Die Miene des Mannes bleibt regungslos, als das Verwaltungsgericht Würzburg das Urteil verkündet: „Die Klage wird abgewiesen.“ Der Bauherr hat den Prozess gegen die Stadt verloren.
Bauherr B., dessen Name nicht genannt wird, weil seine Familie und sein Beruf nichts mit dem Streit um die Schwarzbau-Villa am Hexenbruchweg zu tun haben. Ihr Rohbau wurde 2009 von der Bauaufsicht eingestellt, weil er knapp zwei Meter höher gebaut als genehmigt war.
Seitdem kämpft B. gegen die Stadt. Diese wird im Sitzungssaal 2 von Martin Müller von der Bauaufsicht und Rechtsanwalt Professor Hans-Benno Ulbrich vertreten. Ihnen gegenüber sitzen B. und sein Anwalt Ulrich Heidenreich. Blickkontakt findet nicht statt. Auch geredet wird nicht mehr miteinander: Rathausmitarbeiter geben B. und seinem Anwalt nur noch schriftlich Auskünfte.
Es ist das neunte Verfahren B.'s in dieser Sache. Drei behandelte bislang der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München. Das Amtsgericht Würzburg hat sich jüngst mit dem Einspruch B.'s gegen die Höhe des Bußgeldbescheids beschäftigt. Seine Verleumdungsklagen gegen Vertreter der Stadt bearbeitet die Staatsanwaltschaft noch.
Was treibt B. zu diesem Kampf, der immer mehr einem Kampf gegen Windmühlen gleicht? Der gepflegte, intelligent wirkende Mann scheint kein „Don Quichotte“ zu sein. Vor Gericht tritt er ruhig und bestimmt auf. „Ich habe einen Fehler gemacht, und ich habe dafür bezahlt.“ Damit meint B. die 60 000 Euro Bußgeld, das höchste das jemals in Würzburg für einen Schwarzbau verhängt wurde. „Aber warum will die Stadt mir jetzt mit Brachialgewalt weiter Schaden zufügen?“ So unmenschlich sei das Rathaus noch nie gegen einen Schwarzbau in Würzburg vorgegangen. „Es ist so, als wird man erschossen, weil man durch Rot gefahren ist.“ „Erschossen“ fühlt sich B. durch den Abriss seines Walmdachs.
Gegen diesen wehrt sich B. vor Gericht. Denn laut seinem Anwalt war der Grund des 2010 von der Stadt geforderten Abrisses der Nachbarschaftsschutz. Das zu hohe Haus erforderte größere Abstandsflächen. Heidenreich: „Inzwischen hat mein Mandat diese von seinem Nachbarn für den doppelten Quadratmeterpreis, gekauft.“ Jetzt habe der Nachbar sogar unterschrieben, dass das Dach so hoch werden kann, wie B. es möchte. „Mein Mandant hält jetzt alle Vorschriften ein, doch die Stadt gewährt ihm kein Baurecht.“
Dass diese Argumentation nicht falsch ist, bestätigte das Verwaltungsgericht Ende 2010: Im Eilverfahren hob es damals die Rückbauanordnung der Stadt auf, weil die Villa in ihrer gebauten Höhe durch den Ankauf der Nachbarflächen genehmigungsfähig sei.
Doch B. unterschlägt in seiner Darstellung ein wesentliches Detail: Er hat 2010 im Rathaus unterschrieben, den Rückbau seines Dachs zu akzeptieren und juristisch nicht dagegen vorzugehen. Dass er zur Unterschrift gezwungen worden sein soll, glaubt man ihm nicht.
„Es ist so, als wird man erschossen, weil man durch Rot gefahren ist.“
Schwarzbau-Villa-Bauherr zum Vorgehen der Stadt
Dieser Vereinbarung mit der Stadt gab der VGH mehr Gewicht, als der von B. hergestellten Genehmigungsfähigkeit des Schwarzbaus. Da B. vereinbart hatte nicht zu klagen, wies die höhere Instanz seine Klage 2011 im Eilverfahren ab. Im August musste B. das Dach abreißen lassen.
Im Hauptsacheverfahren geht es jetzt um sein Recht, es wieder aufzubauen. Die Argumentation der Stadt ist kurz und knapp. „Ich gehe davon aus, dass der VGH bei seiner Rechtsauffassung bleibt“, sagt Rechtsanwalt Ulbrich.
Während sich Richter, Beisitzer und Schöffen zur Beratung zurückziehen, können die Prozessbeteiligten das Treiben auf dem Spielplatz vor dem großen Fenster des Gerichtssaals betrachten. Der Kindergarten ist ein besonders passendes Hintergrundbild.
Mittlerweile steht der Bau drei Jahre still. Die Villa, in der B. längst wohnen könnte, ist halb fertig und ohne Dach. Mehrere hunderttausend Euro für Abriss und Schaden, viele zehntausend Euro für Buß- und Zwangsgelder und einige tausend Euro Gebühren für Gerichte und Anwalt hat B. der Streit bereits gekostet. Was kostet er ihn wohl an Nerven?
Das Gericht ist nach einer knappen Stunde zurück. „Der Klageverzicht ist wirksam“, erklärt der Richter, warum er die Klage B.'s abweist. Es sei ein „unschöner Prozess“ gewesen, über eine Situation, die für beide Seiten unangenehm ist. „Vielleicht hätte man zu einem früheren Zeitpunkt zu einer einvernehmlichen Lösung kommen können.“
Diese Chance ist längst vertan. Stattdessen hat der Stadtrat in dieser Woche einen weiteren Bauantrag B.'s abgelehnt. B. klagt auch dagegen. Er fühlt sich im Recht.