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Würzburg: Urteil im Kirchenasyl-Prozess: Gericht verwarnt Würzburger Ordensfrau

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Urteil im Kirchenasyl-Prozess: Gericht verwarnt Würzburger Ordensfrau

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    Schwester Juliana Seelmann in der Klosterkirche St. Michael: Die Ordensfrau aus dem Kloster Oberzell (Lkr. Würzburg) gewährte zwei Frauen Kirchenasyl. Am Mittwoch wurde sie vom Amtsgericht Würzburg wegen "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt" verwarnt. 
    Schwester Juliana Seelmann in der Klosterkirche St. Michael: Die Ordensfrau aus dem Kloster Oberzell (Lkr. Würzburg) gewährte zwei Frauen Kirchenasyl. Am Mittwoch wurde sie vom Amtsgericht Würzburg wegen "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt" verwarnt.  Foto: Daniel Karmann, dpa

    Die Würzburger Ordensfrau Juliana Seelmann gewährte 2018 und 2019 zwei jungen Frauen aus Nigeria Kirchenasyl und verhinderte damit deren Abschiebung. Am Mittwoch wurde sie vom Amtsgericht Würzburg wegen "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt" verwarnt. 

    Das Urteil lässt sich unterschiedlich interpretieren: Einerseits ist es eine denkbar geringe Strafe, andererseits hat Richter Rene Uehlin eindeutig die Schuld der Ordensfrau bestätigt. "Ich konnte nicht anders", beteuerte dagegen die 38-Jährige, die nach dem Prozess zwischen Erleichterung und Nachdenklichkeit schwankte.

    Sie muss, so die Auflage des Gerichts, 500 Euro zahlen und darf sich zwei Jahre lang nichts zu Schulden kommen lassen – beispielsweise kein weiteres Kirchenasyl gewähren, sonst könnten weitere 600 Euro Geldstrafe anfallen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Bislang hat weder Schwester Juliana noch die Staatsanwaltschaft entschieden, ob sie Berufung oder Revision einlegen.

    Die Staatsanwaltschaft argumentierte, mit dem Kirchenasyl werde ein Sonderrecht proklamiert – mit dem Ziel, die Asylregelungen zu unterlaufen. Dies sei gesetzlich nicht vorgesehen, das Handeln der Ordensfrau somit rechtswidrig. Der Staatsanwalt beantragte eine Geldstrafe in Höhe von 800 Euro.

    Schwester Juliana Seelmann musste sich am Mittwoch vor dem Landgericht Würzburg verantworten, weil sie zwei Frauen aus Nigeria Kirchenasyl gewährt.
    Schwester Juliana Seelmann musste sich am Mittwoch vor dem Landgericht Würzburg verantworten, weil sie zwei Frauen aus Nigeria Kirchenasyl gewährt. Foto: Thomas Obermeier

    Der Prozess gegen die Ordensschwester, die seit rund zehn Jahren den Oberzeller Franziskanerinnen (Lkr. Würzburg) angehört, war mit Spannung erwartet worden. Längst ist aus Justizkreisen zu hören, dass es beim Kirchenasyl eine Grundsatzentscheidung braucht. In der Verhandlung pochte Schwester Juliana darauf, dass sie stets ihrem Gewissen gefolgt sei. Das Kirchenasyl sei immer nur das letzte Mittel, um schwere Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. "Das sind nie schnelle oder überstürzte Entscheidungen", sagte die 38-Jährige.

    "Es geht mir nicht um eine Grundsatzkritik – weder am Staat noch am Rechtssystem", erklärte die Ordensfrau bereits vor dem Prozess gegenüber dieser Redaktion. "Es sind einzelne Härtefälle, in denen ich nach meinem Gewissen und Glauben entscheide." Bundesweit zählte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) im vergangenen Jahr etwa 500 Flüchtlinge im Kirchenasyl. Das Kloster Oberzell betreute seit 2014 insgesamt 15 Kirchenasyle.

    Ordensschwester: Der Glaube lasse ihr keine Wahl

    Die beiden Nigerianerinnen, die in Oberzell Zuflucht fanden, sind über Italien in die Europäische Union eingereist, wo sie immer wieder Zwangsprostitution und Gewalt erlebt hätten – so zumindest schilderte es Schwester Juliana im Prozess. Das Bamf wollte sie dennoch abschieben – mit der Begründung, dass laut den europäischen Dublin-Regeln Italien für die Bearbeitung der Asylanträge zuständig sei. Ein Härtefall liege nicht vor, so das Bamf. Schwester Juliana sah das anders.

    Beide Frauen seien schwer traumatisiert gewesen und hätten panische Angst vor der Abschiebung nach Italien gehabt. Sie fürchteten, dort von den Schleppern aufgegriffen zu werden. In dieser Not lasse ihr der Glaube keine Wahl. Da müsse sie die Klosterpforte öffnen. Richter Uehlin verurteilte sie dennoch.

    Richter: Kein Urteil im Namen Gottes, sondern im Namen des Volkes

    "Ich spreche kein Urteil im Namen Gottes, sondern im Namen des Volkes", sagte er zur Begründung. Zwar sehe er den Gewissenskonflikt, doch aus juristischer Perspektive handele es sich um einen "offenen Rechtsbruch". Es gehe nicht in erster Linie um eine "moralische Frage".

    Die Glaubens- und Gewissensfreiheit könne nicht zur Straffreiheit führen, da das ebenfalls in der Verfassung verankerte Rechtsstaatsprinzip überwiege. Es liege im gesellschaftlichen Interesse, dass Rechtsbrüche geahndet werden. Im Ergebnis sei das Handeln der Ordensfrau nicht mit Verweis auf ihre individuellen Grundrechte zu entschuldigen.

    In einem der beiden Fälle tauchten überraschend Fragen auf

    Über zwei Stunden erörterte der Richter, wie die beiden angeklagten Kirchenasyle genau abgelaufen sind. Dann jedoch tauchten in einem der beiden Fälle überraschend Fragen auf, die im Gerichtssaal nicht beantwortet werden konnten. Der Richter deutete an, die Verhandlung vertagen zu müssen.

    Schließlich einigten sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung darauf, eines der beiden Kirchenasyle aus der Anklage auszuklammern – juristisch formuliert: vorläufig einzustellen. So konnte am Ende doch ein Urteil fallen.

    Die Justiz ermittelt in ganz Bayern gegen Pfarrer und Ordensangehörige. Lange war es gängige Praxis, die Verfahren einzustellen. Doch neuerdings landen vermehrt Geistliche vor Gericht. Erst vor vier Wochen sprach das Amtsgericht Kitzingen den Benediktinermönch Abraham Sauer frei. Es war, soweit bekannt, bundesweit der erste Kirchenasyl-Prozess, der mit einem Urteil endete. 

    Den Freispruch begründete die Kitzinger Richterin mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Sauer habe zwar gegen das Strafgesetz verstoßen, könne sich jedoch auf seine Grundrechte berufen, aus denen die Richterin einen Entschuldigungsgrund herleitete. Sie orientierte sich dabei an einer Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1971. Die Staatsanwaltschaft legte Rechtsmittel ein.

    Erst 2018 entschied das Oberlandesgericht München, dass es sich beim Kirchenasyl nicht um ein "anerkanntes Rechtsinstitut" handelt. Kritiker wenden ein, die Kirche würde damit die gesetzlichen Asylregelungen aushöhlen. "Kein Gesetz ist perfekt. Es gibt Fälle, da ist das Kirchenasyl der letzte Notanker, um Menschen in Not zu helfen", erwidert Bettina Nickel, Juristin beim Katholischen Büro Bayern.

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