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Würzburg: Vereine in Unterfranken: Wieso in Würzburg Marinekameraden singen

Würzburg

Vereine in Unterfranken: Wieso in Würzburg Marinekameraden singen

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    Die Würzburger Marinekameradschaft pflegt mitten in Unterfranken das seemännische Brauchtum. Im Bild (von links und mit Abstand) Harry Götzelmann, Jürgen Fuchs, Jürgen Rose, Robert Weidling und Karl-Rudolf-Seubert vor dem Alten Kranen in Würzburg.
    Die Würzburger Marinekameradschaft pflegt mitten in Unterfranken das seemännische Brauchtum. Im Bild (von links und mit Abstand) Harry Götzelmann, Jürgen Fuchs, Jürgen Rose, Robert Weidling und Karl-Rudolf-Seubert vor dem Alten Kranen in Würzburg. Foto: Patty Varasano

    Die Bezeichnung scheint etwas aus der Zeit gefallen: Deshalb denken Harald Götzelmann, 1. Vorsitzender der Würzburger "Marinekameradschaft Admiral Scheer" und seine Vorstandskollegen über einen neuen Namen nach: "Wir sind kein nachmilitärischer Verein, es geht bei uns einzig und allein um die Traditionspflege der Schifffahrt generell", sagt Götzelmann, der auch den Shanty-Chor des Vereins leitet.

    Wie kommt eine Marinekameradschaft nach Würzburg, wo doch Unterfranken weit weg ist von allen Weltmeeren? Zum Verständnis hilft ein Blick in die Geschichte: Die Gründung des "Marine-Vereins Würzburg" am 3. Dezember 1899 "haben wir Kaiser Wilhelm II. zu verdanken", sagt Götzelmann. Der Kaiser baute seine Marine damals zu einer großen Kriegsflotte aus: "Dafür hat er aus ganz Deutschland Leute angeheuert. Die kamen von ihrem Dienst zurück und haben in der Heimat Marinevereine gegründet."

    Namensgeber: Stabschef der deutschen Seekriegsleitung im Ersten Weltkrieg

    Seit 1926 ist der Verein nach Admiral Reinhard Scheer benannt, dem Stabschef der deutschen Seekriegsleitung im Ersten Weltkrieg. Scheer hatte Würzburg in jenem Jahr besucht und die Schirmherrschaft der Kameradschaft übernommen. Das war zu einer Zeit, als das Vereinsleben aus geselligen Abenden bestand, bei denen die Teilnehmer nach Dienstgraden getrennt an Tischen saßen und Erinnerungen an ihre Erlebnisse auf hoher See austauschten.

    Im Dritten Reich wurden die Marinevereine und ihr Dachverband von den Nationalsozialisten gleichgeschaltet und nach dem Zweiten Weltkrieg von den Alliierten zunächst verboten. 1954 wurde der Würzburger Verein dann als "Marinekameradschaft" neu gegründet. Fast 70 Jahre später ist der Deutsche Marinebund längst aus der Reservistenvereinigung ausgetreten und hat mit militärischer Traditionspflege schon lange nichts mehr zu tun. In den 1970er Jahren habe "ein ganz großes Umdenken begonnen, beim Marinebund und auch bei uns", sagt Götzelmann. "Seeleute sollten völkerverbindend auftreten".

    Mittelpunkt des Vereins: der Shanty-Chor 

    Dieses Umdenken war auch der Grund dafür, dass er im Jahr 1976 gebeten wurde, den Shanty-Chor zu gründen, der inzwischen das Herzstück des Vereins ist: "Am Anfang wurden wir nicht ernst genommen, weil dadurch Leute in den Verein kamen, die nichts mit der Marine zu tun hatten", erinnert sich Götzelmann, der den Chor zunächst bis 1982 leitete und dann im Jahr 2010 erneut übernahm.

    In Würzburg verankert: die Marinekameradschaft pflegt seemännisches Brauchtum. 
    In Würzburg verankert: die Marinekameradschaft pflegt seemännisches Brauchtum.  Foto: Ralf Dieter

    Inzwischen gehören dem Verein kaum noch Menschen an, die zur See gefahren sind, sagt der Vorsitzende. Die rund 70 Vereinsmitglieder sind "hauptsächlich Leute, die das Meer und die Schifffahrt lieben und denen Themen wie die Sauberkeit der Ozeane wichtig sind". Das Vereinsleben spielt sich in der "Messe", dem Vereinsheim am Haugerring, ab - bei den Chorproben und dem monatlichen geselligen Abend, "an dem auch gut gegessen wird".

    Bei "Kompass-Treffen" wird dazu über die Themen gesprochen wird, die die Vereinsmitglieder interessieren: die Gefährdung der Meeresbewohner durch Mikroplastik beispielsweise oder die Bedeutung der deutschen Handelsflotte.

    Und auch wenn der Marinekameradschaft wie vielen traditionellen Vereinen der Nachwuchs fehlt – einen deutlichen Mitgliederschwund gibt es bisher nicht zu verzeichnen. "Wer einmal dabei ist, der bleibt auch dabei. Austritte gibt es nur, wenn jemand aus Würzburg wegzieht", sagt Harald Götzelmann.

    Seit Beginn der Corona-Pandemie liegt das Vereinsleben allerdings weitgehend brach – ein einziges Mal konnten sich die Mitglieder im vergangenen Jahr unter freiem Himmel treffen. Der Vorstand hält immerhin regelmäßig Kontakt mit einer Whatsapp-Gruppe, durch E-Mails und die Vereinszeitschrift "Flaschenpost".

    Der Shanty Chor beim Würzburger Stadtfest 2019. 
    Der Shanty Chor beim Würzburger Stadtfest 2019.  Foto: Patty Varasano

    Besonders hart von den Pandemie-Maßnahmen betroffen ist ausgerechnet das Herzstück, der Shanty-Chor. Der Aerosole beim Singen wegen sind Proben so gut wie unmöglich, den letzten öffentliche Auftritt hatte der Chor im Januar 2020 bei einem Benefizkonzert in der Johannis-Kirche.

    Mehr als nur Shantys im Repertoire

    Dabei hat der Chor viel zu bieten – weit mehr als nur die typischen Seefahrer-Lieder aus dem englischsprachigen Raum.  Götzelmanns Philosophie: "Es geht darum, dass man aus Spaß an der Freude singt. Wir bieten nicht nur Kunst, sondern auch Unterhaltung."

    Zum Repertoire gehören nicht nur Shantys, sondern Lieder von Hans Albers oder irischen und holländischen Komponisten. Damit begeisterten die Sänger in den vergangenen Jahren regelmäßig auch die Passagiere der Kreuzfahrtschiffe, die an der Löwenbrücke anlegten. 

    Harald Götzelmann, der Leiter des Shanty Chors, beim Auftritt auf einem Kreuzfahrtschiff.
    Harald Götzelmann, der Leiter des Shanty Chors, beim Auftritt auf einem Kreuzfahrtschiff. Foto: Archivbild Silvia Gralla

    Wenn es irgendwann weitergeht, wird der Chor vermutlich auch den "Wellerman Song" in sein Repertoire aufnehmen. Mit jenem neuseeländischen Walfänger-Lied sorgte der schottische Sänger Nathan Evans Anfang des Jahres dafür, dass sich im Internet Menschen zusammenfanden und gemeinsam sangen. Dass sich die Mitglieder des Shanty-Chors in einer Videokonferenz treffen und von ihren eigenen Wohnzimmern aus zusammen singen? Eher unwahrscheinlich, sagt Harald Götzelmann: "Wir haben auch Leute dabei, die über 80 sind. Die bekommen das nicht mehr hin."

    Auch wenn bisher alle Mitglieder bei der Stange geblieben sind: WhatsApp-Nachrichten oder Urkunden für zehnjährige Mitgliedschaft per Post können das richtige Vereinsleben nicht ersetzen. Götzelmann geht davon aus, dass die Impfkampagne und sinkende Inzidenzwerte demnächst wenigstens wieder ein Treffen unter freiem Himmel zulassen: Ich hoffe mal ganz stark, dass wir das bis Pfingsten hinkriegen."

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