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Würzburg: Was mache ich, wenn ich als Erster an eine Unfallstelle komme? Rettungsassistent gibt Tipps für Erste Hilfe

Würzburg

Was mache ich, wenn ich als Erster an eine Unfallstelle komme? Rettungsassistent gibt Tipps für Erste Hilfe

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    Wer als Erster an einer Unfallstelle ankommt, sollte sich zunächst einen groben Überblick über die Situation verschaffen, sagt Simeon Wohlleber, Ausbildungsleiter und Rettungsassistent der Johanniter-Unfall-Hilfe in Würzburg.
    Wer als Erster an einer Unfallstelle ankommt, sollte sich zunächst einen groben Überblick über die Situation verschaffen, sagt Simeon Wohlleber, Ausbildungsleiter und Rettungsassistent der Johanniter-Unfall-Hilfe in Würzburg. Foto: Silvia Gralla

    Ein junger Autofahrer kommt von der Fahrbahn ab, ein Autofahrer fährt in den Gegenverkehr, drei Menschen sterben bei Traktor-Unfällen. Das sind nur einige der schweren Verkehrsunfälle der vergangenen Wochen in Unterfranken. Wer als Erster zu einem solchen Unfall kommt, muss schnell reagieren. Doch bei viele Menschen ist der Erste-Hilfe-Kurs schon lange her und sie haben Angst, etwas falsch zu machen, wenn sie Erste Hilfe leisten.

    Simeon Wohlleber, 32, ist Rettungsassistent und seit Anfang 2022 Ausbildungsleiter bei den Johannitern in Würzburg. Er hat lange im Rettungsdienst gearbeitet und klärt im Interview darüber auf, was Ersthelfer beachten sollten, wie eine Herzdruckmassage geht und warum niemand Angst haben muss, etwas falsch zu machen.

    Frage: Laut einer Umfrage der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2020 hat jeder Vierte Angst, Erste Hilfe zu leisten. Woran könnte das liegen?

    Simeon Wohlleber: Die meisten Menschen haben Angst, etwas falsch zu machen, fürchten sich vielleicht auch vor Körperflüssigkeiten oder sich zu verletzen. Sie denken, dass sie eine Verletzung verschlimmern, wenn sie an die falsche Stelle fassen. In Filmen wird es oft so dargestellt. Das Wichtigste ist aber, überhaupt etwas zu tun. Selbst wenn ich nur den Notruf absetze und mich mit dem Unfallopfer unterhalte, habe ich bereits sehr viel geleistet.

    Kann ich überhaupt etwas falsch machen?

    Wohlleber: Ersthelfer können nicht alles wissen, sie sind geschützt und werden für Fehler in der Regel nicht bestraft. Die Situationen, in denen Ersthelfer den Zustand einer verunglückten Person verschlechtern, sind aber ohnehin in der Unterzahl. Wer sich unsicher ist und nicht weiß, was er tun soll, sollte den Notruf verständigen und beim Patienten bleiben, diesen wach halten, ihm die Angst nehmen und mit ihm sprechen. Das Gespräch kann sich um die banalsten Dinge drehen - beispielsweise wie es der Familie geht, was die Person beruflich macht – es geht nur darum, im Redefluss zu bleiben, damit der Patient weiß, dass er nicht alleine ist.

    "Wer das erste Mal zu einem Verkehrsunfall kommt, legt den Fokus häufig nur auf das Unfallauto und vergisst alles drumherum."

    Simeon Wohlleber, Ausbildungsleiter und Rettungsassistent der Johanniter-Unfall-Hilfe 

    Lassen Sie uns ein Beispiel durchgehen: Es ist ein warmer Sommertag, ein Auto hat sich überschlagen und ich bin die erste Person, die an der Unfallstelle ankommt. Was ist das Erste, was ich tun sollte?

    Wohlleber: Eigenschutz geht immer vor. Es ist nicht gewollt, dass Ersthelfer sich in eine gefährliche Lage bringen. Wer das erste Mal zu einem Verkehrsunfall kommt, legt den Fokus häufig nur auf das Unfallauto und vergisst alles drumherum. Als Erstes sollte man sich daher einen groben Überblick verschaffen – einfach ein bis zwei Sekunden kurz innehalten und die Szene im Ganzen erfassen. Auf keinen Fall hektisch werden. Dann wird klar: Okay, da ist ein Auto, aber vielleicht laufen Öl oder Benzin aus. Im schlimmsten Fall gibt es noch Rauch oder Feuer, da sollte niemand blind hineinlaufen.

    Ich habe mir einen ersten Überblick verschafft. Wie sichere ich die Unfallstelle ab?

    Wohlleber: Der erste Impuls ist, zu schauen, was passiert ist. Zunächst sollte aber die Unfallstelle gesichert werden. Da reicht es im Notfall aus, wenn ich das eigene Fahrzeug mit Warnblinkanlage in etwa 100 Meter Entfernung abstelle, um den nachfolgenden Verkehr zu warnen. Es muss nicht direkt ein Warndreieck aufgestellt werden, denn das artet manchmal in eine Fummelei aus bis es tatsächlich steht. Alle Fahrzeuginsassen sollten zudem aus dem eigenen Auto aussteigen und hinter die Leitplanke gehen, damit andere sie nicht übersehen können. Erst danach leiste ich Erste Hilfe.

    Das heißt, dass der Patient, wenn nötig, schnell aus der Gefahrensituation gerettet und grob erfasst wird, welche Verletzungen und Erkrankungen vorliegen. Das Wichtigste ist aber, die Vitalparameter im Blick zu behalten und die lebenswichtigen Funktionen aufrechtzuerhalten, also zu schauen, ob das Unfallopfer noch atmet, ob irgendwelche großen Blutungen da sind und die Person ansprechbar ist.

    "Selbst eine schlechte Wiederbelebung ist besser als keine."

    Simeon Wohlleber, Ausbildungsleiter und Rettungsassistent der Johanniter-Unfall-Hilfe

    Und wenn das Unfallopfer nicht mehr ansprechbar ist?

    Wohlleber: Dann sollte geprüft werden, ob die verletzte Person noch atmet. Das erkenne ich daran, ob der Brustkorb sich hebt und senkt. Wenn ich gar nichts sehe, dann sollte die flache Hand auf den Brustkorb oder das Ohr an Mund und Nase gelegt werden. Ist keine Atmung da, muss der Patient aus dem Auto gezogen und auf eine feste Unterlage – zum Beispiel eine sichere Stelle auf der Straße – gelegt werden, um mit den Wiederbelebungsmaßnahmen zu beginnen. Atmet die Person hingegen noch, sollte die Atmung bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes regelmäßig kontrolliert werden.

    Gerade die Herzdruckmassage macht vielen Menschen Angst. Wie gehe ich vor?

    Wohlleber: Wichtig ist, mitten auf dem Brustkorb die Handflächen aufzulegen und ausreichend tief in einem regelmäßigen Rhythmus zu drücken. Dabei kann auch die Melodie von Staying Alive helfen. Noch wichtiger ist es, ausreichend zu entlasten, damit das Herz sich wieder mit Blut füllen kann. Bei jedem Drücken muss man entsprechend tief hineindrücken und auch wieder loslassen. Zwischen jedem Drücker sollte unbedingt entlastet werden. Das sollte gemacht werden, bis der Rettungsdienst eintrifft. 

    Dabei kann es passieren, dass eine Rippe bricht oder die Herzdruckmassage nicht perfekt ist, aber die Alternative wäre, dass der Körper des Patienten gar nicht durchblutet wird. Selbst eine schlechte Wiederbelebung ist besser als keine. Früher gehörte noch die Beatmung dazu, doch spätestens durch die Corona-Pandemie sind die Hemmungen größer geworden und sie wird bei der Laien-Reanimation nicht mehr empfohlen. Auch hier gilt: Herzdruckmassage ohne Beatmung ist besser als keine. 

    Die erste Person an einer Unfallstelle zu sein, ist eine Stresssituation. Wie beruhige ich mich, wenn ich panisch werde?

    Wohlleber: Jeder sollte nur so helfen, wie es ihm zumutbar ist. Es bringt niemanden etwas, wenn man zum Beispiel kein Blut sehen kann und direkt ohnmächtig wird. Deswegen sollte immer mit der Sicherung der Unfallstelle begonnen und direkt der Notruf gewählt werden. Wenn jemand dann sagt, dass er aus irgendeinem Grund nicht zum Patienten gehen kann, weil es vielleicht auch zu gefährlich ist, dann ist das in Ordnung. Ersthelfer sollten aber in der Nähe bleiben, um die Rettungshelfer einzuweisen und für Fragen der Polizei zur Verfügung zu stehen.

    Ist ein Ersthelfer panisch, dann gibt es zwar ganz viele Entspannungsübungen, aber kein Musterrezept. Die Stressforschung belegt, dass jemand, der eine Situation in ähnlicher Form schon einmal erlebt hat, ruhiger ist. Deshalb empfehle ich den Erste-Hilfe-Kurs alle zwei Jahre, gerne auch öfters, aufzufrischen. Dort werden auch praxisnahe Fallbeispiele geübt, um Hemmungen und Unsicherheiten abzubauen.

    Mit am Wichtigsten ist es, den Notruf zu wählen. Welche Informationen sind für den Mitarbeiter wichtig?

    Wohlleber: Das sind die klassischen fünf W-Fragen, die bereits im Kindergarten gelehrt werden: Wo ist das Ereignis? Wer ruft an? Was ist geschehen? Wie viele Betroffene? Warten auf Rückfragen! Selbst wenn ich diese nicht genau weiß, leitet mich der Leitstellendisponent durch das Gespräch und gibt gegebenenfalls Anleitung bei medizinischen Fragen.

    Die allerwichtigste Information ist der Notfallort. Selbst wenn das Handynetz zusammenbricht, weiß die integrierte Leitstelle so, wo etwas passiert ist. Danach sollte ich sagen, wer ich bin, und was passiert ist. Das sollte so prägnant wie möglich beschrieben werden. Zum Beispiel: Hier war ein schwerer Verkehrsunfall, es sind zwei Fahrzeuge beteiligt, ich sehe drei betroffene Personen. Damit kann die Leitstelle bereits viel anfangen. Hat sich der Unfall zum Beispiel auf der Autobahn ereignet, sollten Autobahn, Autobahnkilometer und Fahrtrichtung genannt werden. Im Anschluss sollten Ersthelfer unbedingt in der Leitung bleiben – das gilt auch nach Gesprächsende – um Rückfragen beantworten zu können.

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