48 Jahre lang stand Karl Ludwig als Vorsitzender an der Spitze der Volkshochschule Ochsenfurt. Nun hat Burkhard Bähr, zehn Jahre lang Ludwigs Stellvertreter, das Amt übernommen. Eine harte Zäsur in der Geschichte der VHS und doch nur Teil eines beständigen Wandels, mit dem sich die Einrichtung immer wieder an die Erfordernisse der Zeit angepasst hat. Aber welchen Stellenwert hat die Erwachsenenbildung überhaupt noch, und braucht es dazu eine eigenständige Volkshochschule in Ochsenfurt? Dass es sie noch gibt, ist jedenfalls vor allem Ludwigs Verdienst.
Die Existenzfrage hat den pensionierten Berufsschullehrer vor allem in der Zeit vor 2009 umgetrieben. Obwohl das Volksbildungswerk, wie die VHS damals noch hieß, als eigenständiger Verein agiert, war er wirtschaftlich abhängig von den jährlichen Zuschüssen der Stadt Ochsenfurt. Im Stadtrat schien die Fusion mit der weitaus größeren VHS in Würzburg damals bereits beschlossene Sache. Faktisch wäre dies der Auflösung der VHS Ochsenfurt gleichgekommen.
Lautstarke Diskussionen im Rathaus
Karl Ludwig erinnert sich noch gut an mitunter lautstarke Diskussionen, die damals im Rathaus geführt wurden, und an die Vorurteile, die ihm dabei entgegenschlugen. Als "Hausfrauen-Beschäftigung" sei die Arbeit der VHS damals diffamiert worden, erzählt er, verbunden mit der Frage, ob Bauchtanz-Kurse Teil der Erwachsenenbildung sein können. "Was die Kritiker damals nicht verstehen konnten, war, dass uns diese Kurse das Geld gebracht haben, mit dem wir andere wichtige Angebote finanzieren konnten", so Ludwig.
"Als ich angefangen habe, gab es im Programm vor allem kunstgeschichtliche Vorträge und Theaterbesuche", erinnert sich Ludwig, "später waren Sprachkurse der Kern, das hat sich total geändert." Ein Kursangebot auf der Höhe der Zeit sei ihm von Beginn seiner Amtszeit an wichtig gewesen, betont Karl Ludwig. Damals führte er zum Beispiel "Mengenlehre für Erwachsene" ein, um Eltern den für sie vollkommen neuen Lernstoff ihrer Kinder näher zu bringen.
Bildungsangebote für alle Lebensbereiche
Heute umfasst das Angebot VHS Ochsenfurt viele Bereiche des täglichen Lebens, von berufsbegleitenden Kursen über EDV, Musik, Politik, Kunst, Geschichte und Verbraucherschutz bis hin zur Medienkompetenz - ganz im Sinne des bayerischen Erwachsenenbildungsgesetzes, wie der neue VHS-Vorsitzende Burkhard Bähr betont. Insbesondere die interkulturelle Arbeit und der Abbau von Vorurteilen bezeichnet er heute als einen Schwerpunkt der Arbeit.
Dass es die VHS überhaupt noch gibt, ist der Hartnäckigkeit von Karl Ludwig zu verdanken, aber auch einem Sinneswandel der Politik. Weil auch die VHS Würzburg damals in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten drohte, stockte der Landkreis Würzburg seine Förderung der Volkshochschulen auf, von der nach Bevölkerungsproporz auch die VHS Ochsenfurt profitierte. Zugleich legt der Stadtrat Ochsenfurt eine jährliche Förderhöchstgrenze von damals 27.000 Euro fest.
"Wir haben diesen Betrag nie ganz abrufen müssen und konnten zeigen, dass wir wirtschaftlich arbeiten", sagt Karl Ludwig rückblickend. Aber auch innerhalb der VHS hat sich ein grundlegender Wandel vollzogen. Die Volkshochschule sah sich nicht länger nur als Kursanbieter, sondern auch als Mittler zwischen verschiedensten Kultur- und Bildungsträgern. Aus diesem neuen Selbstverständnis sind beispielsweise Kooperationen mit Firmen, mit der Universität Würzburg, der Main-Klinik und dem MainÄrztehaus oder dem Casablanca-Kino erwachsen.
Kooperation auf Augenhöhe statt Fusion
Statt der Fusion mit der VHS Würzburg strebte Karl Ludwig eine Kooperation mit der VHS Kitzingen an. In der Verwaltung, beim Internetauftritt, aber auch beim gemeinsamen Kursprogramm arbeitet Ochsenfurt inzwischen eng mit der ungefähr doppelt so großen VHS Kitzingen zusammen. Um die Eigenständigkeit ist dem scheidenden Vorsitzenden dabei nicht bange. "Wir tauschen uns aus, gewinnen dadurch Synergien, aber wir reden uns nicht rein, keiner versucht, den anderen zu dominierten", sagt Ludwig.
Diese Kooperation ist auch der Grund, warum Karl Ludwig so lange in seinem Amt als Vorsitzender ausgeharrt hat, nachdem Burkhard Bähr schon vor zehn Jahren zu seinem Stellvertreter gewählt worden war und seine Bereitschaft zu Nachfolge signalisiert hatte. "Ich wollte diese ganze Umstrukturierung zu Ende bringen und meinem Nachfolger keine halben Sachen hinterlassen", sagt der inzwischen 79-Jährige.
"Wir müssen weiterhin reformfreudig bleiben und bereit sein, auch auf kurzfristige Herausforderungen Antworten zu finden", beschreibt Burkard Bähr seine neue Aufgabe. Die Frage, ob Ochsenfurt auch in Zukunft eine VHS braucht, stellt sich für den Vorsitzenden nicht. "Die Erwachsenenbildung ist eine kommunale Pflichtaufgabe und sogar in der Verfassung verankert", sagt Bähr. Außerdem sei eine VHS ein wichtiger Standortfaktor. "Bei der Frage, was Ochsenfurt als Wohnort zu bieten hat, ist die VHS ein ganz wichtiger Punkt."