Eine Leserin ärgert sich: Politische Akteure und potenzielle Kandidaten der bevorstehenden Bundestagswahl würden in der Berichterstattung der Redaktion ungleich behandelt. Sie beklagt dies mit Blick auf den Livestream, zu dem die Redaktion die Würzburger Direktkandidaten und Direktkandidatinnen der Parteien, die bereits im Bundestag vertreten sind, eingeladen hatte.
Warum nur die aktuell im Bundestag vertretenen Parteien? Die Leserin sieht "grundlegende Prinzipien der Chancengleichheit und der fairen Wahlprozesse gefährdet". Auch Kandidaten und Kandidatinnen von Parteien, die in Bayern wählbar sind und bisher nicht im Bundestag vertreten waren, sollten Gelegenheit haben, sich der Bevölkerung vorzustellen, fordert sie. Die von Parteien, die im Bayerischen Landtag vertreten sind, ebenso.
Alle Direktkandidatinnen und Direktkandidaten werden in Porträts vorgestellt
Diese Vielfalt bietet diese Redaktion durchaus. Der Livestream ist nur ein Teil der umfassenden Berichterstattung vor der Bundestagswahl am 23. Februar. Dabei liegt der Fokus auf den in unserer Region zur Wahl stehenden Personen. In allen Lokalredaktionen gelten dafür Eckpunkte, die ich an dieser Stelle erläutern möchte.

Alle Direktkandidatinnen und Direktkandidaten in den Wahlkreisen - also diejenigen, die namentlich auf dem Stimmzettel stehen - werden jeweils in einem Porträt vorgestellt. Diese Porträts mit Foto und Infobox haben alle die gleiche Länge. Es kommt dabei also nicht auf die Größe der Partei an.
In den Wahlkreisen gibt es Unterschiede
Je nach Wahlkreis können Bewerberinnen und Bewerber unterschiedlicher Parteien vertreten sein. Einige Beispiele: Im Wahlkreis Würzburg gehören dazu auch Volt und Freie Wähler. In Main-Spessart hingegen konnte der Kandidat der Partei Volt nicht genügend Unterstützerunterschriften sammeln. Über seine diesbezüglichen Bemühungen wurde aber ebenfalls berichtet.
Im Wahlkreis Schweinfurt (mit Kitzingen) sieht es wieder anders aus: Dort stehen zum Beispiel auch Kandidaten von ÖDP, Bayernpartei oder den Marxisten-Leninisten auf dem Wahlzettel. Sie alle werden oder wurden schon von der Redaktion vorgestellt. Eine Ausgrenzung, Benachteiligung oder Bevorzugung einzelner Kandidaten, wie die Leserin sie befürchtet, nimmt die Redaktion nicht vor.
Der Unterschied zur Berichterstattung öffentlich-rechtlicher Sender
Aber: "Gefragt sind journalistische Porträts, keine Schmuse-Storys", sagt eine Kollegin. Das heißt: Die Kandidatinnen und Kandidaten sollen nicht nur Wahlprogramme abspulen. Unsere Redakteurinnen und Redakteure setzen Themen und stellen Fragen, die auch mal unbequem sein können. Und, ein besonders in Wahlkampfzeiten wichtiger journalistische Standard: Kein Kandidat, keine Kandidatin bekommt das Porträt vor der Veröffentlichung sozusagen "zur Freigabe" vorgelegt.
Interessant ist sicher auch dies: Privatwirtschaftliche Medienunternehmen wie die Main-Post sind in der Gewichtung ihrer Beiträge in der Vorwahlberichterstattung freier als die öffentlich-rechtlichen Sender. Die öffentlich-rechtlichen Sender sind durch den Medienstaatsvertrag zu Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtet und überdies an das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Konzept der "abgestuften Chancengleichheit" gebunden.
Bundesverfassungsgericht: Vergleichbarkeit untereinander muss sein
Das sieht, grob gesagt, einen differenzierten Umgang mit den Parteien vor, der von ihrer Bedeutung abhängt. Dabei spielen etwa vorherige Wahlergebnisse, die Größe der Partei oder der Zeitraum ihres Bestehens eine Rolle - mit der Folge, dass über große Parteien ausführlicher berichtet werden darf als über kleine. Der Umfang der Berichterstattung über die großen Parteien untereinander muss aber vergleichbar sein, ebenso wie der über die kleineren.