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Würzburg/Schweinfurt: Wenn Rente und Einkommen nicht reichen: So groß ist die Armut in Unterfranken – und so groß sind die Unterschiede

Würzburg/Schweinfurt

Wenn Rente und Einkommen nicht reichen: So groß ist die Armut in Unterfranken – und so groß sind die Unterschiede

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    Geldsorgen und drohende Armut: Wo in Unterfranken besonders viele Menschen nicht genug Geld zur Verfügung haben für Grundbedürfnisse und das tägliche Leben, zeigt der Blick auf Zahlen des Statistischen Landesamtes. 
    Geldsorgen und drohende Armut: Wo in Unterfranken besonders viele Menschen nicht genug Geld zur Verfügung haben für Grundbedürfnisse und das tägliche Leben, zeigt der Blick auf Zahlen des Statistischen Landesamtes.  Foto: Adobe Stock

    In Unterfranken war 2022 fast jeder Sechste von Armut bedroht – 14,9 Prozent der Bevölkerung. Das zeigen die Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder. Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Netto-Haushaltseinkommens zur Verfügung hat.

    In Unterfranken liegt das mittlere Einkommen bei 2026 Euro und die Armutsgrenze demnach bei 1215 Euro netto für Single-Haushalte. Eine vierköpfige Familie gilt bei unter 2552 Euro monatlich als armutsgefährdet.

    Armut in Unterfranken: Eine Frage der Teilhabe an der Gesellschaft

    Bei Armut geht es hierzulande nicht mehr in erster Linie um das nackte Überleben. Heute gilt als arm, wer nicht in Würde am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Wer sich also zum Beispiel Sport, Kino oder Internet nicht leisten kann. In Politik und Forschung hat sich dafür der Begriff vom "soziokulturellen Existenzminimum" durchgesetzt. Davon spricht auch Ulrich Walwei, Vizedirektor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Er wird im Folgenden helfen, die Daten zur Armut in der Region einzuordnen.

    Dabei ist es schwer, überhaupt an lokale Daten zu kommen, wie viele Menschen hier tatsächlich arm sind. Man kann sich aber die Maßnahmen anschauen, mit denen der Staat Armut bekämpfen will. Das ist eine Möglichkeit, Armut lokal sichtbar zu machen. Denn hierfür kann man die öffentlichen Daten der statischen Ämter und der Arbeitsagentur nutzen.

    Bürgergeld: Arbeitslose machen nur einen Teil der Empfänger aus

    Ein zentrales Mittel zur Bekämpfung von Armut ist das Bürgergeld, geregelt im zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II). Außerdem gibt es für Menschen im Rentenalter die Grundsicherung im Alter. Seit 1. Januar liegt der Regelsatz für beides bei 563 Euro. Die Daten, wie viele Menschen diese Sozialleistungen beziehen, liegen auf Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte vor.

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    Walwei, erklärt, dass Arbeitslose nur einen Teil der Bürgergeld-Empfänger ausmachen. "Weitere nennenswerte Gruppen sind hier etwa Kinder, Erwerbsfähige in Maßnahmen und Beschäftigte, die zusätzliche Unterstützung bekommen, die sogenannten Aufstocker."

    Unterschiede zwischen Stadt und Land: In Unterfranken beim Bürgergeld relativ groß

    Der deutlich sichtbare Unterschied von Stadt und Land in Unterfranken ist für Ökonom Ulrich Walwei nicht überraschend. Größere Städte hätten tendenziell einen höheren Anteil an Bürgergeldbeziehern. Zurückzuführen sei das auf die höheren Lebenshaltungskosten in der Stadt, etwa die deutlich höheren Mieten.

    Außerdem spiele der Zuzug in die Stadt eine große Rolle. Menschen in schwierigen Lagen oder auch Migrantinnen und Migranten ziehe es eher in die Stadt. Bessere Jobaussichten und der leichtere Anschluss für Menschen, die kein Deutsch sprechen, seien Gründe dafür.

    Situation in Schweinfurt: Besserer Verdienst in der Industrie, aber immer weniger Jobs

    Auffällig ist auch der große Unterschied zwischen den Städten Schweinfurt und Würzburg. In Schweinfurt beziehen 10,8 Prozent der Bevölkerung Bürgergeld, in Würzburg "nur" 5,6 Prozent. Ein Grund dafür ist der strukturelle Unterschied der beiden Städte: Während Schweinfurt immer noch durch die Industrie geprägt wird, gilt Würzburg eher als Dienstleistungsstadt.

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    "Dienstleistungen werden tendenziell schlechter bezahlt als die Arbeit in der Industrie", erklärt Arbeitsmarktforscher Walwei. Das zeigt auch ein Blick auf die Daten: In Schweinfurt liegt das durchschnittliche Jahreseinkommen bei 45.120 Euro. In Würzburg liegt es mit 37.668 Euro deutlich darunter.

    Aufstocker: Weniger Stellen in der Industrie, schlechter Lohn für Dienstleistungen

    Allerdings sind Industrieregionen seit Jahrzehnten im Strukturwandel: Viele Industriebetriebe würden kaum noch einstellen oder sogar Stellen kürzen, sagt Walwei. Dadurch würden viele Arbeiterinnen und Arbeiter arbeitslos oder sie wechselten in Branchen mit schlechterer Bezahlung. Hier seien sie dann wiederum häufig auf zusätzliche Unterstützung angewiesen.

    Das zeigt sich an den Zahlen der Aufstocker in der Region. Das sind diejenigen Beschäftigten, die trotz Arbeit so wenig verdienen, dass sie ein Anrecht auf zusätzliche Unterstützung nach SGB II haben. Darunter fallen viele "Minijobber", die nur bis zu 520 Euro im Monat verdienen.

    Grundsätzlich gilt: Wer Bürgergeld bezieht, darf bis zu 100 Euro steuerfrei verdienen. Für jeden zusätzlichen Euro werden jedoch 80 Cent vom Bürgergeld abgezogen, sagt Walwei.

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    Auch viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die regulär in Voll- oder Teilzeit arbeiten, fallen unter die Aufstocker. "Das betrifft vor allem Branchen mit niedrigen Stundenlöhnen, also Reinigung, Leiharbeit, Einzelhandel und Gastronomie", sagt Walwei. Durch den hohen Anteil an Jobs in diesen Branchen ist der Unterschied bei der Aufstocker-Quote zwischen Würzburg und Schweinfurt geringer als bei der Bürgergeld-Quote, sagt der Ökonom.

    Grundsicherung im Alter: Für viele Menschen reicht die gesetzliche Rente nicht

    Relativ gering ist der Abstand auch bei der Grundsicherung im Alter. Sie ist eine Sozialleistung für Menschen, deren Rente "unterhalb des soziokulturellen Existenzminimums" liegt, erklärt Walwei. Grundsicherung im Alter ist nicht zu verwechseln mit der neu eingeführten Grundrente: Diese ist ein individuell berechneter Zuschuss zur gesetzlichen Rente.

    Die Anzahl der Menschen, die Grundsicherung beziehen, hänge auch mit der wirtschaftliche Stärken der jeweiligen Kommune zusammen, sagt Walwei. Denn sind in einer Stadt die Einkommen höher und ist die Arbeitslosigkeit niedriger, steigen auch die Renten, die vom Verdienst und den Beitragsjahren abhängen.

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    In der Industrie verdiene man zwar gut, die zunehmende Arbeitslosigkeit reduziere aber auch die Zahl der Beitragsjahre und damit die spätere Rente. Auf der anderen Seite gibt es bei Dienstleistungen viele Beschäftigungsformen, die von der klassischen Vollzeit-Stelle abweichen. "Wenn man länger in Teilzeit gearbeitet hat, was gerade in Dienstleistungsbereichen oft vorkommt, schlägt sich das auf die Höhe der Renten nieder."

    Auch hier fällt wieder der große Unterschied von Stadt und Land auf. Während die Stadt Würzburg bei der Grundsicherung im Alter einen Anteil von 5,91 Prozent aufweist, liegt der Wert im Landkreis Würzburg nur noch bei 1,41 Prozent. Der Unterschied zwischen Stadt und Land sei auch hier wieder vor allem deswegen so groß, weil das Leben in der Stadt deutlich teurer sei.

    In Unterfranken liegt der Armuts-Schwerpunkt in Schweinfurt

    Zusammenfassend zeigt sich ein differenziertes Bild von Armut in Unterfranken, wenn man sich die Landkreise und kreisfreien Städte anschaut. Schweinfurt hat den größten Anteil an Berechtigten auf Bürgergeld und Grundsicherung im Alter. Dort sind also besonders viele Menschen von Armut gefährdet oder betroffen – obwohl die durchschnittlichen Einkommen hier relativ hoch sind.

    Der Unterschied zu Würzburg lässt sich vor allem auf die unterschiedlichen Branchen zurückführen, die die jeweilige Stadt prägen. Die Industrie, von der es in Schweinfurt viel gibt, zahlt zwar tendenziell gut, was auch zu höheren Renten führen kann, beschäftigt aber immer weniger Arbeiterinnen und Arbeiter.

    Auch in der Region entlassen Industriebetriebe massenhaft Mitarbeitende oder schließen ganze Standorte mit hunderten Beschäftigten. Denen droht mit der Arbeitslosigkeit der Verlust von Beitragsjahren für die spätere Rente oder eine Neuanstellung mit geringerem Verdienst, der eventuell sogar noch aufgestockt werden muss.

    Trend: Mehr Jobs bei Dienstleistungen, niedrigere Einkommen

    Dagegen wächst die Zahl der Arbeitsplätze in der Dienstleistungsbranche an. Die sind jedoch tendenziell schlechter bezahlt als in der Industrie. Außerdem arbeiten dort weniger Menschen in der klassischen Vollzeitbeschäftigung. Beides drückt das Rentenniveau, erklärt aber auch die geringere Arbeitslosigkeit.

    Der Unterschied von Stadt und Land ist vor allem auf die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten zurückzuführen. Besonders Wohnen ist in Städten deutlich teurer als auf dem Land. Viele, die auf dem Land wohnen, pendeln außerdem für gut bezahlte Arbeit in die Städte.

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