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Würzburg: Unterfrankens Bezirkstagspräsident zu Milliardenhaushalt und Wirtschaftslage: "Die Luft wird dünner, das spürt jeder"

Würzburg

Unterfrankens Bezirkstagspräsident zu Milliardenhaushalt und Wirtschaftslage: "Die Luft wird dünner, das spürt jeder"

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    "Die Leute wissen, dass sie bei vielen Leistungen Abstriche werden machen müssen": Unterfrankens Bezirkstagspräsident Stefan Funk spricht über die Finanznöte - und Zumutungen.
    "Die Leute wissen, dass sie bei vielen Leistungen Abstriche werden machen müssen": Unterfrankens Bezirkstagspräsident Stefan Funk spricht über die Finanznöte - und Zumutungen. Foto: Thomas Obermeier

    An diesem Donnerstag verabschiedet der Bezirkstag Unterfranken den Haushalt des Bezirks für 2025. Vor einem Jahr ist erstmals die Milliardengrenze überschritten worden, jetzt entscheiden die 23 Bezirksrätinnen und Bezirksräte über ein Gesamtvolumen von 1,067 Milliarden Euro. Grund für die Steigerung um 6,5 Prozent sind vor allem die höheren Sozialhilfe-Kosten.

    Eine Entwicklung, die Bezirkstagspräsident Stefan Funk Sorgen bereitet. Die Finanzierung werde angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise immer schwieriger, sagt der CSU-Politiker aus Schweinfurt. Im Interview räumt der 64-Jährige ein, dass Bürgerinnen und Bürger mit "Zumutungen" seitens der Politik rechnen müssen. 

    Frage: Herr Funk, seit gut einem Jahr sind Sie Bezirkstagspräsident. Sie sind ein erfahrener Kommunalpolitiker und kommunaler Beamter. Was hat Sie im neuen Amt am meisten überrascht?

    Stefan Funk: Am meisten überrascht hat mich die Explosion bei den Sozialausgaben in diesem Jahr. Die kam über Nacht. Wir haben im Bezirk eine solide Finanzplanung, aber diese Entwicklung ist fast nicht mehr steuerbar.

    Woran liegt das?

    Funk: Die Zahl, der Menschen, die auf Sozial- und Eingliederungshilfe angewiesen sind, steigt rapide, auf aktuell knapp 24.000 in Unterfranken. Zum einen hat das biologische Gründe, die Gesellschaft wird immer älter, die Zahl der Pflegebedürftigen steigt. Gleichzeitig steigen die Kosten in den Heimen. Dabei spüren wir jetzt die Auswirkungen des Angehörigenentlastungsgesetzes, das Angehörige erst ab einem Brutto-Jahreseinkommen von 100.000 Euro zum Unterhalt verpflichtet. Rund ein Drittel der Pflegeheimbewohner ist mittlerweile auf Unterstützung angewiesen.

    "Rund ein Drittel der Pflegeheimbewohner ist mittlerweile auf Unterstützung angewiesen."

    Stefan Funk, unterfränkischer Bezirkstagspräsident

    Im Bezirkshaushalt für 2025 sind die Ausgaben für Sozialhilfe um rund sechs Prozent auf über 550 Millionen Euro gestiegen. Im Wesentlichen werden diese Gelder über die Bezirksumlage finanziert, die die kreisfreien Städte und Landkreise aufbringen müssen. Die Landkreise kassieren wiederum Umlage von den einzelnen Gemeinden.

    Funk: So ist es. Da sitzen alle im gleichen Boot. Ich bin froh um das gute Miteinander, das wir über alle kommunalen Ebenen hinweg hier in Unterfranken pflegen – auch über Parteigrenzen hinweg. Unser Ziel ist es, die Belastung überall möglichst gering zu halten. Die Bezirksumlage steigt jetzt "nur" um 1,7 Punkte auf 20 Prozent. Auch dank der Unterstützung der Staatsregierung. Nach dem Brandbrief aller sieben Bezirkstagspräsidenten an den Ministerpräsidenten hat München die direkten Zahlungen nach dem Finanzausgleichgesetz nochmal deutlich erhöht. Außerdem können wir ein letztes Mal 30 Millionen Euro aus unseren Rücklagen entnehmen. Das hilft uns – und hilft vor allem den Kreisen, Städten und Gemeinden.

    In Euerbach im Landkreis Schweinfurt sind sie selbst als Geschäftsleiter für die Finanzen verantwortlich. Wie wirkt sich die Erhöhung auf die 3000-Einwohner-Gemeinde aus?

    Funk: Noch steht nicht fest, welche Kreisumlage der Landkreis Schweinfurt 2025 erhebt. In diesem Jahr zahlt Euerbach bei 8,2 Millionen Euro Haushaltsvolumen knapp 1,2 Millionen Euro Kreisumlage. 2025 könnten es schon 100.000 Euro mehr sein. Das allein klingt gar nicht so viel, aber aktuell haben wir in Euerbach auch Einbrüche bei der Gewerbesteuer, zugesagte Zuschüsse zur Dorferneuerung sind ausgeblieben. Da fehlen rund 1,4 Millionen Euro, um Kitas, Schulen oder Straßen zu ertüchtigen oder das Vereinsleben zu unterstützen. Die wirtschaftlichen Probleme im Land, allen voran bei uns in der Region mit vielen Automobilzuliefern, reißen überall große Löcher. Die Luft wird dünner, das spürt jede Bürgerin, jeder Bürger.

    Am 27. Oktober 2023 wurde Stefan Funk als neuer Präsident des Bezirkstags von Unterfranken vereidigt.
    Am 27. Oktober 2023 wurde Stefan Funk als neuer Präsident des Bezirkstags von Unterfranken vereidigt. Foto: Ulises Ruiz Diaz

    Was lässt sich tun?

    Funk: Tatsächlich ist das Wichtigste, dass die Wirtschaft wieder in Fahrt kommt – und damit auch die Steuereinnahmen steigen. Dafür bedarf es klarer, verlässlicher Rahmenbedingungen. Ich hoffe, dass es nach der Bundestagswahl eine stabile Regierung, möglichst nur mit zwei Parteien, gibt, die hier mutig Zeichen setzt, die den Bürgerinnen und Bürgern auch Zumutungen abverlangt. Ich glaube, die Leute wissen, dass sie bei vielen Leistungen Abstriche werden machen müssen.

    Mit der Forderung, beim Pflegegeld und beim Familiengeld zu kürzen, sind Sie bei Markus Söder schon mal durchgedrungen.

    Funk: Da hat das gemeinsame Auftreten aller sieben Bezirkstagspräsidenten gewirkt. Ich denke, die Leistungen zu kürzen, aber nicht gleich ganz abzuschaffen, ist ein guter Kompromiss. Das eingesparte Geld wird jetzt in den Ausbau der Kita- und Pflegeinfrastruktur gesteckt. Da wird es dringend gebraucht.

    "Wir müssen uns Leistungen wie die Schulbegleitung anschauen."

    Stefan Funk, Bezirkstagspräsident

    Wo kann der Bezirk sparen?

    Funk: Unsere Sozialleistungen, auch im Bereich Psychiatrie, wo die Fallzahlen seit Corona ebenfalls massiv gestiegen sind, sind Pflichtaufgaben, die wir gerne erbringen. Ich kann mir vorstellen, dass der Gesetzgeber Standards zurückfährt, das betrifft beispielsweise Brandschutzanforderungen, wenn wir und andere Heimträger ein altes Gebäude umbauen. Wir müssen uns auch Leistungen wie die Schulbegleitung anschauen. Eine Eins-zu-eins-Betreuung ist schlicht nicht mehr finanzierbar, Pool-Lösungen wären eine Alternative.

    Einige Krankenhäuser, die der Bezirk betreibt, sind sogenannte freiwillige Pflichtaufgaben, die Orthopädie in Werneck und am König-Ludwig-Haus in Würzburg oder das Thoraxzentrum in Münnerstadt.

    Funk: Die Verantwortlichen in den Häusern leisten großartige Arbeit, sie haben neben ihren Patienten immer auch die Wirtschaftlichkeit mit im Blick. Die Orthopädie-Kliniken leisten einen wichtigen Beitrag für die Versorgung der Region. Sorgenkind ist Münnerstadt. Dort hat zuletzt ein Hacker-Angriff auf die EDV massiven Schaden angerichtet. Wir sind dabei, diesen in Griff zu kriegen. Das kostet uns bis zu zwei Millionen Euro. Es bleibt eine Herausforderung, das Krankenhaus auf Kurs zu bringen. Aber wir sind auf einem guten Weg.

    Gibt es etwas, was Ihnen nach einem Jahr im Amt Hoffnung macht, was Sie positiv stimmt?

    Funk: Positiv stimmt mich zum einen das große Engagement unserer 4000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen vor Ort, aber auch in der Bezirksverwaltung. Hier will ich noch mehr tun, um die Eigeninitiative zu stärken. Lieber ist mir, ein Kollege macht mal einen Fehler, bevor er sich ständig hinter der Bürokratie versteckt. Ich bin auch optimistisch, dass wir nach einem Tal, das noch drei, vier Jahre andauern könnte, wieder gute Zeiten erleben. Der Spruch ist etwas abgegriffen, aber ich weiß aus der Schweinfurter Erfahrung mit der Wälzlager-Krise in den 1990er Jahren: Jede Krise birgt auch Chancen.

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