In ganz Deutschland sterben Bäume an den Folgen des Klimawandels. Sie vertrocknen, verbrennen oder werden von Schädlingen, Pilzen oder Stürmen dahingerafft. Unterfranken ist ein Hotspot des Waldsterbens. Kann und sollte mit Holz überhaupt noch Geld verdient werden und wenn ja, wie geht das? Darüber sprachen wir anlässlich der PEFC-Tagung, auf der Waldexpeten aus 51 Nationen in Würzburg über nachhaltige Forst- und Holzwirtschaft diskutierten, mit Karl-Georg Schönmüller, dem Leiter des Forstbetriebs der Stadt Würzburg.
Frage: Kann man mit Holz überhaupt noch Geld verdienen?
Karl-Georg Schönmüller: Im Würzburger Stadtwald stehen seit über zehn Jahren Erholung, Klima-, Trinkwasser- und Naturschutz an gleicher Stelle wie die Holznutzung. Wir haben nur noch drei Prozent Fichten, mit denen deutschlandweit bis vor kurzem am meisten Geld verdient wurde. Ökonomisch gesehen profitieren wir von Eichen, Buchen und Lärchenholz, aus dem Holzhäuser im Allgäu gebaut werden.
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5000 Bäume sind 2019 allein im Stadtwald vertrocknet. Ist das kein Grund zur Besorgnis?
Schönmüller: Zur Besorgnis ja, zum Pessimismus nein. Das Waldbild verändert sich. Bisher dominierte die Buche den fränkischen Laubwald mit 80 bis 90 Prozent. Künftig kommen auf den trockenen Flächen mehr Eichen sowie Feldahorn, Mehl- und Elsbeere hinzu. Der Anteil der Buche wird kleiner. Arten, die früher Nischen besetzten, wie Hainbuche und Speierling, breiten sich aus.
Kann man mit diesen anderen Arten Geld verdienen?
Schönmüller: Mit Qualitätsholz auf jeden Fall, etwa in der Möbelindustrie. Und es hat den Vorteil: Eine Massenbaumart wie die Fichte unterliegt immer einem Auf und Ab. Im Krisenjahr 2019 ist der Preis der Fichte um über die Hälfte gefallen.
Laubholz wächst langsamer als Fichtennadelholz. Heißt das, die Erntezyklen werden länger?
Schönmüller: Auf jeden Fall. Eine Eiche braucht fast 200 Jahre, bis sie erntereif ist. Eine Fichte schafft es in 80 bis 100 Jahren. Doch was nützt das, wenn diese Fichte vorher durch Borkenkäfer, Trockenheit oder Windwurf verloren geht? Wir setzen auf Laubwald – mit ein paar Nadelbaumarten wie die Tanne, die sich im Stadtwald Würzburg natürlich verjüngt.
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Klimaforscher sagen, Nadelholz habe in Unterfranken keine Zukunft mehr. Sehen Sie das anders?
Schönmüller: Fichten und Kiefern sind problematisch. Doch die Tanne ist eine besondere Baumart aufgrund ihrer Wurzelenergie, mit der sie in tiefe Bodenschichten vordringt. Tannen und Eiben sind Nischenplayer. Wir müssen es versuchen. Sonst können wir gleich aufgeben.
Pflanzen Sie auch neue Baumarten?
Schönmüller: In kleinen Mengen pflanzen wir neue Baumarten, vor allem Arten aus dem mediterranen Raum oder Südosteuropa, etwa Baumhasel, Hopfenbuche und Frühlingsahorn.
Doch die mediterranen Baumarten kommen mit dem Frost in Unterfranken nicht zurecht.
Schönmüller: Man kann nicht jede Baumart pflanzen. Olivenbäume hätten ein Problem. Selbst manche Eichen tolerieren Spätfröste nicht besonders gut. Einige Arten sind resistenter. Baumhasel, Flaum- und Zerreiche haben sich bewährt. Sie wachsen seit über hundert Jahren bei uns.
Neue Baumarten verändern die hiesige Tier- und Pflanzenwelt.
Schönmüller: Das kann ein Problem werden. Deshalb pflanzen wir neue Arten nur in homöopathischen Mengen. Im fränkischen Laubwald gibt es von Natur her viele Arten, die für die Zukunft geeignet sind.
Eichenprozessionsspinner, Ahornrußrindenkrankheit und so weiter: In Zeiten des Klimawandels hat jede Baumart ihren eigenen Gegenspieler.
Schönmüller: Da hilft nur ein reich gemischter Wald. Wenn eine Baumart ausfällt, springt eine andere ein. Außerdem können sich dann Schädlinge nicht so massenhaft vermehren. Der Schwammspinner, der Eichen, Hainbuchen oder Obstbäume entlaubt, ist ein Riesenproblem im Landkreis Würzburg, doch im Stadtwald glücklicherweise nicht, weil der Wald kühler ist und weil er sehr gemischt ist.
Das Zauberwort heißt Risikostreuung?
Schönmüller: Absolut. Um überhaupt noch Geld zu verdienen, muss ein Waldbesitzer auf ein breites Spektrum an Baumarten setzen. Unter sechs bis acht verschiedenen Arten würde ich gar nicht erst anfangen, damit der Wald im Klimawandel überleben kann.
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Viele sagen, man solle die Natur sich selbst überlassen. Ist das die Lösung?
Schönmüller: Einige Flächen sollte man unberührt lassen, schon aus Biodiversitätsgründen. In der Vergangenheit habe ich meine Waldbestände nie komplett durchforstet. Um Vergleiche zu ziehen, Referenzflächen zu haben und zu sehen: Wie entwickelt sich der Wald auch ohne menschliches Tun? Hier im Stadtwald mit seinen insgesamt 1100 Hektar haben wir fast zehn Prozent nutzungsfreie Waldgebiete, unter anderem ein Naturwaldreservat von 25 Hektar.
Wie wird sich Forst- und Holzwirtschaft verändern, anders gefragt: Brauchen wir sie noch?
Schönmüller: Ich bin überzeugt, dass nachhaltige Forstwirtschaft ein Teil der Lösung für unsere Umweltproblematik ist. Die Gewinnmargen werden geringer und die Erntezyklen länger. Allerdings ist Holz der einzig nachhaltig wachsende Rohstoff unserer Region, der auch noch CO2 bindet. Gerade zukünftig wird der Trend zum Holz gehen. Deswegen müssen wir es in der ganzen Baumartenpalette anbieten.
Was wäre die Alternative zu heimischem Holz?
Schönmüller: Das Holz würde woanders hergeholt. Weltweit ist noch eine ganze Menge Holz im Umlauf, das aus illegalem Raubbau stammt.
Unterfranken: Ein Hotspot des Waldsterbens in Deutschland? Der Wald ist Hoffnungsträger und Leidtragender im Klimawandel. Für ihre Photosynthese entziehen die Bäume der Atmosphäre Kohlendioxid und binden es über Jahrzehnte als Kohlenstoff im Holz und Waldboden. Der Wald in Deutschland entlastet die Atmosphäre jährlich um rund 62 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Damit kompensiert er etwa sieben Prozent der Emissionen in Deutschland. In Bayern stehen rund fünf Milliarden Bäume. Rechnerisch entfallen auf jeden Einwohner rund 2000 Quadratmeter Wald. Derzeit gibt es keine Baumart ohne Probleme. Am anfälligsten ist die Fichte, die bei Trockenstress vom Borkenkäfer befallen wird. Andere Arten leiden an Pilzen, Bakterien, Trockenstress oder mangelnder Hitzeresistenz. Der Anteil der Fichten im Landkreis Würzburg liegt bei einem Prozent. In ganz Unterfranken sind es 20, in ganz Bayern 48 Prozent. Unterfranken gilt als Hotspot des Waldsterbens: An der Würzburger Waldklimastation, dem wärmsten und trockensten Standort aller 19 bayerischen Messstellen, hat sich die Durchschnittstemperatur von Mai bis September innerhalb von 80 Jahren um 1,5 Grad erhöht. Gleichzeitig ist die Niederschlagsmenge um zehn Prozent gesunken. Trockenjahre wie 2003, 2008, 2015, 2018 und 2019 führen dazu, dass der Boden nicht genügend Wasser bekommt, die Bäume kaum Reservestoffe bilden und im Frühjahr nicht mehr austreiben. Allein in Unterfranken fielen im ersten Halbjahr 2019 mehr als 540 000 Festmeter Schadholz an, das sind 14 Prozent der gesamten bayerischen Schäden.