In der Uettinger Gemeindeverwaltung kann sich niemand mehr an das genaue Datum der letzten Hausgeburt im Ort erinnern. Erst ein Blick in die Archive der Verwaltungsgemeinschaft in Helmstadt klärt auf: Am 19. Februar 1969 kam letztmals ein Kind geplant im Elternhaus auf die Welt. Zehn Jahre später verzeichnet das Archiv zwar eine weitere Geburt in Uettingen, doch kam dieses Kind am 22. März 1979 im Krankenwagen auf dem Weg ins Krankenhaus innerhalb des Ortes zur Welt.
Anders bei Nina Irlbeck (28 Jahre) und ihrem Lebensgefährten Rudi Pfister (30): Die beiden Polizeibeamten, die im Bereich Würzburg Dienst tun, entschieden sich bewusst, ihr Kind zu Hause zur Welt zu bringen.
Was für Irlbecks Großmutter normal war – sie gebar zwei ihrer drei Kinder in Uettingen –, ist heute fast eine Sensation. Nina Irlbeck hat von ihrem dritten Kind in einem mobilen Geburtspool im heimischen Wohnzimmer entbunden, während nebenan der Kaminofen wohlige Wärme verbreitete.
Die Intimität in der vertrauten Umgebung war der dreifachen Mutter wichtig. „Es war ein Traum von einer Geburt“, sagt Irlbeck rückblickend. Die Geburt habe sechseinhalb Stunden gedauert. Dabei ließ eine seit 15 Jahren auf Hausgeburten spezialisierte Hebamme die Mutter ihr eigenes Tempo gehen. „Ich wurde nicht gedrängt“, ist Irlbeck. Dass alles gut gegangen ist, „hat viel mit der Psyche und mit Entspannung zu tun“, ist sie sich sicher.
Die 28-Jährige hat nicht nur freudige Erinnerungen an die Geburt ihrer ersten beiden Kinder. Die Geburt ihres ersten Sohnes, Maximilian vor fünf Jahren wurde vorzeitig wegen einer Schwangerschaftsgestose, also einer Erkrankung der Mutter, eingeleitet. Das zweite Kind, der einjährige Elias, kam bereits in der 24. Woche als Frühchen auf die Welt – 670 Gramm leicht und 30 Zentimeter groß. Eine anfängliche Schwerhörigkeit hat sich inzwischen gegeben.
Während der dritten Schwangerschaft machten sich frühzeitig Wehen bemerkbar, und alle Zeichen standen erneut auf Frühgeburt, erinnert sich Irlbeck. Frauenarzt und Uni-Klinik Würzburg rieten zu einer Geburt im Krankenhaus. Alle Hebammen der Region hätten eine Hausgeburt abgelehnt, sagt Irlbeck. Schließlich fand das Paar in Martina Eirich aus Braunsbach (Lkr. Schwäbisch-Hall) eine mit Risikoschwangerschaften erfahrene Hebamme, die in eine Hausgeburt ab der 38. Woche einwilligte. Irlbeck ließ sich in der Folge abwechselnd von der Hebamme und in der Uni-Klinik regelmäßig untersuchen.
Die Mutter war froh, sich immer auf die Betreuung durch dieselbe Hebamme verlassen zu können. Sie hatte bei den vorangegangenen Geburten wechselnde Schichten im Krankenhaus erlebt, „und beim zweiten Kind standen 20 Personen im Kreißsaal“.
„Es war ein Traum von einer Geburt“
Nina Irlbeck über ihre Hausgeburt
Das wollte Irlbeck nicht noch einmal durchmachen. Diesmal fühlte sie sich rundum wohl: „So eine intensive ganzheitliche Begleitung ist ein unglaublicher Luxus“, ist sie dankbar für viele Hausbesuche der Hebamme, auch wenn sie die Anfahrten aus eigener Tasche zahlen musste. Die Hebamme hielt über fünf Wochen lang die Rufbereitschaft und war bei Bedarf innerhalb einer Stunde vor Ort. Auch die Nachsorge findet jetzt durch Eirich statt.
So ließen sich die verfrühten Wehen während der Schwangerschaft in den Griff bekommen. „Die Schwangerschaft hat nur deshalb so lange gehalten, weil wir die Betreuung durch eine eigene Hebamme gewählt haben“, sagt Irlbeck aus heutiger Sicht. Dennoch war die Uni-Klinik in Würzburg eingebunden.
Als es schließlich zur Geburt kam, lief alles glatt. Maximilian, der fünfjährige Bruder, durfte beim Abnabeln mit dabei sein – eine positive Erfahrung für die ganze Familie. Und Lara Sophie Pfister ist mit 3250 Gramm, 51 Zentimetern Länge und 34 Zentimetern Kopfumfang nicht nur ein Wonneproppen, sondern seit Jahrzehnten wieder die erste waschechte Uettingerin.
Im Blickpunkt
Nina Irlbeck hat ein Buch über ihre Erfahrungen mit der Frühgeburt ihres zweiten Sohnes geschrieben. Das Buch „So klein, und doch so stark! Tagebuch eines viel zu früh geborenen Babys“ erscheint Mitte 2009 im Verlag Edition Riedenburg.