Ein Satz, wie man ihn eher nicht von einem Museumsdirektor erwartet: "Bloß keine Kunst auf dem Vorplatz! Kunst macht die Räume tot." Marcus Andrew Hurttig, seit März Chef im Würzburger Museum im Kulturspeicher, sagt ihn nebenbei, aber mit großer Überzeugung. Gemeint ist der Vorplatz vor dem Museum. Hurttig will im Falle einer Neugestaltung keine Erweiterung des Museums ins Freie, sondern das Gegenteil: einen attraktiven, vielfach nutzbaren, nicht von Skulpturen belegten Raum, aus dem heraus sich Menschen fürs Museum interessieren.
Hurttig hat sich in den letzten Monaten mit der städtischen Sammlung vertraut gemacht. Das Resultat ist eine erste Probe seiner Handschrift: Zwei Räume im zweiten Obergeschoss hat er neu gestaltet - einen mit Klassischer Moderne, einen mit Kunst der Gegenwart. Wobei es dem Museumsdirektor nicht "um die alte Geschichte der Stilabwicklung" geht. Also eine didaktische Hängung, die zeigt, wie sich die Kunststile entwickelt haben.

"Das ist ein Evergreen, den man heute eigentlich nicht mehr hören will", sagt Hurttig. Außerdem habe die Sammlung dafür zu viele Lücken. Das liege auch daran, dass der
(1893-1966), auch nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem gefällige, gegenständliche Kunst angekauft habe. "Bedeutende Positionen der Nachkriegsmoderne und zeitgenössische Kunst fehlen weitgehend."Einmal mehr wird deutlich, wie verheerend die NS-Zeit gewirkt hat
Also gehe es darum, Geschichten zu erzählen. Während der zweite Raum mit starkem Würzburg-Bezug und Arbeiten von Curd Lessig, Elvira Lantenhammer, Wolfgang Lenz, Angelika Summa aber auch Stefan Balkenhol eher dazu einlädt, eigene Geschichten zu (er-)finden, wird im Raum der Klassischen Moderne einmal mehr deutlich, wie verheerend die NS-Zeit gewirkt hat - auf die Schicksale von Menschen wie auf die Kunst selbst.

Hurttig bietet kleine Zusammenstellungen an, die je eine dieser Geschichten erzählen. So konfrontiert er Erich Heckels "Marienveste bei Würzburg" aus dem Jahr 1927, Dauerleihgabe aus Berlin und eines der Starstücke, mit Dikreiters "Würzburg am Nadelwehr" von 1936. Hier das neu gesehene Postkartenmotiv mit schwindelerregend dynamischem Blick auf die Stadt, dort die beschauliche Ansicht der Alten Mainbrücke, die selbst kleinlichsten NS-Stilwächtern kein Dorn im Auge gewesen sein dürfte.

Die Präsentation stellt sich offensiv, aber nicht wertend der problematischen Geschichte der Sammlung. So hatten die Nazis zwar auch die Neue Sachlichkeit der "Entarteten Kunst" zugeordnet, weil deren ungefilterte Darstellung der Industrieproduktion nicht ins Heile-Heimat-Bild passte. "Aber was wir hier haben, tut nicht weh", sagt Hurttig. Die Arbeiten von Carl Grossberg oder Friedrich von Rieger sind dennoch von hoher Qualität.
Wer sich anpasste, durfte malen, ausstellen und verkaufen
Während als "entartet" diffamierte Künstler wie Willi Baumeister oder Josef Scharl sich zurückzogen oder ins Exil gingen, weil sie ihrer Kunst treu blieben, durfte, wer sich anpasste, malen, ausstellen und verkaufen. Maler wie Wilhelm Kolhoff, Alfons Klühspies oder Hans Haffenrichter, die vor 1933 ganz und gar nicht idyllisch gearbeitet hatten, schafften es so ganz gut durch die NS-Zeit.

Keine Chance allerdings hatten jüdische Künstlerinnen und Künstler. "Die konnten noch so deutsch malen", sagt Marcus Andrew Hurttig. Stellvertretend für die Vertriebenen, Verfolgten, Ermordeten stehen Arbeiten von Joseph Oppenheimer, Rudolf Levy und Milly Marbe-Fries. Oppenheimer gelang die Emigration nach Kanada, Rudolf Levy aber ging kurz vor Kriegsende noch SS-Schergen in Italien in die Falle und wurde in Auschwitz ermordet.
Die Wahl-Würzburgerin Milly Marbe-Fries galt den Nazis als "Halbjüdin" und überlebte die NS-Zeit in völliger Zurückgezogenheit. Die Stadt Würzburg würdigte sie 2022 mit der Umbenennung des ehemaligen Heiner-Dikreiter-Wegs nach ihr. In Hurttigs Neuhängung sind nun zwei ihrer reizvollen Arbeiten zu sehen.
Öffnungszeiten: Di. 13-18 Uhr, Do. 11-19 Uhr, Mi., Fr., Sa., So. 11-18 Uhr