Wenn er so weitergemacht hätte wie sein Großvater, dann würde Sebastian Sauer jetzt in der Bergheimer Mulde auf einem Kohlfeld stehen. Aber Sauer steht unter einer Zeltplane zwischen Pfingstrosen, manche bonbonrosa, andere zinnoberrot oder cremeweiß. Der zweite Sonntag im Mai ist für den Landwirt aus Unterpleichfeld im Landkreis Würzburg ein besonderer Tag geworden: Muttertag. Der umsatzstärkste Tag des Jahres, wie er sagt.
Hätte er einfach weitergemacht wie sein Großvater, sagt Sauer, dann wäre er jetzt wohl pleite. Kohl- und Spargelanbau seien für den Familienbetrieb in der Bergtheimer Mulde bereits zur Jahrtausendwende unrentabel gewesen. Deshalb hätten sie damals das "Beeren-Zeitalter" eingeläutet: Himbeeren und Heidelbeeren auf einer Fläche von 30 Hektar. Anfang der 2000er Jahre wurde die Ackerfläche dann schrittweise von Pfingstrosen belegt.
"Da hängt viel Herzblut daran, die Entscheidung stellt alles auf den Kopf."
Landwirt Sebastian Sauer aus Unterpleichfeld über seine Umstellung auf Pfingstrosen
Und jetzt? Eine neue Kultur anpflanzen, von Beeren auf Pfingstrosen wechseln – da verändere sich ein komplettes Geschäftsmodell, sagt Sauer: "Da hängt viel Herzblut daran, die Entscheidung stellt alles auf den Kopf." Er habe trotzdem keine Alternative gesehen. 2022 hat der Betrieb die letzte Beere geerntet. Sauer hat die 200.000 Euro teure Verpackungsmaschine für die Beeren verkauft und auf Ebay eine Kleinanzeige für die Bewässerungsschläuche gestellt.
Landwirt Sauer: Mit Pfingstrosen den Wasserbedarf deutlich reduziert
Der Unterpleichfelder passte seinen Betrieb an – aus wirtschaftlichen Gründen und Wasser-Spar-Zwängen, wie er sagt. Auf der gleichen Anbaufläche verbrauche er mit den Pfingstrosen nur noch halb so viel Wasser wie mit den Beeren. Mit jährlich sieben bis acht Liter Wasser pro Pfingstrose komme der Betrieb gut hin, sagt Sauer.

Laut Claudia Teager, Leiterin der Abteilung Gartenbau beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen-Würzburg, bewegt sich der Wasserbedarf der Pfingstrosen in einer Liga mit einer jungen Weinbau- oder Apfelbaum-Anlage - und damit im unteren Bereich der bewässerten Sonderkulturen. "Ohne gezielte Bewässerung ist der professionelle Anbau von Schnittblumen allerdings nicht möglich", sagt Taeger.
Gartenbau-Expertin Taeger: Professioneller Anbau braucht gezielte Bewässerung und Tunnel
Die Ansprüche von Kunden und Zwischenhändlern seien hoch, im heimischen Wohnzimmer würden nur Blumen mit geraden Stielen, einwandfreier Blattgesundheit und prächtigen Blüten landen. Dafür sei zusätzliches Wasser unerlässlich. Auch der Anbau im Tunnel sei nötig, um die Pfingstrosen etwa vor Starkregen, Frost und Nebel zu schützen, sagt die Gartenbau-Expertin.
Pfingstrosen brächten Vorteile für das Ökosystem, sagt Taeger: Nach der Ernte beschatten die Pflanzen den Ackerboden. Es bilde sich eine "Schattengare", die für die Bodenaktivität wichtig ist und dazu führt, dass der Boden mehr Wasser aufnehmen kann.
Bergtheimer Mulde: Der Boden ist fruchtbar, der Grundwasserspiegel sinkt
Und um das kostenlose und knappe Gut Wasser konkurrieren im nördlichen Landkreis Würzburg viele Landwirte. Auf den sehr fruchtbaren, aber trockenen Lösslehmböden rund um Bergtheim wird vorzugsweise Gemüse angebaut, das zumeist zusätzlich bewässert werden muss.
Doch der Grundwasserspiegel sinkt seit Jahren. 2020 ist den Landwirten in der Bergtheimer Mulde gestattet worden, auf einer etwa 1000 Hektar großen Fläche 550.000 Kubikmeter Wasser zu entnehmen – noch. Die Idee und der Wunsch vieler Landwirte: Statt Grundwasser wollen sie zukünftig 1,4 Millionen Kubikmeter Mainwasser auf ihre Felder leiten.
Schnittblumen aus Unterfranken: ein Nischenprodukt
Sauer geht einen anderen Weg. Als bekannt wurde, dass in der Bergtheimer Mulde ein Landwirt im Hitzesommer 2022 eine Wasseruhr manipuliert haben soll, trat er zusammen mit anderen Landwirten aus dem regionalen Bewässerungsverband aus.
Jetzt setzt Sauer ganz auf die Päonien, die Pfingstrosen. In Unterfranken ein Nischenprodukt: Laut dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Kitzingen-Würzburg werden in der Region auf einer Fläche von etwa 85 Hektar Zierpflanzen angebaut, ein Trend zu mehr lässt sich nicht ausmachen.

Sauers Betrieb hat neun Festangestellte und etwa 50 Saisonarbeitskräfte. Um die Blumen vor dem Muttertag ernten zu können, beheizt der Landwirt Folientunnel mit Abwärme aus der eigenen Biogasanlage. Bis zu zwei Wochen früher könne so das Saisongeschäft beginnen, sagt Sauer. Von Ende April bis Anfang August sind die Blumen erhältlich.
Verkauft wird über den Onlineshop. Für ein Bund, fünf Pfingstrosen, zahlen Selbstabholer rund zehn Euro. Größere Stückzahlen werden auch per Post verschickt. Der Großteil von Sauers Ernte geht allerdings an Floristen und Großhändler. Etwa 25 Prozent seiner Geschäftspartner habe er in den Niederlanden, sagt der Unterpleichfelder. Welchen Weg die unterfränkischen Pfingstrosen von dort aus nehmen, liege nicht mehr in seiner Hand.
Gläserne Pfingstrosen: Bewässerung wird über das Smartphone geregelt
Denn dass er mit unterfränkischem Brunnenwasser Pfingstrosen für Abu Dhabi züchten würde? Sauer hat die Kritik oft gehört. Es sei eine Dauerkultur, erklärt er, tröpfchenweise bewässert, gedüngt mit Reststoffen aus der Biogasanlage. Alle würden vom Wassersparen reden – er setze das mit seinen Pfingstrosen um.

Sauer überwacht seine Pfingstrosen digital – und bewässert knapp zwei Monate lang. Für jede Reihe Pfingstrosen gibt es einen digitalen Regler, mit dem der Landwirt die Tröpfchenbewässerung rund 30 Zentimeter unter der Erde aktivieren kann. Tun die elektromagnetischen Ventile nicht, was sie sollen, bekommt er eine Push-Nachricht aufs Smartphone. Und Sensoren im Boden melden, wenn eine Bewässerung nötig ist.
Im Juli und August, an den heißesten Tagen, an denen landwirtschaftliche Entnahmen die öffentliche Trinkwasserversorgung gefährdeten, seien die allermeisten Pfingstrosen bereits geerntet, sagt Sauer. Für ihn selbst hört die Arbeit dann nicht auf. In der kühlen Jahreszeit baut er die Folientunnel zurück, entfernt Beikräuter - und pflanzt neue Pfingstrosen.