Der Klimawandel ist im Stadtrat angekommen. In der letzten Sitzung vor der Sommerpause stand ein interfraktioneller Antrag auf der Tagesordnung. Er lautete: "Würzburg erkennt den Klimanotstand an und erhöht das Tempo zur klimaneutralen Stadt." Die Räte nahmen ihn mit 46:0 Stimmen zur Weiterverfolgung an.
Damit machten sie einen ersten Schritt zur Anerkennung einer zentralen Forderung der Würzburger Ortsgruppe von Fridays for Future. Ob aber der Stadtrat den Klimaschutz zur obersten Priorität macht, wie die Schülerinnen und Schüler das wollen, ist nicht ausgemacht.
Weltweit werden Forderungskataloge vorgelegt
In diesen Monaten legen weltweit lokale Gruppen von Fridays for Future ihren Kommunen Forderungskataloge vor. Auch die würzburgische hat das getan, unterstützt und beraten unter anderem vom Bund Naturschutz, dem "Bündnis Verkehrswende jetzt" und den etwa 15 Wissenschaftlern von Scientists for Future Würzburg, laut ihrem Sprecher Johannes Schauer vor allem Geografen, Physiker, Biologen und Informatiker.
Fridays for Future fordert die Stadtverwaltung auf, "durch entschiedenes Handeln ihren Teil zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius" beizutragen und "jungen Würzburgerinnen und Würzburgern auch in Zukunft ein lebenswertes Stadtklima (…) zu bieten".
Schnelle, weitreichende und beispiellose Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft
Dafür seien – die Gruppe zitiert eine Aussage des Weltklimarats von 2018 – "schnelle, weitreichende und beispiellose Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft" erforderlich.
Die jungen Leute – Schülerinnen und Schüler, Azubis und Studierende – attestieren der Stadt "viele gute Ansätze": Green City Plan, Integriertes Kommunales Klimaschutzkonzept, Stadtgrün Würzburg und das Solarförderungskonzept der Stadt. Sie bemängeln ein Fehlen von Verpflichtungen, Zwischenzielen und Berichten über eventuelle Fortschritte. Zudem reichten die bisherigen Maßnahmen nicht aus, um das 2009 vom Stadtrat beschlossene Ziel zu erreichen, die CO2-Emissionen von 1990 bis 2020 zu halbieren.
Der Forderungskatalog enthält 48 konkrete Maßnahmen
Der Forderungskatalog enthält 48 konkrete Maßnahmen, unterteilt in die Bereiche Öffentliche Verwaltung, Mobilität, Bildung und gesellschaftliches Engagement, Gebäude und Konsum. Dazu kommt ein Anhang mit detaillierten Vorschlägen für Verkehr und Gebäude. Eine Reihe von Maßnahmen und Vorschlägen sind Gegenden abgeschaut, in denen es seit jeher heiß ist, wie das Begrünen von Fassaden, das in Singapur hilft, die Hitze in den Gebäuden zu reduzieren.
Grundsätzlich fordert Fridays for Future den Ausbau des städtischen Klimaschutzmanagements. Ein Klima-Anpassungskonzept müsse her, um auf den bereits stattgefundenen Klimawandel zu reagieren. Würzburg solle bis 2035 seine Treibhausgas-Emissionen auf Null reduzieren und seine Energie zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen beziehen.
Fridays for Future erwartet von der Stadt eine Vorbildfunktion
Das Umsetzen aller Maßnahmen müsse sozial verträglich sein und dürfe "keinesfalls zu Lasten von sozial und gesundheitlich benachteiligten Menschen gehen".
Beispiele: Fridays for Future erwartet von der Stadt eine Vorbildfunktion. Dazu gehört das Umstellen der städtischen Fahrzeuge auf emissionsfreie Kraftwagen, des städtischen Strombedarfs auf regenerative Energien und des Speiseangebots in den städtischen Kantinen auf saisonale und biologische Produkte, möglichst aus regionaler Landwirtschaft. In den städtischen Ausschreibungen müsse die Nachhaltigkeit ab 2020 Auswahlkriterium sein.
Die Gruppe fordert für den ÖPNV ein "einfaches, intuitives Ticketsystem", bessere Taktung von Bus und Bahn und zusätzliche Bahnhaltepunkte. Der Fahrradverkehr müsse Vorrang vor dem Autoverkehr bekommen, zum Beispiel mit Grünen Wellen an den Ampeln und Fahrradstraßen in alle Stadtteile. Durch das Verlegen des Autoverkehrs nach außen solle in der Innenstadt Platz geschaffen werden für andere Verkehrsarten.
Das Solarförderungsprogramm muss verbessert werden
Geht es nach Fridays for Future, legt die Stadt den Energiestandard von Gebäuden bei "Verkäufen, Neubauten und Renovieren" bis 2020 auf "Passivhaus" fest, mit maximal zehn Kilowattstunden Heizenergieverbrauch im Jahr. Das Solarförderungsprogramm müsse verbessert werden. Würzburg soll nach dem Willen von Fridays for Future eine "Sponge-City" (Schwammstadt) werden, mit vielen kleinen Grünflächen in Straßen und auf Dächern, die Regen speichern oder gedrosselt ablaufen lassen, um über die Verdunstung das Stadtklima zu verbessern.
Nach seinem Eindruck von Fridays for Future und den Forderungen gefragt, erklärte Oberbürgermeister Christian Schuchardt, er sehe in den jungen Leuten "einen Partner bei der Bewältigung der Verkehrswende". Sie gäben wichtige Impulse, dadurch entstehe ein positiver Druck. "Wir werden die Ideen einzeln zeitnah überprüfen und was möglich scheint angehen."
Hinweis:
In der ersten Fassung ist uns ein Fehler unterlaufen. Wir berichteten, der Stadtrat habe mit 46:0 Stimmen folgenden interfraktionellen Antrag angenommen: "Würzburg erkennt den Klimanotstand an und erhöht das Tempo zur klimaneutralen Stadt."
Das war falsch. Richtig ist, dass der Stadtrat den Antrag mit 46:0 Stimmen zur Weiterverfolgung angenommen hat. Das bedeutet, dass er weiter beraten wird.
Bitte entschuldigen Sie den Fehler.