Er ist Barbara und Axel Webers ganzer Stolz: der aufwendig sanierte Keller unter ihrem Wohnhaus in Thüngersheim. Steinerne Stufen führen hinab in ein historisches Gewölbe. Seit 30 Jahren sei der Keller wie ein Wohnzimmer für die Familie, sagt die 56-Jährige. Genutzt haben die Webers ihn unter anderem jahrelang für ausgelassene Faschingsfeiern, sogar die Thüngersheimer Narren bewirteten ihn. Eine Collage mit Fotos am Eingang des Gewölbes zeugt von den Feierlichkeiten vergangener Jahre.
Betritt man nun den Keller, bietet sich ein anderes Bild: Möbel sind mit Planen und Regenschirmen abgedeckt, die steinernen Wände und der Boden glänzen nass. Überall ist es schmutzig und feucht. "Seit November ist das so", sagt Axel Weber. Er muss Eimern und Pfützen ausweichen, um sich im Keller fortzubewegen. Während er spricht, ertönt ein stetes Tropfen.
Das Wohnhaus sei Baujahr 1697, erklärt er, der Keller darunter sogar aus dem 16. Jahrhundert. Beides hat der 60-jährige Sanitärfachmann aufwändig instand gesetzt, er habe "eben einen Spleen für sowas", schmunzelt er. Neben dem Fachwerkhaus in der Rathausgasse 5 haben die Webers noch weitere historische Bauwerke gekauft und saniert. Auswahl gibt es in Thüngersheim genug: Über 80 eingetragene Baudenkmäler befinden sich im Altort, oft mit ähnlichen Gewölbekellern. Dabei ist es keine Seltenheit, dass die historischen Keller untertage nicht mit den überirdischen Grundstücksgrenzen übereinstimmen. Sie ragen teilweise mehrere Meter unter die Nachbargrundstücke – so auch der Keller der Webers. Jahrzehntelang hatte dieser Umstand nicht für Probleme gesorgt, sagt Axel Weber.
Seit Monaten dringt Wasser in den Keller der Webers ein
Dass der Keller nun seit November einer Tropfsteinhöhle gleicht, liegt laut Weber am Abriss einer Scheune auf dem Nachbarsgrundstück. Die Scheune habe sich direkt über dem Keller befunden und diesen vor der Witterung geschützt. Seit ihrem Abriss vergangenen November sickere unaufhörlich Wasser ins Gewölbe. "Ich hab dann gleich drüben geklingelt und gesagt, passt auf, deckt das bitte ab, wenn es regnet", erinnert sich Axel Weber. Passiert sei jedoch nichts.
Viel Zeit, Geld und Nerven mussten die Webers seither in die Schadensbegrenzung stecken: Die Feuerwehr sei bereits involviert gewesen, man habe eine Wasserpumpe gekauft, einen Steinmetz kommen lassen. In den Keller zu gehen, sei schwer geworden: "Man könnte jedes Mal heulend wieder heraufgehen." Die Verantwortung für die Behebung des Schadens sieht Axel Weber nicht nur beim Nachbarn, sondern auch beim Landratsamt, das als untere Denkmalschutzbehörde fungiert und für Grundstück und Keller zuständig ist. Sowohl dieses als auch die nächsthöhere Behörde, das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege, hat er bereits um Hilfe gebeten.

Ämter und Gemeinde weisen die Zuständigkeit von sich
Das Landratsamt sieht sich hingegen nicht verantwortlich für den Schaden. Man habe nach eingehender Prüfung eine Abrissgenehmigung für die Scheune erteilt, so Michael Kämmerer, Pressesprecher des Landratsamts, auf Nachfrage. Denkmalpflegerische Belange hätten dem Abriss nicht entgegengestanden. Bei der Beseitigung des entstandenen Wasserschadens handele es sich nach Einschätzung der Sachverständigen "ausschließlich um eine privat- und nachbarrechtliche Angelegenheit". Der Nachbar, der sich selbst nicht zur Sachlage äußern möchte, habe also rechtmäßig gehandelt. Auch einen Regenschutz muss er laut Landratsamt nicht anbringen. Das Landesamt für Denkmalpflege, das vom Landratsamt bei Denkmalschutzfragen beratend hinzugezogen werden kann, sieht in der Angelegenheit ebenfalls einen privat zu klärenden "Nachbarschaftskonflikt".
Michael Röhm, Bürgermeister von Thüngersheim, ist ebenfalls involviert. Er habe sich vor Ort ein Bild gemacht und stehe mit beiden Parteien in Kontakt, erklärt er. Maßnahmen anordnen könne die Gemeinde jedoch nicht: Die Zuständigkeiten lägen allein beim Landratsamt. "Wir haben nur die Pflicht, als Kommune das gemeindliche Einvernehmen für Bauvorhaben zu erteilen oder zu verweigern", so Röhm. Den Abriss habe er genehmigt. Dass es in Thüngersheim oft zu unterirdischen Überlappungen von Kellern und Grundstücken komme, wisse er. Es sei allerdings nicht Aufgabe der Gemeinde, jedes Bauvorhaben auf solche Überlappungen zu prüfen.

Bisher ist keine Lösung in Sicht – und der Keller leidet
Behördliche Hilfe bleibt also aus. Den Vorschlag des Nachbarn, auf Kosten der Webers einen Regenschutz anzubringen, lehnt Axel Weber vorerst ab. Er wird demnächst von einem Sachverständigen den Bauschaden schätzen lassen. Bürgermeister Michael Röhm betont, jederzeit als Vermittler bereitzustehen. Mehrmals habe er angeboten, sich mit beiden Parteien zusammenzusetzen, "als Moderator, nicht als Richter". Er ist überzeugt, "man müsse doch wohl in der Lage sein, sich zu einigen".
Eins ist jedenfalls unstrittig: Je länger sich nichts tut, desto mehr leidet der Keller. Das Wasser greift zunehmend die 500 Jahre alte Verfugung an. Dass die Denkmalschutzbehörde gesagt habe, sie könne erst aktiv werden, wenn der Keller "auf der Intensivstation liegt", versteht Axel Weber nicht. Er sieht sich um und zeigt auf die nassen Wände, die Pfützen und vollen Eimer, das ruinierte Mobiliar. "Es ist doch schon eine Intensivstation!"