"Ich sehe halt eher aus wie ein Türsteher, deshalb halte ich mich erst einmal im Hintergrund", sagt Jörg Schimmer, Sicherheitschef des Würzburger Stramu: Das Auftreten einer Kollegin entschärfe eine Konfliktsituation oft besser. Ein Mann mit breiten Schultern mache latent aggressive Männer dagegen eher noch aggressiver. Deshalb ist Schimmer beim Straßenmusikfestival ab 6. September im gelben T-Shirt und mit Strohhut auf dem Kopf unterwegs - und nicht als schwarz gekleideter Sheriff.
"Zu 99,99 Prozent ist das Stramu friedlich", sagt Schimmer. Seit 2015 arbeitet er beim Stramu mit und koordiniert seit vielen Jahren die Arbeit der Handvoll Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes und der bis zu zehn eigenen Ordnungskräfte. Deren Hauptaufgabe sei das Freihalten von Rettungswegen und Straßenbahngleisen und in Zweier-Teams in der Innenstadt unterwegs zu sein. "Gewalttätig wird bei uns zum Glück fast nie jemand", sagt Schimmer und lobt das friedliche Publikum des größten bühnenfreien Straßenmusikfestivals Europas, bei dem wenig Alkohol konsumiert werde.

Aber die aktuelle Stimmung nach dem Anschlag in Solingen spürt auch das friedliche Stramu. "Man macht sich natürlich jetzt nochmal mehr Gedanken, wie man noch besser für Sicherheit sorgen kann", sagt Festivalleiter Ralf Duggen. Rund 100.000 Besucher werden am kommenden Wochenende erwartet.
Die Polizei ist beim Stramu präsent
"Konkrete Gefährdungshinweise" gibt es laut Polizeipräsidium Unterfranken aktuell weder für die Region noch für das Stramu. "Die abstrakte Gefährdungslage durch den islamischen Terrorismus" schätzt die Polizei laut Sprecher Enrico Ball aber als hoch ein. Die Sicherheitsbehörden seien deshalb höchst wachsam. Zum Stramu-Festival am kommenden Wochenende sagt Ball: "Die Polizeiinspektion Würzburg-Stadt wird wie jedes Jahr lageangepasst Präsenz zeigen und mit einer ausreichenden Anzahl von Einsatzkräften im Dienst sein. "
Mehr Sicherheit für Besucherinnen und Besucher bei Großveranstaltungen
Da es beim Stramu keine Einlasskontrollen gibt, weil 20 Plätze in der Innenstadt bespielt werden, setzt auch das Straamu-Team auf Präsenz und Wachsamkeit. So tragen die 120 Mitarbeiter erstmals durch einheitliche gelbe T-Shirts. "Damit können Besucher einfacher jemanden erkennen, an den sie sich wenden können", sagt Duggen. "Gleichzeitig haben wir das gesamte Team aufgefordert, Augen und Ohren offenzuhalten." Alle - von den Platzwarten an den Spielstätten bis zu den Getränkeverkäuferinnen - sollen sofort Ordner informieren, wenn sie etwas Auffälliges beobachten.

Dies sei aber keine Reaktion auf den Anschlag von Solingen, sondern schon länger geplant worden. "Es geht um das Sicherheitsgefühl für die Besucherinnen und Besucher", erklärt der Festivalleiter. Dieses spielt heute eine größere Rolle bei Großveranstaltungen. So gibt es zum Beispiel bei Konzerten Awareness-Teams (Achtsamkeit) oder Frauen-Areas, um vor Diskriminierung oder sexuelle Belästigung zu schützen.
Alle kennen "Party-Johnny" und den "Boombox-Mann"
Laut Ordnerchef Schimmer kommen zum Stramu auch immer wieder Besucher, "die durch ihr auffälliges Verhalten in der Stadt bekannt sind, aber niemanden etwas tun". So würden alle Würzburger Veranstalter "Party-Johnny" kennen, der regelmäßig bei Konzerten auftauche und lautstark vor Strahlengefahr und der CIA warnen würde.
Die Frau, die penetrant Zigaretten oder Freibier einfordere, sei als "Schnorrerin" bekannt und auch "der Mann, mit der Boombox" sei allen ein Begriff: Der ließe aus seinem CD-Spieler Schlager dröhnen. Wenn solches Verhalten Künstler oder Besucher stört, würden die Ordner mit den Menschen sprechen und sie im schlimmsten Fall auch bitten, zu gehen.
2023 wurden gegen neun uneingeladene Künstler Platzverweise ausgesprochen
Mehr Nerven kosten Schimmer Menschen, die nicht zu den 75 teilnehmenden Künstlern gehören, aber trotzdem während des Stramu in der Innenstadt Straßenkunst machen. "Die Musiker und Artisten bekommen ihre Gage vom Publikum", erklärt Duggen. Es sei unfair, wenn andere ihnen davon etwas wegnehmen würden, indem sie am Stramu-Wochenende ebenfalls in der Innenstadt auftreten. Extra für nicht teilnehmende Künstler gebe es ja die Auftrittsmöglichkeit "Freiufer" an der Uferpromenade am Alten Kranen.

Um das durchzusetzen, müssten die Ordner den Auftritt von unangemeldeten Musik- oder Tanzgruppen unterbinden. "Das machen wir nicht gerne", sagt Sicherheitschef Schimmer und berichtet von einigen "unangenehmen Situationen". Vergangenes Jahr hätten seine Ordner in mehreren solchen Fällen Unterstützung durch die professionellen Security-Kollegen gebraucht, weil Musiker oder Artisten sich geweigert hätten, ihren Aufritt zu beenden. "Neun Platzverweise musste ich deshalb aussprechen und dreimal die Polizei rufen, weil einige trotzdem nicht gegangen sind." Vor zehn Jahren habe es dieses Phänomen noch nicht gegeben.