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Würzburg/München: Urteil des Würzburger Grünen-Politikers Patrick Friedl über die Klima- und Energiepolitik von Markus Söder: "Schlicht versagt"

Würzburg/München

Urteil des Würzburger Grünen-Politikers Patrick Friedl über die Klima- und Energiepolitik von Markus Söder: "Schlicht versagt"

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    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sollte endlich konkrete Maßnahmen in der Klimapolitik finanzieren, meint der Würzburger Patrick Friedl, Klima-Experte der Grünen im bayerischen Landtag.
    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sollte endlich konkrete Maßnahmen in der Klimapolitik finanzieren, meint der Würzburger Patrick Friedl, Klima-Experte der Grünen im bayerischen Landtag. Foto: Thomas Obermeier

    Bei den Grünen im bayerischen Landtag ist der Würzburger Patrick Friedl für die Klimapolitik zuständig - als Sprecher für Naturschutz und Klimaanpassung in seiner Fraktion. Im Gespräch erklärt der 51-Jährige, warum Atomkraft aus seiner Sicht die Energiekrise nicht lösen kann, auch Markus Söders zweiter Versuch für ein bayerisches Klimagesetz Hitze und Trockenheit in Unterfranken nicht stoppen wird – und was der Ministerpräsident tun sollte statt sich ständig über die Berliner Ampel zu beklagen.

    Frage: Ministerpräsident Söder beklagt sich, die Grünen in der Berliner Ampel benachteiligten Bayern vorsätzlich bei der Bewältigung der Energiekrise. Ist da was dran?

    Patrick Friedl: Es ist doch absurd, dass eine Staatsregierung, die die Verantwortung dafür trägt, in welch misslicher Lage wir uns in Bayern befinden, permanent nach Berlin zeigt, anstatt sich endlich den eigenen Aufgaben zu stellen. Ich kann mir das nur so erklären, dass damit von der eigenen Arbeitsverweigerung in den letzten Jahren abgelenkt werden soll.

    Was meinen Sie mit Arbeitsverweigerung?

    Friedl: Wir verbrauchen in Bayern heute deutlich mehr Energie als noch 2010. Doch selbst dieser Mehrbedarf kann nicht mal annähernd über den eigenen Zubau erneuerbarer Energien abgedeckt werden, weil etwa die Windkraft in Bayern mit dem 10 H-Gesetz komplett abgewürgt wurde. Dieses Auseinanderdriften zeigt doch sehr klar, dass die Staatsregierung hier schlicht versagt hat.

    Bayern hängt stärker an russischem Gas als andere Bundesländer. Müssen die Atomkraftwerke nun länger laufen, damit hier das Licht nicht ausgeht?

    Friedl: Das wird in Berlin derzeit sehr verantwortungsvoll geprüft. Viel entscheidender als die Stromfrage ist aber doch: Wie kommen wir durch die Wärmekrise? Denn Gas ist vor allem ein Wärmethema. Die Bundesregierung handelt auch hier sehr offen und transparent. So viel Ehrlichkeit und Klarheit würde ich mir von Markus Söder auch mal wünschen: Es wäre wirklich an der Zeit, dass Söder die hausgemachten Probleme endlich ehrlich benennt und klar sagt, wie der eigene Fahrplan für die nächsten Jahre aussieht.

    Söder spricht von zwei Jahren längerer Laufzeit für das AKW Isar 2, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger will auch das stillgelegte AKW Gundremmingen wieder in Betrieb nehmen. Fürchten Sie eine Wiederbelebung der Kernkraft?

    Friedl: Der Versuch ist offenkundig. Das Thema Atomkraft ist in Deutschland jedoch gesetzlich erledigt. Und an der Risiko-Einschätzung hat sich nichts geändert. Gerade Söders Regierung verweigert sich zudem komplett einer Debatte über einen möglichen Endlager-Standort in Bayern. Dass ausgerechnet dieselben Personen nun wieder eine Atom-Einstiegsdebatte lostreten wollen, ist hanebüchen. Wir müssen in Bayern endlich mit aller Kraft in erneuerbare Energien rein, vor allem in die Windkraft. Da muss Ministerpräsident Söder jetzt sofort seine Hausaufgaben machen.

    Die Staatsregierung hat nach nicht einmal zwei Jahren erneut ein Klimagesetz auf den Weg gebracht. Ist die neue Version ein Schritt in die richtige Richtung?

    Friedl: Vielleicht haben sich die Zehenspitzen in die richtige Richtung bewegt. Das reicht aber nicht, um die Aufgabe zu erfüllen. Die Zielbeschreibung ist verbessert worden, aber nicht einmal die Vorgaben des Bundes und der EU werden erfüllt. Das CO2-Ziel wird zum Beispiel auf Einwohnerinnen und Einwohner gerechnet, nicht auf die ausgestoßene Menge. Da Bayern an Bevölkerung zulegt, gewinnt man so zusätzliche CO2-Spielräume. Ein Gesetz, das zudem weiter komplett unverbindlich ist und keine klaren Ausbauschritte festlegt, kann keine Grundlage für effektive Klimapolitik in Bayern sein.

    Bayerns Klimaziele sind ja sehr ambitioniert: Wie realistisch ist es zum Beispiel, zeitnah 800 neue Windräder in Bayern zu bekommen?

    Friedl: Zum Start dieser Regierung 2018 sollten es hundert neue Windräder in den Wäldern sein. Dann vor zwei Jahren 300. Jetzt 800. Wir haben jedoch kein einziges neues Windrad im Staatswald seit diese Regierung im Amt ist. Und wo sind denn die Rechtsgrundlagen für die gelockerten 10-H-Regeln? Warum hat man die nicht gleich mit dem Gesetz vorgelegt? Nur auf Druck der Bundesregierung muss Bayern jetzt in allen Landesteilen Flächen für die Windkraft liefern. Das hätte schon vor Jahren passieren müssen.

    Was fehlt denn, damit Bayern mit Öko-Energie der Selbstversorgung näherkommt?

    Friedl: Bayern wird vorerst kein Selbstversorgungsland werden können. Entscheidend ist deshalb, dass wir die Überleitung von Strom sicherstellen. Stattdessen hat die Staatsregierung neue Energieversorgungsleitungen aus dem Norden bekämpft und den Ausbau dezentraler Eigenversorgungsnetze verschlafen. Dabei muss der dezentrale Ausbau vor allem bei Photovoltaik und Windkraft endlich massiv vorankommen.

    Reichen die angekündigten Lockerungen der 10-H-Abstandsregel für Windräder dafür aus?

    Friedl: Die Lockerungen werden einen positiven Effekt auf den Ausbau haben. Der Freistaat muss dies aber auch wirksam unterstützen: Wir könnten etwa den Kommunen helfen, Bürgerenergie-Genossenschaften auf den Weg zu bringen. Wenn die Wertschöpfung vor Ort stattfindet, dann wird auch die Akzeptanz steigen. Es ist doch hochattraktiv, die Energieversorgung vor Ort in die eigenen Hände zu bekommen – gerade in diesen Zeiten. Der Bund hat jetzt die Weichen dafür gestellt, dass dies einfacher möglich wird. Deshalb wäre es gut, wenn in Bayern jetzt endlich auch die Grundlagen dafür geschaffen würden.

    "Dieser Dauerwahlkampf, den der Ministerpräsident führt, ist doch komplett neben der Sache."

    Patrick Friedl zur Markus Söders Attacken auf die Berliner Ampel-Regierung

    Trockenheit und Hitze sind in Unterfranken ein großes Problem. Der Freistaat will nun mit einer Pipeline viel Wasser aus Südbayern nach Franken pumpen. Ist das der richtige Weg?

    Friedl: Es ist sicher sinnvoll, die Wasser-Infrastruktur so aufzubauen, dass wir uns bei Wassermangel gegenseitig unterstützen können. Doch anstatt Milliarden Euro in riesige Pipelines zu versenken, ist angesichts bayernweitem Wassermangel die Hauptaufgabe die Sicherstellung der regionalen Wasserversorgung. Da hat Bayern leider den völlig falschen Weg eingeschlagen, denn es gibt hier kaum Wasserschutzgebiete. Auch effektives Niedrigwasser-Management beginnt etwa hier in Unterfranken gerade erst. Wir brauchen einen besseren Schutz der Fließgewässer zum Beispiel durch begrünte Gewässerrandstreifen. Und eine bessere Regenrückhaltung in der Fläche, gerade auch in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft.

    Wie bekommt man die steigende Hitze in den Städten in den Griff?

    Friedl: Wir alle müssen das als Aufgabe wahrnehmen, auch der Freistaat darf sich da nicht länger wegducken. Bislang gibt es leider keine klaren Förderprogramme, die auf Klimaanpassung ausgerichtet sind. Die Kommunen brauchen hier aber mehr Unterstützung. Sie kommen mit der Herausforderung alleine nicht mehr klar. Wir müssen etwa die Frischluftschneisen freihalten und Versiegelung in den Städten aufbrechen, um mehr Grün in die Orte zu bringen und damit mehr Schatten und Kühlung. Auch wurde das Regenwasser bisher vor allem abgeleitet. Um dieses zurückzuhalten und es bei Bedarf nutzen zu können, müssen jetzt Zisternen in den Städten Standard werden.

    Was muss sich also aus Ihrer Sicht ändern an der bayerischen Energie- und Klimapolitik?

    Friedl: Anstatt immer nur neue Ankündigungen für die Zukunft zu machen, müssen endlich konkrete Maßnahmen mit realem Geld finanziert werden. Bisher werden vor allem alte Haushaltsposten zusammengerechnet, um öffentlichkeitswirksam auf möglichst hohe Summen zu kommen, ohne tatsächlich neues Geld in die Hand zu nehmen.

    Sie fordern also mehr Taten?

    Friedl: Söders Wortgeklingel müssen wir uns jetzt fast jeden Tag anhören. Dabei wäre doch echte Zusammenarbeit und mehr Ernsthaftigkeit angesichts der gewaltigen mehrfachen Krisenlage angebracht. Dieser Dauerwahlkampf, den der Ministerpräsident führt, ist doch komplett neben der Sache. Wir haben so große Herausforderungen zu bewältigen, dass wir parteiübergreifend gut zusammenarbeiten sollten – hier im Landtag, genauso wie zwischen München und Berlin. Dafür sind wir alle gewählt. Und das erwarte ich auch von Markus Söder und der Staatsregierung.

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