Vor einem Jahr ist in der Bergtheimer Mulde im nördlichen Landkreis Würzburg die Wasseruhr eines Brunnens zur Feldbewässerung rückwärts gelaufen. Jetzt sind die Ermittlungen der Polizei gegen den Besitzer abgeschlossen. Das Ergebnis: Die Staatsanwaltschaft Würzburg sieht es als erwiesen an, dass der Landwirt zwei Wasserzähler manipuliert hat.
Wie Oberstaatsanwalt Tobias Kostuch auf Anfrage mitteilt, hat die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Fälschung technischer Aufzeichnungen Anklage erhoben. Kostuch geht davon aus, dass der Fall in den nächsten Monaten vor dem Amtsgericht Würzburg verhandelt wird. Das Strafgesetzbuch sieht für die angeklagte, der Urkundenfälschung ähnliche Straftat eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor.
Fotos und Video als Beweismaterial: Fall von Bürgern aufgedeckt
Den Fall der rückwärtslaufenden Uhr hatte die Würzburger Umweltgruppe "Wasser am Limit" im August 2022 ins Rollen gebracht. Fotos zeigten, dass der Wasserzähler um 1,8 Millionen Liter oder 1800 Kubikmeter Wasser rückwärts gezählt hatte. Nach Berichten dieser Redaktion filmte ein Bürger eine zweite rückwärtslaufende Wasseruhr, die dem gleichen Landwirt gehört.

Wasserzähler sind an den Pumpen der rund 100 Brunnen in der Bergtheimer Mulde angebracht, weil Bauern dort zwar kostenlos Grundwasser entnehmen dürfen - aber nur eine begrenzte Menge. Rund 70 Landwirte erhalten um die 5000 Kubikmeter im Jahr, wenige große Betriebe können um die 100.000 Kubikmeter jährlich pumpen. Laut Staatsanwaltschaft betreibt der angeklagte Landwirt 16 Brunnen.
Erklärung des Gemüsebauern im Sommer 2022: technischer Fehler
Der Gemüsebauer selbst erklärte das Rückwärtszählen vor einem Jahr mit einem technischen Fehler. Versehentlich sei Grundwasser zurück in den Brunnen gepumpt worden. Diese Erklärung stimmt laut Oberstaatsanwalt Kostuch nicht. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass der Zähler umgedreht eingebaut gewesen war. Auch an einem zweiten Brunnen sei die Wasseruhr manipuliert worden.
Nachgewiesen wurde das unter anderem durch ein Gutachten des Bayerischen Landesamtes für Maß und Gewicht in Bad Reichenhall. Der angeklagte Landwirt äußert sich zu den Ermittlungsergebnissen aktuell nicht.
Unter Generalverdacht? Andere Landwirte ärgern sich über das Verhalten des Angeklagten
Dass die Anklage die ungenehmigte Wasserentnahme nicht als Betrug wertet, liegt laut Kostuch daran, dass "kein Vermögensschaden nachweisbar ist". Das Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg habe keinen "messbaren Gewinn" für den Landwirt durch die Wasserentnahme berechnen können.
Landwirte aus der Bergtheimer Mulde zeigen sich dagegen doppelt über den jetzt angeklagten Kollegen verärgert: Erstens habe sich dieser durch Nichteinhalten der Regeln finanzielle Vorteile verschafft. Denn wer mehr bewässere, könne auch mehr ernten. Zweitens stünden nun alle Bauern der Region unter Generalverdacht.
Würzburger BN-Chef Jodl: Anklage zeigt, dass die Behörden bei der Kontrolle versagten
Dass im Bergtheimer Wasseruhr-Fall, der überregional für Aufsehen sorgte, jetzt Anklage erhoben ist, begrüßen Umweltschützer. Sie setzten sich für den Schutz des Grundwassers in der Region ein, das seit Jahren abnimmt. "Es gab schon lange Vermutungen, dass bei der Wasserentnahme nicht alles korrekt zu geht", sagt Brigitte Muth-von-Hinten von "Wasser am Limit".

Steffen Jodl, Geschäftsführer der Würzburger Kreisgruppe des Bund Naturschutz (BN) sagt: "Die Hinweise, dass mehr Wasser entnommen wurde, als erlaubt war, wollten Landratsamt Würzburg und Wasserwirtschaftsamt nicht sehen. Stattdessen haben die Behörden jahrelang behauptet, dass alles in Ordnung ist." Die Anklage sei "ein Signal, dass rechtswidriges Verhalten nicht toleriert wird". Außerdem zeige sie, "dass die Behörden bei der Kontrolle bislang versagt haben".
Tatsächlich hatten die Hinweise, die jetzt zur Anklage geführt haben, nicht Wasserwirtschaftsamt oder Landratsamt geliefert, sondern engagierte Bürgerinnen und Bürger.
