine gelockerte Version der 10H-Abstandsregel. Das heißt: in Wäldern, an Autobahnen und Bahntrassen, nahe Gewerbegebieten und in Wind-Vorranggebieten dürfen Windränder mit einem Mindestabstand von 1000 Metern zu Wohngebieten gebaut werden. Bislang war die zehnfache Entfernung der Höhe der Windkraftanlage (10H) vorgeschrieben. Ab Juni 2023 kann in bereits vorhanden Vorranggebieten ein Abstand von 800 Metern zulässig sein.Vorrang- und Vorbehaltsgebiete: Erlaubt sind Windräder in der Regel nur in den geeigneten Vorranggebieten und auf den Flächen, auf denen Windkraft unter bestimmten Auflagen möglich ist, den sogenannten Vorbehaltsgebieten. Anhand von 50 Einzelkriterien haben Fachleute verschiedene Fläche bewertet und geeignete Vorrang- sowie Vorbehaltsgebiete ausgewiesen. Zu den Entscheidungskriterien zählen Abstand zu umliegenden Häusern, Vogelschutz und  Landschaftspflege. Diese geeigneten Gebiete auszuweisen ist Aufgabe von 18 regionalen Planungsverbänden in Bayern.Wind-an-Land-Gesetz: Mit dem Gesetz schreibt der Bund vor, wie viel Prozent der Landfläche eines Bundeslandes für den Ausbau der Windenergie bereitgestellt werden müssen. In Bayern sieht die Regelung so aus: Bis Ende 2026 muss der Freistaat 1,1 Prozent seiner Fläche für Windkraftanlagen zur Verfügung stellen, bis Ende 2032 sind es 1,8 Prozent. In der Region Main-Rhön liegt der Flächenanteil aktuell bei 1,7 Prozent, in Würzburg sind 1,2 Prozent. In der Planungsregion Bayerischer Untermain gibt es aktuell keine Vorbehalts- oder Vorranggebiete. Quelle: Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie

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