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Würzburg: Warum der Schafkopf-Professor extra zu spät kommt

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Warum der Schafkopf-Professor extra zu spät kommt

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    Rudolf Rahner bekam ein perfektes Solo-Blatt auf die Hand.
    Rudolf Rahner bekam ein perfektes Solo-Blatt auf die Hand. Foto: Pat Christ

    Die einen spielen im Verein. Die anderen zu Hause mit guten Freunden, in der Stammkneipe oder im Freizeittreff. Manche suchen sich im Internet Kontrahenten. In Langenprozelten im Kreis Main-Spessart steht "Karteln" seit einem Jahr sogar auf dem Stundenplan der Grundschule. Insgesamt soll die Zahl der Schafkopf-, 66-, Wattn-, Mau Mau- und Skatspieler in den vergangenen Jahren zwar gesunken sein. Doch totzukriegen ist das Kartenspielen auch im Zeitalter der virtuellen Freizeitvergnügungen nicht.

    Kartenspiele haben eine lange Tradition. Bereits im 15. Jahrhundert kamen in Europa die Spiele "Landsknecht" und "Karnöffel" auf. Sie gelten als Vorläufer von Schafkopf und Skat. In jenen grauen Vorzeiten hatte das Kartenspielen noch einen mehr als negativen Touch. Spieler waren als verrucht und habgierig verschrien, Pfarrer sprachen vom Kartenspiel als "Gebetbuch des Teufels". Heute ist es absolut salonfähig, die Karten zu zücken. Nur in Gaststätten sind Spieler manchmal nicht gern gesehen. Was allerdings nicht an ihrem "verruchten" Charakter liegt. Sondern daran, dass manche Kartenrunden aus Sicht der anderen Gäste störend laut sind.

    Schafkopf zu spielen, findet Manfred Vollrath, ist eine spannende Sache. "Schafkopf ist kein Glücksspiel, und genau das macht den Reiz aus", sagt der Bedienstete der Uni Würzburg, der schon mehrere Schafkopf-Turniere für seine Kollegen aus der Hochschule organisiert hat. Selbst mit einem vermeintlich schlechteren Blatt kann man das Spiel noch gewinnen. Und zwar dann, wenn man genau weiß, welche der 32 Karten schon gefallen und welche noch im Spiel sind.

    Früher war es in vielen Familien üblich gewesen, am Abend das Kartenspiel auszupacken. Die Spielleidenschaft färbte von den Großen auf die Kleinen ab: Kids lernten von ihren Eltern oder Großeltern, wie Mau Mau, Schafkopf, 66, Rommé oder Skat geht. Auch Manfred Vollrath hat das noch so erlebt: "Mein Großvater brachte uns Enkeln das Kartenspielen bei." Er selbst war bei seinen ersten Gehversuchen etwa sechs Jahre alt. Leider, bedauert Vollrath, wohnen die Generation heute nicht mehr unter einem Dach. Weshalb es viel seltener vorkommt, dass Enkelkinder von Opa oder Oma erfahren, nach welchen Regeln Kartenspiele funktionieren.

    So was Ähnliches wie Skat

    Carsten Tully vom 1979 gegründeten Skatclub in Lohr kam ebenfalls über die Familie zum Kartenspielen: Vater und Onkel brachten ihm die Grundregeln bei. Heute weiß Tully, dass sein frühes Skatspiel in Wahrheit nur ein "skatähnliches Spiel" war: "Denn etliche Regeln waren uns nicht bekannt." Vielleicht war das auch gut so für den Einstieg. Denn Unbedarfte, die einen ersten Blick in die Skatregeln wagen, erschrecken leicht. Man hat zwar schnell Rituale wie das Ausgeben intus: Erst werden drei, dann vier, dann wieder drei Karten ausgeteilt. Die übrigen beiden Karten wandern in den "Skat". Was bedeutet, dass sie verdeckt in der Mitte des Tischs liegenbleiben.

    Weit schwieriger ist es, zu verstehen, was "reizen" bedeutet. Dieses Reizen entscheidet nach dem Geben darüber, wer alleine und wer mit einem Partner spielt. Reizen hat den Charakter einer Versteigerung: Wer am meisten bietet, gewinnt - und zwar die zwei in den Skat gelegten Karten. In der Skatrunde klingt das dann so: "18." - "Ja!" - "20". - "Hab ich!" - "Zwei." - "Passe." Welchen "Reizfaktor" eine Karte hat, müssen Anfänger mühsam lernen.

    Für Tully ist die Bereitschaft, zu lernen, ohnehin unabdingbar für jeden Skatspieler. Die Grundregeln, sagt er, hat man sich relativ schnell draufgeschafft: "Man kann Skat durch Zuschauen und Fragen bald selbstständig spielen." Doch ausgelernt hat man nie: "Selbst Weltmeister werden regelmäßig mit neuen Situationen konfrontiert." Kluge Menschen haben ausgerechnet, dass es beim Skat um die 2,8 Billionen Möglichkeiten gibt, die Karten zu verteilen.

    Elf Punkte für ein Ass

    Beim Schafkopf sitzen, anders als beim Skat, vier statt drei Spieler um den Tisch. Jeder erhält acht Karten. Auch hier muss man lernen, welche Spielkarte welchen Rang besitzt und wie viele Punkte sie zählt. Das Ass beispielsweise zählt elf, ein König vier und der Unter zwei Punkte. "Das ist einer der Unterschiede zwischen Schafkopf und Skat", erklärt Werner Kendzia, 86 Jahre alt, der in Schlesien, wo er herstammt, mit Skat großwurde: "Beim Skat ist der Unter die höchste Karte, beim Schafkopf ist es der Ober."

    Robert Heiligenthal aus Veitshöchheim begann vor einem Jahr, sich Schafkopf über ein Online-Portal anzueignen. Dass es so viele Varianten gibt, macht das Lernen ein bisschen schwierig, sagt er. So wird zwar meist mit acht Karten, manchmal jedoch auch nur mit sechs Karten gespielt. Es gibt, um nur einige Varianten zu nennen, das "Ruf" oder "Sauspiel", den "Farbsolo, den "Geier", den "Wenz" und den "Ramsch".

    Heiligenthals Frau Moni Bundschuh spielt bereits seit 40 Jahren Schafkopf. Jedes Jahr nimmt sie an drei bis vier Turnieren teil. Oft erfolgreich. Schafkopf, bestätigt sie, ist tatsächlich keineswegs gleich Schafkopf. Letztlich spielt jedes Dorf ein wenig nach eigenen Regeln, so die 49-Jährige, die vorhat, zu ihrem 50. Geburtstag ein kleines, privates Schafkopfturnier zu organisieren. Dass ihr Mann begonnen hat, in die Geheimnisse des Kartenspiels einzutauchen, findet sie klasse. Die beiden wollen im Rentenalter ein spannendes, gemeinsames Hobby haben.

    Spielrunden im Internet

    Bis Robert Heiligenthal auch nur halbwegs auf dem Niveau seiner Frau sein wird, das wird dauern. Doch er übt fleißig, Das tut er in erster Linie mit virtuellen Mitspielern: "Im Internet findet man immer jemanden, der gerade Zeit zum Spielen hat." Das analoge Spiel, wendet seine Frau ein, hat natürlich noch mal eine ganz andere Qualität. Man lernt Menschen dadurch auf eine sehr spezielle Weise kennen - eben als spielende Wesen. Was angenehm, manchmal aber durchaus auch unangenehm sein kann. Wenn da zum Beispiel einer in der Runde ist, der, unterlaufen seinem Spielpartner Fehler, zu cholerischen Anfällen neigt.

    Robert Heiligenthal lernt seit einem Jahr Schafkopf, seine Frau Moni Bundschuh hat bereits mehrere Preise abgesahnt.
    Robert Heiligenthal lernt seit einem Jahr Schafkopf, seine Frau Moni Bundschuh hat bereits mehrere Preise abgesahnt. Foto: Pat Christ

    Völlig manierlich geht es im Würzburger Matthias-Ehrenfried-Haus zu. Hier treffen sich an jedem Mittwoch ab 13 Uhr Kartler. An vier Tischen wird Schafkopf, an einem Rommé gespielt. Der Altersdurchschnitt liegt bei 70. Die meisten Spieler haben langjährige Kartenerfahrung. Rudolf Rahner zum Beispiel, 80 Jahre alt, tauchte vor mehr als 60 Jahren in die Schafkopfwelt ein.

    Damals, so der pensionierte Beamte, der aus Ochsenfurt stammt, gehörte das Kartenspiel genauso zum Sonntag wie der Kirchgang. "Um neun ging's in die Messe, um zehn waren wir in der Wirtschaft", erzählt der Senior aus seiner Jugend. Unvergessen bleibt eine Silvesternacht: "Wir spielten durch bis 6 Uhr früh."

    Wer gewinnt, wer verliert? Beim offener Treff völlig egal.

    Drei, vier Jahre existierte die Ochsenfurter Schafkopf-Clique. Dann waren die Jungs um die 20, der Ernst des Lebens begann, jeder ging woanders einem Job nach. Auch Rudolf Rahner legte die Karten erst mal weg. Im Ruhestand entdeckte er sein Hobby neu. Seit über zehn Jahren nimmt er an der Kartenrunde im ME-Haus teil.

    Im Würzburger Matthias-Ehrenfried-Haus wird jeden Mittwoch ab 13 Uhr gezockt.
    Im Würzburger Matthias-Ehrenfried-Haus wird jeden Mittwoch ab 13 Uhr gezockt. Foto: Pat Christ

    Mit Werner Kendzias, 86, Erwin Krückel, 79, und seinem Altersgenossen Meinrad Gerber hat er treue Kartenkumpane gefunden. Die vier bekommen das Spielen nicht satt. Wer gewinnt und wer verliert - völlig egal. Es geht ja um nichts. Jedenfalls nicht um viel. Die vier spielen um Centbeträge. Die roten Münzen klimpern in grünen Aschenbecher. Bei Rudolf Rahner häufen sie sich gerade.

    Gegen halb zwei stößt ein Neuer zum Tisch, der lebhaft begrüßt wird: "Na, da ist er ja!" Herein spazierte "Schafkopf-Professor" Raimund Erbacher. "Ich komm immer extra zu spät", sagt der 81-Jährige. Er will nicht fest an einem Tisch sein. Dazu ist er zu gut. Wäre ja blöd für die anderen, wenn er dauernd gewinnen würde. Erbacher springt ein, wenn mal jemand kurz ums Eck muss. Gerade steht Rudolf Rahner auf. Erbacher setzt sich auf dessen Platz, nimmt die Karten in die Hand - und spielt gleich einen Solo.

    Mitzumischen macht ihm Spaß. Auch wenn das, was im ME-Haus stattfindet, für Erbacher "Seniorenkram" ist. Der gelernte Müller ist anderes gewohnt. In den 70er Jahren gehörte er der Zockerrunde in der Würzburger "Meeseburg" an. Vor allem Viehhändler trafen sich da: "Es wurde teuer gekartet." Mit Cents hätte sich niemand abgegeben. Ein Spiel konnte schon mal hundert Mark kosten. "Einer war dabei", erinnert sich Erbacher, "der hat im Laufe der Zeit so viel gewonnen, der konnte sich allein damit einen BMW leisten".

    Wie ist das Blatt? Runde im Matthias-Ehrenfried-Haus.
    Wie ist das Blatt? Runde im Matthias-Ehrenfried-Haus. Foto: Pat Christ
    Raimund Erbacher (links) gilt in der ME-Kartenrunde als "Schafkopf-Professor".
    Raimund Erbacher (links) gilt in der ME-Kartenrunde als "Schafkopf-Professor". Foto: Pat Christ
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