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Warum die Würzburger ihren Marktplatz lieben

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Warum die Würzburger ihren Marktplatz lieben

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    Hätte den Stadtkern gern historischer: Gästeführer und Kunsthistoriker Rudi Held am oberen Markt.
    Hätte den Stadtkern gern historischer: Gästeführer und Kunsthistoriker Rudi Held am oberen Markt. Foto: Foto: THOMAS OBERMEIER

    Stadtbildverschandelung“, „Monsterbau“, „Raubbau am historischen Erbe“. Die Würzburger sind nicht immer zimperlich, wenn sie über Neubauten auf und rund um den Marktplatz urteilen. So erregen auch das geplante Aufzugshäuschen am oberen Markt und vielleicht bald die Neugestaltung des Platzes die Gemüter. Rudi Held wundert das nicht. Der Würzburger Architekturhistoriker und Gästeführer moniert: „Die Bürger fühlen sich bei der Gestaltung übergangen, das muss demokratischer werden!“

    Ein guter Ansatz sei ein Bürgerentscheid wie zum Platz'schen Garten, sagt Held. „Es geht aber nicht darum, über jedes Einfamilienhaus am Heuchelhof abzustimmen, sondern über zentrale Orte der Innenstadt, an denen das öffentliche Interesse so überragend ist, dass es einen Eingriff in die Rechte des Bauherrn erlaubt.“ Dazu gehörten in jedem Fall Kürschnerhof, Schönborn- und Domstraße – und natürlich der Marktplatz.

    „Das ist die gute Stube einer Stadt, ein Treffpunkt für Gespräche und damit Ursprung bürgerlicher Gemeinschaft. In der Architektur eines Marktplatzes finden Eigenart und Geschichte einer Bürgerschaft ihre feste Form.“ Daraus erkläre sich die emotionale Verbundenheit der Würzburger mit ihrem Marktplatz, sagt der 51-Jährige. Architekten, Stadträten und Verwaltungsleuten fehle bisweilen das Bewusstsein, dass Bauen an einem solchen Ort in hohem Maße eine öffentliche Angelegenheit sei, so dass die Würzburger „mit Recht giftig werden“, wenn Entscheidungen in Jurys, Verwaltungsbüros oder Ratsausschüssen ohne Bürgerbefragung der Bürger fielen.

    Dem Einwand, dass die Genehmigung von öffentlichen Bauten nicht undemokratisch sei, schließlich bestehen Stadtrat und Bauausschuss aus gewählten Volksvertretern, entgegnet Held: „Wer einen bestimmten Stadtrat oder eine Partei wählt, kann nicht abschätzen, wie diese in Architekturfragen entscheiden.“

    Dass bei basisdemokratischen Abstimmungen Fachaspekte zu kurz kämen, ließe sich für Held durch Information und Diskussion vermeiden. Es sei zudem nicht daran gedacht, Architektur „demokratisch hervorzubringen“. Wie bisher bei Architektenwettbewerben sollten die Architekten ihre Entwürfe einer Jury vorstellen. Nur wäre die „nicht mehr mit mehr oder weniger freundlich gesinnten Kollegen, ehrgeizigen Bauherrn und dynamischen Stadtbauräten besetzt, sondern mit allen Bürgern, die sich dieses politischen Themas annehmen wollen“, so Helds Vorstellung.

    „Das muss demokratischer werden!“

    Gästeführer Rudi Held zum Bauen rund um den Marktplatz

    Vereinzelt käme dabei möglicherweise auch ein anspruchsloser Entwurf zum Zug. „Dann muss man eben statt einer technokratischen Bausünde auch mal eine demokratische in Kauf nehmen. Aber dafür hätten wir dann gesellschaftlichen Frieden“, behauptet der Kunsthistoriker mit Schwerpunkt Architektur und Städtebau des 20. Jahrhunderts. Er ist überzeugt, dass sich auch „ein guter moderner Entwurf gegen einen schlechten mit historischem Ansatz“ durchsetzen würde.

    Dabei ist Held nicht gerade ein Freund jener Bauten, die zuletzt am Marktplatz entstanden sind oder gegenwärtig entstehen. Es sind ihm in der Innenstadt zu viele geworden. „Die Balance zwischen Tradition und Moderne stimmt nicht mehr“, erinnert er an die Geschäftshäuser wie Forum-Bau oder s.Oliver-Haus. „Dem Marktplatz täten ein paar Rekonstruktionsbauten nach historischem Vorbild gut, wie beispielsweise das Dietricher Spital anstelle des Völk-Hauses an der Ostseite.“

    Held ist sich dessen bewusst, dass Historisierendes bei Architekten und auch vielen Denkmalpflegern verpönt ist, auch als reaktionär gilt. Moderne Architektur überzeuge, so Held, im gelungenen Fall durch Reinheit und Klarheit der Formen, durch Proportionen und ihre Materialien. „Doch sie versteht sich als autonom und kann daher die Geschichte und Eigenart eines Ortes nicht zum Ausdruck bringen. Sobald sie überwiegt, fehlt einem Marktplatz Emotion, Stimmung und Erinnerung.“

    Umkränzt von Häusern unterschiedlichster Baustile und Höhen habe der untere Markt seine historische Substanz größtenteils eingebüßt, bilanziert der Gästeführer. „Die Atmosphäre ist steril, die Sitzplätze sind Nebensache und haben keinen Zusammenhang.“ Diesen Eindruck verstärke das umstrittene Forum-Haus. Viele Gäste fragten, wer das Teil genehmigt habe. Held nennt den Bau „provinziell“. Es wundert ihn, dass der Muschelkalk an Neubaufassaden oft als ortstypisch herausgestellt wird. „Aus Muschelkalk waren früher nur die Sockel, die Fassaden aber aus Sandstein. Das hatte technisch und farblich seinen Sinn.“

    Wie viele Bürger verfolgt Held mit Skepsis die geplante Umgestaltung am oberen Markt. Die Vorentwürfe mit Baumtrögen und Sitzbänken – wegen Veranstaltungen sollen sie mobil sein – gefallen ihm nicht. „Wenn die Nutzung mit Weindorf oder Messen zu viel Bedeutung bekommt, schadet das der Platzatmosphäre.“ Und wie soll der obere Markt aussehen? „Besser als mit den Sitzrondellen und Schatten spendenden Bäumen in deren Mitte kann man es nicht machen.“ Noch lieber wär's Held, die Würzburger könnten das per Bürgerentscheid bestätigen.

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