Was bewegt in der kleinen Gemeinde Sulzthal (Lkr. Bad Kissingen) den Bürgermeister, über eine Gebührenkalkulation für Wasser- und Abwasser nicht öffentlich beraten zu lassen? Es gibt doch nichts zu verbergen, wenn es um Geld geht, das die Ortsbürger zu bezahlen haben. Sich damit hinter verschlossene Türen zurückzuziehen, widerspricht demokratischen Grundsätzen und der Gemeindeordnung. Die verlangt meist öffentliche Beratungen und Abstimmungen.
Landauf, landab lassen sich ähnliche Beispiele hinzufügen. In dieser Zeitung musste häufig kritisiert werden, dass Gemeinde-, Stadt oder Kreisräte ausreichende demokratische Teilhabe der Bürger verhinderten, weil sie die Öffentlichkeit von ihren Beratungen ausschlossen.
Die Regierung klärt auf
Nun aber könnte es heißen: Vorhang auf! Seit März macht eine zweiteilige Aufklärungsschrift der Regierung von Unterfranken Hoffnung, dass Kommunalpolitik und Behörden in Unterfranken durchschaubarer werden. Die beiden Teile lassen erkennen, dass zur demokratischen Teilhabe der Bürger die Offenheit von Behörden und die Berichterstattung der Medien beitragen. Außerdem räumt sie mit einer verbreiteten Überinterpretation des Begriffes „Öffentlichkeit“ auf. Die Regierung selbst hatte Kommunen bestätigt, dass Tagesordnungen nicht öffentlicher Sitzungen nicht an die Öffentlichkeit zu geben seien. Das sorgte für überzogene Schlussfolgerungen.
Die wurden deutlich als in der Kolumne Leseranwalt in dieser Zeitung im Oktober 2010 zu lesen war, dass Kommunen verpflichtet sind, Tagesordnungen und Ergebnisse nicht öffentlicher Sitzungen an Mitarbeiter journalistischer Medien zu übergeben, wenn diese danach verlangen. Das sorgte für heftigen Widerspruch aus dem Bayerischen Gemeindetag, einigen Landratsämtern und Kommunen. Ein Spitzenfunktionär des Gemeindetages stellte grundsätzlich fest, wenn die Presse Informationen über nicht öffentliche Tatbestände wolle, fordere sie von den Kommunen rechtswidriges Verhalten ein.
Eine Reihe von Gemeinden, sogar ein Landrat, verweigerten Mitarbeitern der Zeitung vor nicht öffentlichen Beratungen die Tagesordnungen. Alle beriefen sich auf Regierung und Gemeindeordnung, die sie dabei aber falsch interpretierten.
Wer Informationen aus nicht öffentlichen Sitzungen und deren Tagesordnungen an Mitarbeiter der Presse weiterreicht, verstößt damit noch nicht gegen bestehendes Recht. Meist kommt er sogar einer gesetzlichen Verpflichtung nach. Redaktionen sind noch keine Öffentlichkeit. Die Regierung klärt das auf. Nie habe sie Informationen an die Presse aus nicht öffentlichen Sitzungen nach deren konkreten Anfragen verhindern wollen. Es gehe lediglich darum, dass für nicht öffentliche Sitzungen die Notwendigkeit der ortsüblichen öffentlichen Bekanntmachungen nicht gilt. Grundsätzlich aber müssen Sitzungen von Kreistagen, Gemeinde- und Stadträten und von deren Ausschüssen öffentlich stattfinden, wenn nicht das Wohl der Allgemeinheit entgegensteht. Dieses Wohl kann aber nicht beliebig definiert werden.
Das Presserecht wiegt schwer
Über richtiges Verständnis für die Notwendigkeit sachgerechter, vollständiger und wahrer Behörden-Auskünfte an Journalisten auf deren Anfragen urteilten bislang Verwaltungsgerichte. Stets wurden sie von Medien zur Hilfe gerufen. Das Presserecht auf Auskunft wogen die Richter meist schwerer als Vorschriften zur Nichtöffentlichkeit aus der Gemeindeordnung, die nur ein Verfahren ordnet. Deutlich machten das 2004 der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, als unsere Redaktion von der Gemeinde Zell bei Würzburg Auskünfte einklagte und 2011 das Verwaltungsgericht Würzburg, als es um verweigerte Presse-Auskünfte der Stadt Gemünden ging.
Die Presse soll durch die Auskunftsverpflichtung der Behörden (Artikel 4, Bayerisches Pressegesetz) in die Lage versetzt werden, bei der Erfüllung ihrer Informationsaufgabe über möglichst viele Kenntnisse verfügen zu können. Welche davon zur Verbreitung geeignet sind, entscheiden und verantworten Redaktionen. Das heißt, dass nicht schon Behörden auswählen dürfen, was veröffentlicht werden kann. Das verlangt große Verantwortung von Journalisten, weil nicht alles in Medien verbreitet werden darf, was sie erfahren. Vor allem Persönlichkeitsrechte können dem entgegenstehen. Manches ist aber auch unbedeutend, so dass es keine Veröffentlichung nötig macht.
In Gesprächen mit der Regierung und Vertretern kommunaler Spitzenverbände erzielten die Main-Post-Chefredaktion und der Berliner Medienrechtler Professor Johannes Weberling weitgehend Übereinstimmung. Danach entstand die Aufklärungsschrift der Regierung an Landratsämter und Kommunen. Diese findet landesweit Interesse, das zeigen Anfragen an unsere Redaktion.
Redakteure wiesen auch den Sulzthaler Bürgermeister auf die amtliche Erklärung zur demokratischen Bedeutung von Öffentlichkeit hin. Der ließ sie wissen, dass er stets vorgehabt habe, über die Wassergebühren auch öffentlich zu beraten. So geschah es. Noch in dieser öffentlichen Sitzung wurden die Gebühren beschlossen.
Die Rechtsgrundlagen
Bay. Pressegesetz, aus Artikel 4:
(1) 1 Die Presse hat gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft. 2 Sie kann es nur durch Redakteure oder andere von ihnen genügend ausgewiesene Mitarbeiter von Zeitungen oder Zeitschriften ausüben.
(2) .... 2 Die Auskunft darf nur verweigert werden, soweit aufgrund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht.
Gemeindeordnung, aus Artikel 52:
(2) Die Sitzungen sind öffentlich, soweit nicht Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche einzelner entgegenstehen. Über den Ausschluss der Öffentlichkeit wird in nicht öffentlicher Sitzung beraten und entschieden.
(3) Die in nicht öffentlicher Sitzung gefassten Beschlüsse sind der Öffentlichkeit bekannt zu geben, sobald die Gründe für die Geheimhaltung weggefallen sind.