Edith Franz aus Leinach ist sauer. Sie gehört zu den knapp 50 000 Betroffenen im westlichen Landkreis Würzburg sowie im Landkreis Main-Spessart, die ihr Leitungswasser seit einigen Tagen abkochen müssen, weil es mit Fäkalkeimen verunreinigt ist. Die wiederum können Übelkeit und Durchfall auslösen. Franz wirft der Kommune vor, ihre Bürger nicht sofort und ausreichend über die akute Gefahr informiert zu haben. Die Ursache ist noch immer nicht gefunden worden, aktuell versuchen Experten mit entsprechenden Mengen Chlor die Bakterien in den Griff zu bekommen. In der Gemeinde Zell (Lkr. Würzburg) ist das gelungen, dort wurde das Abkochgebot am Dienstagabend aufgehoben.
Magenschmerzen und Durchfall
Die Warnung war am Freitag um 14 Uhr an die örtliche Presse gegeben worden. Weil Edith Franz aus Leinach zu dieser Zeit weder Radio hört, noch im Internet surft, erfuhr sie erst am Samstag durch einen zufälligen Anruf ihrer Kinder aus München von der Gefahr aus ihrem eigenen Wasserhahn. Ihre Familie habe derzeit Durchfall, ebenso die Nachbarn. Ob es mit dem Wasser zu tun hat, ist unklar. Sie solle sich an ihren Hausarzt wenden, habe ihr der Ansprechpartner der Hotline des Gesundheitsamtes gesagt, als sie nach unzähligen Versuchen endlich jemanden an die Strippe bekam.
Edith Franz ist mit ihrem Ärger nicht allein. Auch Bewohner anderer Gemeinden sind sauer. Viel zu spät und ungenügend, so klagen Leser jetzt gegenüber dieser Redaktion, seien sie über die Gefahr informiert worden. Weder habe es am Freitag Lautsprecherdurchsagen oder Warnungen per Handzettel gegeben, heißt es auch in Höchberg. Dort sind bislang mehr als 60 Beschwerden bei der Gemeinde eingegangen. Bürgermeister Peter Stichler bestätigt auf Anfrage, dass er und seine Mitarbeiter teils massiven Vorwürfen ausgesetzt seien.
Stichler hatte bereits Freitagnachmittag über eine Mail des Betreibers Kenntnis von dem verunreinigten Wasser, hat sich aber, wie er nun gegenüber dieser Redaktion erklärt, gegen eine Lautsprecherdurchsage mittels Feuerwehrwagen entschieden. „Ich hatte doch keine weitergehenden Informationen oder klare Anweisungen von der Fernwasserversorgung oder dem Landratsamt, was zu tun ist“, so der Bürgermeister. „Da verbreiten wir doch Hysterie, wenn wir durch die Gemeinde fahren und sagen, dass das Wasser verunreinigt ist.“
Zudem sei er lediglich von der zuständigen Fernwasserversorgung Mittelmain und auch nur per Email informiert worden. „Wenn ich nicht auch am Wochenende arbeiten würde, hätte ich gar nichts gewusst.“ Heute, so sagt er, sei ihm klar, dass die Anordnung einer Lautsprecherfahrt eine gute Möglichkeit gewesen wäre, auch jene Bürger schnell zu erreichen, die nicht Radio hören oder in sozialen Netzwerken unterwegs sind. Er könne verstehen, dass die Bürger empört seien.
Bürgermeister will einen Masterplan
Stichler fordert von den zuständigen Behörden Gespräche ein. Die Erstellung eines Masterplans sei dringend notwendig. „Ich möchte wissen, wie wir künftig in solchen Fällen agieren sollen. Dazu braucht man schnelle und klare Anweisungen von den zuständigen Behörden.“ Das Gesundheitsamt hatte erst am Montagmittag den Feuerwehren der betroffenen Gemeinden eine entsprechende Datei für Lautsprecheransagen zur Verfügung gestellt. Reiner Reichert, Geschäftsleiter der Gemeinde Leinach, betont, dass man am Freitag vom örtlichen Feuerwehrkommandanten und der Feuerwehrführung im westlichen Landkreis noch die Auskunft bekommen habe, dass keine zusätzliche Benachrichtigung der Bevölkerung angeordnet werde.
„Verunreinigtes Trinkwasser ist alles andere als harmlos! Nur weil Freitag ist und die Behörden mittags Schluss machen, kann das ja wohl nicht bedeuten, dass Gefahrenlagen danach einfach nicht kommunziert werden“, äußerte sich eine Leserin gegenüber dieser Redaktion. Tatsächlich war die Hotline laut Gesundheitsamt am Freitag nur von 18 bis 20 Uhr und am Samstag von 10 bis 12 Uhr besetzt. Seit Montag ist sie durchgängig erreichbar.
Die Verunreinigung des Wassers war am Freitagvormittag im Trinkwasserlabor der Fernwasserversorgung Franken (FWF) entdeckt worden, die für den Zweckverband Fernwasserversorgung Mittelmain (FWM) die technische Betriebsführung übernommen hat.
Meldepflicht bei Fäkalkeimen
Da bei Enterokokken eine Meldepflicht besteht, wurden die Gesundheitsämter im Landkreis Würzburg und Main-Spessart informiert. „Alle Verantwortlichen haben sich sofort an einen Tisch gesetzt“, sagt Eva von Vietinghoff-Scheel, die stellvertretende Werkleiterin des Zweckverbands. „Noch während der Besprechung mit den Gesundheitsämtern und der technischen Betriebsführung der FWF ging die erste Pressemitteilung an die lokale Presse, ans Radio und an die betroffenen Gemeinden.“
Um die Bevölkerung in den nächsten Tagen besser zu informieren, verwendet das Landratsamt Würzburg nun die Warn-App „Katwarn“. Die versteht sich eigentlich als ergänzendes Warninstrument des Katastrophenschutzes, kann aber auch zur Informationsstreuung genutzt werden.