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Würzburg: Vor 5 Jahren kam Corona: 9 Menschen aus Unterfranken berichten, was die Pandemie für sie verändert hat

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    Sehen viele Veränderungen durch die Pandemie: (oben v.l.) Peter Nossol, Heike Wenzel, Katja Eckert, Patrick Meybohm, Astrid Schlereth, (unten v.l.) Eberhard Helm, Christian Hänsch und Carolin und Andreas Obieglo.
    Sehen viele Veränderungen durch die Pandemie: (oben v.l.) Peter Nossol, Heike Wenzel, Katja Eckert, Patrick Meybohm, Astrid Schlereth, (unten v.l.) Eberhard Helm, Christian Hänsch und Carolin und Andreas Obieglo. Foto: Bühl, Haug-Peichl, Anders,  Wenzl/UKW, Leukert, Becker, Obermeier

    Ob in Krankenhäusern, Schulen, Wirtschaftsunternehmen oder Konzerthallen: Vor fünf Jahren hat das Coronavirus das bisher bekannte Leben auf den Kopf gestellt – und manches davon wirkt bis heute nach. Die Pandemie ist vorbei, ihre Folgen aber spüren Menschen in Unterfranken nach wie vor.

    Vom Schulleiter über die Firmenchefin bis zur Sängerin und dem Klinikarzt: Neun Frauen und Männer aus ganz verschiedenen Lebens- und Arbeitswelten berichten, wie sie die Corona-Zeit erlebt haben, wie das Virus sie veränderte – und womit sie bis heute kämpfen.

    1. Peter Nossol, Schulleiter: "Kinder sind unkonzentrierter, können nur schwer still sitzen"

    Peter Nossol (59) ist Leiter der katholischen Grund- und Mittelschule Vinzentinum in Würzburg.
    Peter Nossol (59) ist Leiter der katholischen Grund- und Mittelschule Vinzentinum in Würzburg. Foto: Kerstin Bühl

    "Die Anfangszeit der Pandemie hat uns extrem gefordert. Alle Maßnahmen waren durch Vorschriften aus dem Ministerium bis ins Kleinste geregelt – da hätte man den Schulen ruhig mehr vertrauen können. Die Umstellung auf Homeschooling hatte teils negative Effekte, die bis heute nachwirken: Seitdem haben wir es mit Schulverweigerern zu tun, wie es sie früher nicht gab. Das betrifft vor allem jene, die schon vorher wenige Sozialkontakte hatten. Sie sind teilweise tief in die sozialen Medien abgerutscht.

    Während die Wissenslücken weitgehend geschlossen sind, merken wir eine Veränderung beim Sozialverhalten: Kinder sind unkonzentrierter, können nur schwer still sitzen und auch motorisch sehen wir Defizite. Manche hatten noch nie eine Schere in der Hand. Dass pandemiebedingt Kinder ohne oder mit wenig Vorerfahrung aus dem Kindergarten in die Schule gekommen sind – damit haben Kolleginnen und Kollegen teilweise heute noch zu kämpfen.

    Beim Umgang mit digitalen Instrumenten haben Lehrkräfte und Schüler einiges dazugelernt. Dagegen stehen die angeschafften Lüftungsgeräte jetzt, wie auch in anderen Schulen, weitgehend ungenutzt herum."

    2. Heike Wenzel, Geschäftsführende Gesellschafterin: "In der Produktion haben wir die Vier-Tage-Woche eingeführt"

    Heike Wenzel (53) ist Geschäftsführerin der auf Messtechnik spezialisierten Wenzel-Firmengruppe in Wiesthal (Lkr. Main-Spessart).
    Heike Wenzel (53) ist Geschäftsführerin der auf Messtechnik spezialisierten Wenzel-Firmengruppe in Wiesthal (Lkr. Main-Spessart). Foto: Jürgen Haug-Peichl

    "Die Pandemie hat uns gezeigt, wie empfindlich unsere globalen Lieferketten sind, und uns dazu gebracht, Prozesse anzupassen und flexibler zu gestalten. In unserem Werk in Wiesthal hat sich der Alltag verändert: Weniger internationale Kunden und Interessenten besuchen uns. Stattdessen haben sich Online-Termine und -Demos etabliert – überraschend erfolgreich und effizient. Auch die Arbeitswelt hat bei uns einen Wandel erfahren. Homeoffice ist für viele Mitarbeiter, mich eingeschlossen, zum festen Bestandteil geworden.

    Das erfordert einen Führungsstil, der stark auf Vertrauen basiert. In der Produktion haben wir zudem die Vier-Tage-Woche eingeführt – eine Entscheidung, die sich bewährt hat und mit der wir sehr zufrieden sind. Trotz der vielen Möglichkeiten, digital zu kommunizieren, wird mir immer wieder bewusst, wie wertvoll der persönliche Kontakt ist. Deshalb bin ich inzwischen wieder fast so viel unterwegs wie vor der Pandemie.

    Mein Fazit: Viele Veränderungen, die Corona mit sich gebracht hat, sind wertvoll und haben uns positiv beeinflusst. Aber ehrlich gesagt, ein weiteres Mal möchten wir das nicht durchleben."

    3. Katja Eckert, stellvertretende Pflegedienstleiterin: "Die Angst trägt man wahrscheinlich auf ewig mit sich rum"

    Katja Eckert (41) ist stellvertretende Pflegedienstleiterin im AWO Seniorenzentrum Schwebheim (Lkr. Schweinfurt).
    Katja Eckert (41) ist stellvertretende Pflegedienstleiterin im AWO Seniorenzentrum Schwebheim (Lkr. Schweinfurt). Foto: Anand Anders

    "Unser Alltag ist mittlerweile wieder relativ normal. Corona ist aber nach wie vor ein Thema. Wenn die Infektion eines Bewohners die Runde macht, dann geraten Angehörige und Bewohner noch sehr schnell in Panik. Da herrscht große Angst, vor dem, was dann kommt. Werden wir jetzt isoliert? Dürfen wir keinen Besuch bekommen? Und müssen wir jetzt wieder um unser Leben bangen?

    Emotional hat die Pandemie sicher etwas mit uns gemacht und wir haben das noch nicht verarbeitet. Für alle ist das normale Leben zurückgekehrt, kaum einer redet noch über Corona. Aber die Angst, dass sowas nochmal kommen könnte, die trägt man wahrscheinlich auf ewig mit sich rum.

    Als wir neulich zwei infizierte Bewohner hatten, habe ich gesagt: Wenn das jetzt wieder losgeht, bin ich weg. Ich schaffe das nicht nochmal, weder körperlich noch psychisch. Wir haben uns damals unfassbar alleingelassen gefühlt. Ich kann mich an Ostern 2021 erinnern, da saßen wir hier mit 75 Bewohnern und einer Handvoll Pflegekräfte – und außer der Unterstützung innerhalb des Verbandes, haben wir keine Hilfe erhalten.

    Ich glaube auch nicht, dass wir heute besser gerüstet wären. Von den versprochenen besseren Bedingungen für die Pflege merke ich nichts. Trotzdem hat es bei uns in der Einrichtung keinen Pflexit gegeben. Im Gegenteil, die Krise hat das Team zusammengeschweißt."

    4. Prof. Patrick Meybohm, Intensivmediziner: "Verändert hat die Pandemie die Zusammenarbeit"

    Prof. Patrick Meybohm (47) ist Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Uniklinikum Würzburg.
    Prof. Patrick Meybohm (47) ist Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Uniklinikum Würzburg. Foto: R. Wenzl / Uniklinik Würzburg

    "Ich war damals dabei, als der erste schwerkranke Corona-Patient ins Uniklinikum Würzburg kam. Wir kannten die Bilder der beatmeten Menschen aus dem Ausland, aber das war eine besondere Situation. Jetzt hatten wir seit Monaten keinen Corona-Fall mehr auf der Intensivstation. Wer sich mit Corona infiziert, ist meist nicht mehr schwerkrank. 

    Eines der großen Fragezeichen steht medizinisch hinter Post-Covid. Wir wissen, dass es hundert verschiedene Gesichter haben kann, Antriebslosigkeit, psychische Probleme, Herzrasen oder diffuse Kopfschmerzen – aber vieles ist weiter unklar. Das gilt weltweit. Und es gibt bisher keine guten Therapiekonzepte.

    Verändert hat die Pandemie die Zusammenarbeit an der Uniklinik. Durch Corona waren wir gezwungen, Synergien zu suchen und zu kooperieren, auch stationsübergreifend – und das existiert bis heute. Grundsätzlich hatten wir schon vor Corona gute Konzepte für Krisensituationen. Diese Pläne wurden weiterentwickelt, zum Beispiel in Bezug auf die Lagermengen von Schutzausstattung.

    Stärker in den Fokus gerückt hat Corona die Frage nach möglicher Übertherapie in der Intensivmedizin. Wir können faktisch fast alle Probleme mit Geräten behandeln – nur was ist individuell für den Patienten sinnvoll? Das schärfer im Blick zu haben, ist aus meiner Sicht richtig."

    5. Astrid Schlereth, Gastronomin und Hotel-Inhaberin: "Für die Küche findet sich überhaupt niemand"

    Astrid Schlereth (60) betreibt das Café und Hotel "Rhönperle" in Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld).
    Astrid Schlereth (60) betreibt das Café und Hotel "Rhönperle" in Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld). Foto: Torsten Leukert

    "Seit Corona ist es fast unmöglich geworden, Arbeitskräfte in der Gastronomie und Hotellerie zu finden. Durch den Personalmangel bleibt unser Café heute an zweieinhalb Tagen pro Woche geschlossen – vor Corona hatten wir sechs Tage geöffnet. Für die Küche findet sich überhaupt niemand, das mache ich komplett alleine. Und Vorbereitungen fürs Tagesessen, Torten backen oder Einkaufen finden eben an den Schließtagen statt.

    Die Zahl meiner Angestellten hat sich nach der Pandemie fast halbiert, inzwischen sind es insgesamt nur noch drei im Café und Hotel. Auch die Zahl unserer Übernachtungsgäste – größtenteils Geschäftskunden – hat stark abgenommen. Hier bekommen auch wir den Stellenabbau in der Wirtschaft und die Sparmaßnahmen von Firmen zu spüren.

    Das Hotel hat uns geholfen, durch die Pandemie zu kommen, da wir zeitweise Bundeswehr-Soldaten beherbergen durften. Essen to go wurde leider nicht so gut angenommen. Das Café haben wir während der erzwungenen Schließung in Eigenregie mithilfe der Familie renoviert. Corona hat gezeigt, welches Risiko eine Pandemie für unsere Branche bedeutet: Es kann sein, dass man dann eine Zeitlang weniger oder kein Geld verdient."

    6. , Initiator des Rhön-Grabfeld-Cups: "Wir haben Läufe ohne Zeitmessung eingeführt" 

    Eberhard Helm (72) ist Initiator der Laufserie Rhön-Grabfeld-Cup und Hausarzt aus Ostheim. 
    Eberhard Helm (72) ist Initiator der Laufserie Rhön-Grabfeld-Cup und Hausarzt aus Ostheim.  Foto: Heiko Becker

    "Als ich 1995 den Rhön-Grabfeld-Cup als Serie von inzwischen 16 Laufveranstaltungen im Landkreis Rhön-Grabfeld initiiert habe, hätte ich nicht gedacht, dass er während einer Pandemie einmal helfen würde, das Gemeinschaftsgefühl aufrechtzuerhalten. Bedingt durch Corona und Wettbewerbsverbote haben wir Läufe ohne Zeitmessung eingeführt. So konnten sich zum Beispiel Familien gemeinsam auf schönen Strecken bewegen. Später haben wir auf kürzeren Strecken auch Wanderungen für ältere Menschen angeboten.

    Mehr und mehr haben wir den klassischen Sportbegriff hinterfragt. Inzwischen verstehen wir Sport als Bewegung für alle Altersklassen. Auch älteren Menschen, die während der Pandemie zum Schutz ausgegrenzt wurden, wollen wir mit unserem Angebot für alle die Teilhabe am sozialen Leben ermöglichen und sie zur Bewegung ermuntern.

    Das ist mir auch als Hausarzt wichtig. Der Rhön-Grabfeld-Cup dient also nicht nur der körperlichen Gesundheit - die Bewegung in Gemeinschaft mit anderen fördert auch die Resilienz. Beides kann für eine mögliche nächste Pandemie nicht schaden!"    

    7. Christian Hänsch, früher Wirt, heute Pfleger: "Ich habe die Freude an meinem alten Beruf wiedergefunden"

    Christian Hänsch (55) war Wirt und ist wieder Pfleger - jetzt bei der Lebenshilfe in Bad Kissingen.
    Christian Hänsch (55) war Wirt und ist wieder Pfleger - jetzt bei der Lebenshilfe in Bad Kissingen. Foto: Heiko Becker

    "Corona hat den Ausschlag gegeben, dass ich heute nicht mehr Wirt, sondern wieder Pfleger bin. Nach der Rückkehr in meinen alten Beruf während der Pandemie habe ich die Freude daran wiedergefunden. Die Pflege wurde plötzlich als wichtig wahrgenommen. Das war vor Corona anders.

    Ich hatte nach meiner Ausbildung fast 20 Jahre im Krankenhaus gearbeitet, war in leitender Position. Der Druck dort wurde immer größer, daher bin ich in die Gastronomie gewechselt, habe die 'Eule' in Bad Kissingen übernommen. Als wir in der Pandemie zumachen mussten, hatte ich innerhalb eines Tages einen Job in einem Wohnheim für Schwerbehinderte. Nach Wiederöffnung der 'Eule' habe ich dort bis Oktober 2022 noch halbtags gearbeitet, um meine Kneipe am Leben zu halten. Die Kunden waren nach Corona größtenteils weg, die Umsätze schlecht. Die Belastung wurde mir zu groß.

    Heute bin ich in Vollzeit Pfleger bei der Lebenshilfe in Bad Kissingen und habe ein geregeltes und familienfreundlicheres Leben als in der Gastronomie. Der Job macht Spaß. Ich habe Zeit für die behinderten Menschen, und die Bezahlung in der Pflege hat sich nach Corona verbessert."

    8. Carolin und Andreas Obieglo, Musiker: "Viele Leute wollen nicht mehr im Voraus kaufen"

    Carolin und Andreas Obieglo (45 u. 46) sind das Singer-Songwriter-Duo "Carolin No" aus Waldbüttelbrunn (Lkr. Würzburg). 
    Carolin und Andreas Obieglo (45 u. 46) sind das Singer-Songwriter-Duo "Carolin No" aus Waldbüttelbrunn (Lkr. Würzburg).  Foto: Thomas Obermeier

    "Für uns war und ist ein guter Ticket-Vorverkauf enorm wichtig. Vor der Pandemie wurden rund neunzig Prozent der Tickets im Vorfeld gekauft, was sowohl für uns, als auch für die Veranstalter vor Ort, eine wertvolle Planungssicherheit bedeutete. Das ist nicht mehr der Fall.

    Das Kaufverhalten des Publikums hat sich definitiv verändert. Viele Leute wollen nicht mehr im Voraus kaufen und das wiederum ist für Kulturschaffende eine gefährliche Entwicklung. Denn dadurch ergibt sich immer wieder die Situation, in der Veranstaltungen wegen niedriger Vorverkaufszahlen schon im Vorfeld abgesagt werden. 

    Das Risiko wollen und können viele nicht mehr tragen, aber: Dieses Szenario ist ein wirklicher Teufelskreis, denn es trifft alle Beteiligten. Vor allem auch die Leute, die spontan an dem besagten Abend zum Konzert kommen, dann aber vor verschlossenen Türen stehen. Wir können nur hoffen – und so versuchen wir das auch unserem Publikum zu vermitteln – dass der Trend wieder hin zu einem soliden Vorverkauf geht."

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