Ein Jahr lang führten sie gemeinsam an der Seite von David Brandstätter die Geschicke in der Geschäftsführung der Mediengruppe Main-Post: Mit dem Eintritt von Brandstätter in den Ruhestand zum Jahreswechsel haben Renate Dempfle (60) und Bernd Riedel (49) die alleinige Verantwortung für das Unternehmen. Im Interview sprechen die beiden Geschäftsführer über den Medienwandel, die Herausforderung der Transformation und die wirtschaftliche Situation der Main-Post.
Frage: Sie sind seit Januar 2024 in der Geschäftsführung der Main-Post, wie fällt Ihre Bilanz nach diesem ersten Jahr aus?
Renate Dempfle: Durchweg positiv. Ich habe festgestellt, dass die Main-Post sehr gut aufgestellt ist und die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Bereichen bestens funktioniert. Gleichzeitig fühle ich mich als Allgäuerin in Würzburg und Unterfranken sehr wohl. Es ist schön, in einer Region leben zu dürfen, in der andere Urlaub machen.
Bernd Riedel: Mir gefällt der Pragmatismus bei der Main-Post. Mich begeistert es, wie wirklich alle bei der Lösung von Problemen bereichsübergreifend an einem Strang ziehen.

Die Medienbranche und das Mediennutzungsverhalten sind fundamental im Wandel. Junge Menschen konsumieren Nachrichten überwiegend digital über ihr Smartphone. Wie stellt sich die Main-Post darauf ein?
Dempfle: Wir möchten Gutes wie die gedruckte Zeitung bewahren und gleichzeitig offen sein für Transformation und Veränderung. Die Herausforderung ist in der Tat, jüngere Menschen mit unseren Inhalten und Produkten zu erreichen. Wenn sie Nachrichten lesen, dann sehr oft in Sozialen Netzwerken und anderen unseriösen Quellen. Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften empfehle ich unser neu aufgelegtes und digitalisiertes KLASSE!-Projekt für Schulen, in dem unter anderem anschaulich erklärt wird, wie man Fake News entlarven kann. In unsicheren Zeiten wie diesen ist Glaubwürdigkeit ein hohes Gut. Die Menschen können den Inhalten der Main-Post vertrauen, egal ob in der gedruckten Zeitung oder online auf mainpost.de. Dafür stehen die rund 130 festangestellten Journalistinnen und Journalisten der Main-Post sowie etwa 600 freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Wie soll der digitale Wandel gelingen?
Dempfle: Der Zeitungsleser ist unheimlich loyal. Diese Beziehung müssen wir auch im Digitalen herstellen, und da helfen uns die sogenannten User Needs, also das Wissen über die Bedürfnisse unserer Leserinnen und Leser. Aus der Untersuchung des Leseverhaltens auf mainpost.de wissen wir sehr genau, welche Themen unsere Kunden interessieren. Noch mehr auf ihre Bedürfnisse einzugehen, muss unser Ziel sein. Spannend finde ich auch das Zielgruppen-Projekt, das die Redaktion derzeit testet. In der Rhön widmen sich die Kolleginnen und Kollegen dabei dem Amateurfußball, in Schweinfurt den Menschen, die in der Industrie arbeiten. Ich bin überzeugt davon, dass wir so neue Perspektiven schaffen und mit unserem Journalismus einen hohen Nutzwert für unsere Leserinnen und Leser erzielen.
Wie bewerten Sie die wirtschaftliche Situation?
Riedel: Wir sind als regionales Medienhaus mit steigenden Kosten für Personal, Produktion und Zustellung konfrontiert. Auch die Anhebung des Mindestlohns wirkt sich deutlich aus. Es ist deshalb notwendig, dass wir den Preis für unsere Produkte sehr moderat anheben. Eine Zeitung kostet am Tag aber immer noch weniger als eine Tasse Kaffee in einem Lokal. Dafür arbeiten Nacht für Nacht hunderte Kollegen im Druckzentrum und in der Logistik, und rund 1500 Zustellerinnen und Zusteller in der gesamten Region sorgen bei Wind und Wetter dafür, dass die Zeitung an 300 Tagen im Jahr morgens im Briefkasten steckt. Die machen alle einen Riesenjob und Ihnen gebührt ein großes Dankeschön.

Das ist nicht mehr in allen Verlagshäusern so.
Riedel: Richtig. Im vergangenen Jahr hat beispielsweise die Märkische Allgemeine Zeitung die Zustellung im Landkreis Prignitz aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt. Andere Verlage gehen dazu über, in Städten und Dörfern Boxen aufzustellen, an denen die Abonnenten ihre Zeitungen abholen müssen. Die Verlagsgruppe Hof, Coburg, Suhl, Bayreuth beispielsweise wird ab Januar 2025 die gedruckte Zeitung ihrer Titel in Thüringen am Montag einstellen und nur noch in digitaler Form anbieten.
"Wir haben ein ganz klares Bekenntnis zu Print."
Renate Dempfle zur Zukunft der gedruckten Zeitung
Gibt es ähnliche Pläne bei der Main-Post?
Dempfle: Nein. Die Branche schaut sicher interessiert nach Thüringen, aber wir haben ein ganz klares Bekenntnis zu Print. Solange es wirtschaftlich darstellbar ist, werden wir alles daran setzen, die gedruckte Zeitung am Leben zu erhalten. Auch wenn die Auflage aufgrund des digitalen Wandels sinkt, wie übrigens in der gesamten Branche, so haben wir eine Auflage von knapp 100.000 Exemplaren und zusammen mit der Online-Nutzung eine so große Reichweite wie nie zuvor in der Geschichte der Main-Post. Wir erreichen tagtäglich mehr als 350.000 Menschen mit unserem Journalismus und mit unseren Anzeigen.
Seit 13 Jahren gehört die Main-Post zur Mediengruppe Pressedruck in Augsburg. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?
Dempfle: Wo es sinnvoll ist, schaffen wir Synergien. Ich nenne da gemeinsame IT-Systeme, Datenbanken, aber auch Redaktionssysteme. Wir teilen uns auch ein Korrespondentennetz, und der sogenannte Mantelteil mit politischen Nachrichten aus Deutschland und der Welt wird aus Augsburg geliefert. Wir – und damit auch unsere Anzeigenkunden – profitieren von der viel größeren Reichweite über die Region hinaus, die wir durch diesen starken Verbund erzielen.
Die Main-Post konzentriert sich auf die Region?
Dempfle: Es gilt, all unsere Energie in die lokale und regionale Berichterstattung zu stecken und da in Zukunft auch noch mehr Nähe herzustellen. Wir wollen die Main-Post wieder sichtbarer machen in der Region. Was Redaktion oder auch Vermarktung in diesem Jahr mit Veranstaltungen für Leser und Kunden gemacht haben, hat mir sehr gut gefallen. Ich erinnere mich an die Main-Post-Podiumsgespräche in Bad Neustadt zu den Entlassungen bei Preh und zur Multifunktionshalle in Würzburg.
Riedel: Nähe ist uns sehr wichtig. Die Leute interessiert brennend, was vor ihrer Haustüre passiert. Die Main-Post ist das einzige Medium, das in der Fläche und Breite so lokal berichtet. Wer betreibt denn sonst noch solch einen Aufwand? Niemand. Ich erinnere an die Berichterstattung rund um die vermeintliche Schließung des St.-Josefs-Krankenhauses in Schweinfurt oder die vielen Recherchen rund um das Grundwasser in Mainfranken. In dieser Tiefe ist das außergewöhnlich und einzigartig.
"Wer betreibt denn sonst noch solch einen Aufwand? Niemand."
Bernd Riedel über die lokale Berichterstattung
Wie sieht es im Bereich Innovation aus?
Dempfle: Wir haben in diesem Jahr eine Abteilung gegründet, die sich um Innovationsstrategie und mögliche neue Produkte kümmern soll. Ich kann mir da beispielsweise in den Bereichen Audio und Bewegtbild einiges vorstellen.
Riedel: Ein Erfolgsmodell ist das Einsendeportal, mit dem uns Vereine, Schulen und Institutionen ihre Berichte schicken können. Es wird mittlerweile von nahezu 8000 Menschen genutzt. Es ist so erfolgreich, dass daraus ein Geschäftsfeld entstehen kann. Andere Verlage haben bereits Interesse am Konzept und am Erwerb der Technologie gezeigt.
Mit welchen Erwartungen gehen Sie ins neue Jahr 2025?
Riedel: Im kommenden Jahr wird die Main-Post 80 Jahre alt. Die Planungen sind noch nicht ganz abgeschlossen, aber die Leser und Kunden dürfen sich auf einige Überraschungen freuen.
Dempfle: Es stehen politische Veränderungen an: Deutschland wählt einen neuen Bundestag, Würzburg einen neuen Oberbürgermeister. Die Main-Post wird durch sehr guten Journalismus Orientierung und Informationen bieten, um an diesen demokratischen Prozessen teilzuhaben. Wir sehen uns auch weiter als verlässlichen Partner für die Region und werden unser Sponsoren-Engagement beispielsweise beim Würzburger Mozartfest oder dem Kissinger Sommer sowie im Sport beibehalten.