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Würzburg: Warum hamstern wir eigentlich?

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Warum hamstern wir eigentlich?

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    Ein Mann schiebt einen randvollen Einkaufswagen an einer Schlange von Menschen vorbei, die auf Einlass in einen Supermarkt warten. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie kaufen viele Menschen sehr viele Lebensmittel auf Vorrat. 
    Ein Mann schiebt einen randvollen Einkaufswagen an einer Schlange von Menschen vorbei, die auf Einlass in einen Supermarkt warten. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie kaufen viele Menschen sehr viele Lebensmittel auf Vorrat.  Foto: Patrick Hertzog, dpa

    Wer in diesen Tagen und Wochen seine Besorgungen im Supermarkt erledigt, steht immer wieder vor leeren Regalen: Konserven, Tiefkühlprodukte, Nudeln, Zucker, Mehl, Hefe – und auch Klopapier sind immer wieder vergriffen. Sogenannte Hamster- oder Raffkäufe sind daran schuld, dass uns ein Mangel suggeriert wird, der wirtschaftlich gar nicht gegeben ist. Doch warum hamstern Menschen eigentlich? Wo hat dieses Verhalten seinen Ursprung? Die Wirtschaftspsychologen Anja Achtziger und Ulrich Schübel erklären das Phänomen.  

    In (auch vermeintlichen) Notsituationen legen sich Menschen Vorräte an, was ja auch erst einmal kluges Handeln ist, sagt Ulrich Schübel. Er ist Diplom-Psychologe und Mitglied des Verbands der Sektion Wirtschaftspsychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. "Dazu kommt dann der grundlegende Aspekt, dass sich Menschen in ihrem Verhalten immer am Verhalten anderer orientieren, um zu entscheiden, was angemessenes Verhalten in einer Situation ist, die man nicht wirklich erfahrungsbasiert einschätzen kann", sagt Schübel, der in Würzburg Psychologie und Jura studiert hat. Dies gelte besonders für Situationen mit hoher Unsicherheit, wie wir sie Corona-bedingt gerade haben.

    Ulrich Schübel ist Diplom-Psychologe und Mitglied des Verbands der Sektion Wirtschaftspsychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen.
    Ulrich Schübel ist Diplom-Psychologe und Mitglied des Verbands der Sektion Wirtschaftspsychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Foto: Ulrich Schübel

    Noch dazu hat auch die Regierung den Bürgern zur Vorratshaltung geraten. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat zum Beispiel die Handreichung "Meine persönliche Checkliste" verfasst, in der genau aufgelistet ist, was man im Haus haben sollte, um für Krisen gewappnet zu sein. "Menschen haben das Bedürfnis, die Dinge unter Kontrolle zu haben“, sagt Schübel. Und sich Vorräte anzulegen, gebe jedem ein Stück weit Sicherheit in einer unsicheren Situation zurück. "Bis zu einem gewissen Punkt gilt hier: je mehr Vorräte, desto mehr Sicherheitsgefühl-Gewinn."

    Unsicherheit befördert die Vorratshaltung

    Die Corona-Krise macht vielen Menschen Angst. Niemand weiß, wie lange die Pandemie dauern wird, welche Einschränkungen noch auf uns zukommen werden und was diese vielleicht auch für die Produktion von Gütern bedeuten. "Was man mit Sicherheit sagen kann, ist, dass es sich bei Hamsterkäufen um Imitationsverhalten handelt", sagt Anja Achtziger, Professorin für Wirtschaftspsychologie an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen am Bodensee. "Man hört von Nachbarn, Freunden, Kollegen oder liest in der Presse, dass viel Toilettenpapier, Nudeln oder Konserven gekauft wurden", so Achtziger, die aus Lohr (Lkr. Main-Spessart) stammt. Einige werden dann nervös, weil sie glauben, da gibt es offensichtlich eine Notwendigkeit, die sie übersehen haben, und kaufen dann auch schleunigst dasselbe Produkt.

    Die Psychologin Anja Achtziger stammt aus Lohr am Main (Lkr. Main-Spessart). Sie ist Professorin für Wirtschaftspsychologie an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen am Bodensee.
    Die Psychologin Anja Achtziger stammt aus Lohr am Main (Lkr. Main-Spessart). Sie ist Professorin für Wirtschaftspsychologie an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen am Bodensee. Foto: Anja Achtziger

    Ist dann ein Produkt mal ausverkauft, suggeriert dies einen Zustand des Mangels, der in Wahrheit gar nicht besteht.  Auch beim Hygienepapier-Hersteller Fripa in Miltenberg, könne man sich nicht erklären, warum die Leute so wild auf Klopapier sind. "Vielleicht weil es gut zu lagern und nicht allzu teuer ist", vermutet Fripa-Verkaufsleiter Jürgen Fischar. Das Hamstern von Produkten sei ein Phänomen der Krise. "Die Versorgung der Bevölkerung mit Klopapier ist aber sichergestellt", betont Fischar. Es gebe keine Unterversorgung, "leider aber immer noch unverständlich hohe Zugriffszahlen der Verbraucher in den Märkten". Daher seien Raffkäufe unangebracht und hätten nichts mit der vorausschauenden Vorratshaltung der Hamster zu tun.

    Raffkäufe können echten Schaden anrichten

    Darüber hinaus können Raffkäufe echten Schaden anrichten: Wenn nur eine Person im Supermarkt das Regal mit dem Klopapier leerräumt, signalisiert das allen anderen: "Achtung! Klopapier wird knapp!" Dies wiederum erhöhe die Tendenz zu weiteren Raffkäufen, sobald das Toilettenpapier in den Regalen wieder aufgefüllt wird, beschreibt der Wirtschaftspsychologe Ulrich Schübel. Und es kommt ein weiterer Effekt hinzu: "Knappe Güter werden als besonders wertvoll angesehen und daher werden diese mit weniger Nachdenken gekauft und es wird davon sogar deutlich mehr gekauft." Schübel kennt diesen Effekt aus der Werbepsychologie, wenn zum Beispiel Produkte "nur in limitierter Auflage“ angeboten werden.

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    Dann gibt es noch das krankhafte Hamstern (auch Hoarding genannt). Davon spricht man dann, wenn jemand unabhängig davon, ob gerade eine Krisensituation vorliegt, Massen an Sachen einkauft und sie hortet. "Das sind dann extreme Fälle, die einer Behandlung bedürfen", sagt die Psychologin Anja Achtziger. Alle diejenigen, die das Verhalten bei sich jetzt erst in der aktuellen Situation beobachten, sollte das nicht weiter beunruhigen. "Wenn sich der Alltag wieder normalisiert hat, verschwinden diese Tendenzen auch ganz schnell wieder."

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