Sie haben das Lieben und Leben im Verborgenen, die Angst, wegen ihrer sexuellen Orientierung ausgegrenzt und diskriminiert zu werden, satt: An diesem Montag outen sich deutschlandweit über 100 Personen, die haupt- oder ehrenamtlich in der katholischen Kirche tätig sind, öffentlich als lesbisch, schwul, trans, inter, queer oder non-binär. Mit Diözesanjugendseelsorger Stephan Schwab und Hochschulpfarrer Burkhard Hose haben sich auch zwei Priester aus dem Bistum Würzburg der Initiative "#OutInChurch - für eine Kirche ohne Angst" angeschlossen. Das Outing dürfte für einen Paukenschlag in der Kirche sorgen.
Er wisse seit seiner Jugend, dass er schwul sei, sagt Hose. In der Kirche sei das offiziell nie ein Thema gewesen, viele hätten von seiner Orientierung zwar gewusst, aber offen darüber reden durfte er nicht, so der 54-Jährige, der aus Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen) stammt. Die Furcht stand im Raum, vom Priesteramt ausgeschlossen zu werden. Nach wie vor vertritt die Kirche nämlich die Meinung, jede sexuelle Orientierung abseits der Heterosexualität sei Sünde. Dies zu ändern, sei seine Motivation, sich jetzt in aller Öffentlichkeit zu erklären.
Priester Schwab: Kirche soll in die Wohnzimmer schauen, nicht in die Schlafzimmer
Ähnlich sieht es Stephan Schwab. Er möchte, dass die katholische Kirche ihre Lehre überdenkt und alle Menschen "gleichermaßen wertschätzt und achtet, egal wie sie sexuell orientiert sind", sagt der 50-Jährige, der aus Oberndorf (Lkr. Main-Spessart) stammt und vor der Tätigkeit als Jugendseelsorger unter anderem Priester in den Haßbergen und Krankenhauspfarrer war.

Die Verantwortlichen der Kirche sollten, so Schwab, mehr in den Wohnzimmern gucken, wie die Menschen ihren Alltag leben, für welche Werte und Ziele sie einstehen - "und nicht in den Schlafzimmern nachschauen, wer mit wem ins Bett geht". Das dürfe in der Seelsorge keine Rolle spielen, sagt Schwab. Mit seiner Teilnahme an der Aktion "#OutInChurch" wolle er jedenfalls dazu beitragen, Kirche "angst- und diskriminierungsfrei" zu gestalten.
Es sind aber bei Weitem nicht nur Priester, die mit der Haltung der Kirche zur Sexualität hadern. In der Fernsehdokumention "Wie Gott uns schuf", die die ARD an diesem Montag um 22.50 Uhr im Ersten (und in der Mediathek) zeigt, kommen unter anderem nicht-heterosexuelle Religionslehrerinnen und Religionslehrer, Pastoralreferentinnen und -referenten sowie Beschäftigte von katholischen Krankenhäusern, Kitas und anderen Einrichtungen zu Wort.

Sie berichten von einem teilweise jahrzehntelangem Versteckspiel gegenüber ihrem Arbeitgeber. Schließlich kann es laut dem kirchlichen Arbeitsrecht ein Kündigungsgrund sein, wenn beispielsweise eine Ärztin in einem katholischen Krankenhaus in einer lesbischen Beziehung lebt. Schon möglich, dass diese Regelungen in vielen Bistümern heute liberaler ausgelegt werden als noch vor 20, 30 Jahren. Dennoch schwebten sie über vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wie ein Damoklesschwert und wirkten entsprechend zermürbend, sagt Burkhard Hose.
"Sexuelle Orientierung darf kein Kündigungsgrund sein"
Der menschenwürdige Umgang mit den Betroffenen dürfe nicht vom guten Willen einzelner Bischöfe abhängen, fordert der Hochschulpfarrer. Ein offenes Leben entsprechend der eigenen sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität, auch in einer Partnerschaft oder Ehe, dürfe niemals ein Kündigungsgrund sein, heißt es in dem Manifest "#OutInChurch", das 125 kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterzeichnet haben.