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Würzburg: Von Familie "angeschwärzt": 87-jähriger Diabetes-Patient verliert Führerschein

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Von Familie "angeschwärzt": 87-jähriger Diabetes-Patient verliert Führerschein

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    Wer unter Diabetes leidet und gut eingestellt ist, kann sicher am Steuer sitzen. Verlangt eine Führerscheinstelle genaue Nachweise dafür, kann es aber heikel werden. Das musste ein Senior aus dem Landkreis Würzburg erfahren.
    Wer unter Diabetes leidet und gut eingestellt ist, kann sicher am Steuer sitzen. Verlangt eine Führerscheinstelle genaue Nachweise dafür, kann es aber heikel werden. Das musste ein Senior aus dem Landkreis Würzburg erfahren. Foto: Andrea Warnecke, dpa

    Bürgerpflicht oder Denunziantentum? Wer jemanden bei Polizei oder Behörde meldet, kann ganz unterschiedliche Motive haben. Echte Sorge um die eigene Sicherheit oder die anderer. Oder eine wichtige Beobachtung als Augenzeuge. Aber auch privater Zwist könnte eine Rolle spielen. Das zeigt ein aktueller Fall, der bis vor Gericht führte.

    Dass Anschuldigungen aus der verkrachten Familie letztlich sogar den Führerschein kosten können, musste ein Senior aus dem Landkreis Würzburg zunächst vom Landratsamt und nun auch vor dem Verwaltungsgericht erfahren. Sein Sohn und dessen Lebensgefährtin hatten ihn wegen angeblicher Fahruntauglichkeit per Mail an die Führerscheinstelle des Landratsamtes "angeschwärzt" und dabei Beispiele genannt. Die alarmierte Behörde wurde – ohne die Vorfälle noch näher zu prüfen – schnell grundsätzlich. Im Mittelpunkt stand bald die Frage, ob der 87-Jährige als Diabetiker noch fahrtauglich ist. Und wer das überprüft.

    Medizinische Untersuchungen: ungeahnte Folgen auf dem Amt

    Über Wochen wusste der pensionierte Jurist nicht, wer ihn wegen der angeblichen Aussetzer am Steuer hingehängt hatte. Nach Vorladung bestritt der Senior gegenüber der Führerscheinstelle vehement die behaupteten Vorkommnisse – einmal soll er einen Bus blockiert haben. Alles sei erfunden und reine Verleumdung, sagt er.

    Bei der Gelegenheit erkundigt man sich aber auch nach seinem Gesundheitszustand. Und der Senior benennt offen seine Diabetes-Erkrankung. Probleme wittert er nicht, schließlich ist er mit Medikamenten gut eingestellt. Wie so viele ältere Menschen, die trotz Diabetes noch selber Auto fahren.

    Doch das Landratsamt will es nun genauer wissen und wendet sich (nach Entbindung von der Schweigepflicht) an die Hausärztin des Betroffenen. Die stellt ein Attest aus, ohne Hinweise auf eine Gefahr durch Unterzuckerung. Zufrieden ist die Führerscheinstelle damit nicht, auch mögliche Folgekomplikationen durch die Diabetes-Erkrankung sollen nun überprüft werden. Der 87-Jährige wird aufgefordert, sich von einer Begutachtungsstelle – in der Regel der TÜV – ärztlich checken zu lassen.

    Begutachtung durch TÜV versäumt – da war der Führerschein weg

    Doch beim TÜV Süd wird der Senior nicht vorstellig, lässt die vom Amt gesetzte Frist verstreichen. Ein nachträglich eingereichtes ärztliches Attest fruchtet nicht – ihm wird der Führerschein abgenommen. Einen Widerspruch dagegen nimmt er zurück und stellt am selben Tag einen Antrag auf Neuerteilung. Weil dies, so will er es vom Landratsamt vernommen haben, der Weg sei, um wieder an den "Lappen" zu kommen.

    Doch auch für eine Neuausstellung schickt die Behörde den Senior zum TÜV Süd. Anstelle einer Begutachtung liefert der pensionierte Jurist weitere Atteste von mehreren Ärztinnen und Ärzten, die sowohl eine Hypoglykämie (Unterzuckerung) wie auch mögliche Folgekomplikationen durch die Diabetes-Erkrankung dementieren. Das Landratsamt akzeptiert auch diese Atteste nicht und verweigert dem Mann eine neue Fahrerlaubnis. Dagegen reicht er Klage ein.

    Die Fahrtauglichkeit von Seniorinnen und Senioren sorgte in den vergangenen Jahren wiederholt für Diskussionen. Eine Diabetes-Erkrankung spricht grundsätzlich nicht dagegen. 
    Die Fahrtauglichkeit von Seniorinnen und Senioren sorgte in den vergangenen Jahren wiederholt für Diskussionen. Eine Diabetes-Erkrankung spricht grundsätzlich nicht dagegen.  Foto: dpa, Symbolbild

    In der Verhandlung vor dem Würzburger Verwaltungsgericht räumt der Anwalt des 87-Jährigen ein, dass ein ungünstiger Eindruck seines Mandanten entstanden sei – als habe er Angst vor einer Begutachtung. Dies sei nicht der Fall. Und Hausärzte, wie in seinem Fall, könnten ihre Diabetes-Patienten in der Regel gut beurteilen.

    Streit um Aussagekraft der ärztlichen Atteste

    Dagegen bleibt das Landratsamt auf seinem Standpunkt: Die Weigerung einer ärztlichen Begutachtung durch den TÜV lasse auf die Nichteignung des Klägers für eine Fahrerlaubnis schließen. Aus den vorgelegten Attesten sei die Zuckerkrankheit nicht abschließend zu beurteilen.

    Aus Sicht des Klägers zerstreuen die erbrachten Belege hinreichend die Zweifel an seiner Fahrtauglichkeit. Acht denkbare Diabetes-Folgekomplikationen seien dadurch ausgeschlossen worden, eine stabile Stoffwechsellage sei ärztlich dokumentiert. Und der Anwalt verweist auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes: Eine Behörde dürfe sich nicht durch unbewiesene Behauptungen aus dem familiären Umfeld zu einem Handeln provozieren lassen.

    Darauf geht die Vorsitzende Richterin nicht ein. Sie stellt die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung in den Mittelpunkt. Danach ist eine gut eingestellte Zuckerkrankheit kein Hinderungsgrund, noch Auto zu fahren. Nur gelte es auch mögliche Folgekomplikationen von Diabetes abzuklopfen.

    Landratsamt will dem Kläger keine dritte Chance geben

    Mit den vorgelegten Attesten zeigt sich das Gericht nicht zufrieden. Genaue Untersuchungen seien nicht dokumentiert. Das verklagte Landratsamt bemängelt, dass die Atteste nicht von ausgewiesenen Verkehrsmedizinern stammten. Es blieben "Restzweifel".  Wie die Richterin deutlich macht, könne grundsätzlich die Fahrtüchtigkeit auch über einzelne Fachärzte nachgewiesen werden. Normalerweise aber bestimme die Behörde den Gutachter.

    Und just darauf pocht das Landratsamt Würzburg. Das Verfahren ruhen zu lassen und dem Kläger eine dritte und letzte Chance zur Begutachtung zugeben, wie von dessen Anwalt vorgeschlagen – dazu ist der Vertreter der Führerscheinstelle nicht bereit. Der Kläger könne nur ganz von vorne eine weitere Neuerteilung beantragen: "Er hatte zweimal die Chance, sich begutachten zu lassen." Es gehe auch um Gebühren. Das Amt sehe keinen Grund, hier umsonst zu arbeiten. In die Verlegenheit wird das Landratsamt nicht kommen. Die Klage des 87-Jährigen wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen.

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