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Würzburg: Wichtig für Versorgung von Patienten: Warum es Nachwuchsmediziner stärker in die Hausarztpraxis ziehen könnte

Würzburg

Wichtig für Versorgung von Patienten: Warum es Nachwuchsmediziner stärker in die Hausarztpraxis ziehen könnte

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    Haben seit 2018 gemeinsam den Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der Universität Würzburg inne: Prof. Anne Simmenroth (links) und Prof. Ildikó Gágyor.
    Haben seit 2018 gemeinsam den Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der Universität Würzburg inne: Prof. Anne Simmenroth (links) und Prof. Ildikó Gágyor. Foto: Antje Boysen

    Mehr Mediziner braucht das Land: Hausärztinnen und Hausärzte tun sich auch in Unterfranken zunehmend schwer, Nachfolger für ihre Praxen zu finden. Dem Mangel entgegenwirken will an der Uni Würzburg der Lehrstuhl für Allgemeinmedizin. Er wurde von sieben Jahren eingerichtet, seitdem hat das Fach mehr Präsenz unter den Medizinstudierenden.

    Die beiden Lehrstuhlinhaberinnen, Prof. Anne Simmenroth und Prof. Ildikó Gágyor, sind selbst noch in Hausarztpraxen tätig. Im Interview sagen sie, wie es um den Nachwuchs bestellt ist.

    Frage: Sie sind nah dran an den Medizinerinnen und Medizinern von morgen. Sehen Sie da kommende Hausärztinnen und Hausärzte?

    Prof. Anne Simmenroth: Wir sind nah dran an den Studierenden, nicht ganz so nah aber an den jungen Ärztinnen und Ärzten. Für die Uni sehe ich, dass das Fach Allgemeinmedizin sehr beliebt ist. Unser Image ist besser geworden, viele interessieren sich für eine spätere hausärztliche Tätigkeit.

    Prof. Ildikó Gágyor: Der Beruf hat unter den Studierenden deutlich an Popularität gewonnen, bietet er für die meisten Einsteiger doch eine gute Vereinbarkeit zwischen Familie, Freizeit und Praxis.

    Also ein Aufschwung für die Allgemeinmedizin?

    Simmenroth: Aus Uni-Sicht ja. Aber wir haben einen enormen zeitlichen Verzug, bis Studierende in der Versorgung ankommen. Ein Erstsemestler ist nach Studium und Facharztausbildung erst in 12 bis 13 Jahren so weit, in eine Praxis einzusteigen oder sie zu übernehmen.

    Klingt zumindest für die Zukunft positiv. Woher kommt das gestiegene Prestige? 

    Simmenroth: Das hat auch mit dem schlechten Image der Arbeit im Krankenhaus zu tun. Viele Kolleginnen und Kollegen sind ausgebrannt, 40 Prozent ihrer Zeit sind sie nur am Dokumentieren. Es herrscht permanente Personalnot. Viele möchten deshalb nicht über ihre Assistenzzeit hinaus in der Klinik arbeiten. Da bietet die hausärztliche Medizin viele Freiheiten und gute Möglichkeiten, eigene Schwerpunkte zu setzen und sich zu verwirklichen.

    Niederlassen könnte ich mich auch als Facharzt.

    Simmenroth: Natürlich, das ist die zweite Möglichkeit. Wir befragen jedes Jahr über das Dekanat unsere Medizinstudierenden nach ihren Berufszielen. Dabei zeigt sich: Dem Großteil der jungen Leute ist heute wichtig, glücklich zu werden mit ihrer Arbeit. Und viele wollen Patienten und ihre Familien möglichst lange begleiten – das erleben sie als sehr erfüllend auch bei ihren Praktika in Hausarztpraxen. Wir wissen aus anderen Erhebungen, dass die Berufszufriedenheit in der Allgemeinmedizin oder auch in der Pädiatrie sehr hoch ist. 

    Was erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass jemand Hausärztin oder Hausarzt auf dem Land wird?

    Simmenroth: Aus der Forschung kennen wir drei Faktoren. Da ist zum einen die eigene ländliche Herkunft. Das Zweite sind gute Vorbilder im Studium – Landärzte als so genannte "role models". Studierende müssen sie über Praktika in unseren Lehrpraxen kennenlernen. Manchmal ergibt sich daraus sogar eine spätere Anstellung. Und schließlich muss man dem Fach im Studium immer wieder begegnen.  

    Seit bald sieben Jahren gibt es an der Uni Würzburg ein Institut für Allgemeinmedizin - merken Sie schon einen Effekt?

    Simmenroth: An der Zahl der Facharztprüfungen kann man einen solchen Effekt wegen der langen Dauer noch nicht messen. Aber wir merken, dass sich Studierende für unser Fach interessieren und angebotene Stipendien und Wahlfächer gut wahrnehmen. 

    Immer wieder ist zu hören, dass Nachwuchsmediziner den Schritt in die Selbstständigkeit, also in die Niederlassung scheuen.

    Simmenroth: Das ist ein Trend auch in anderen Fächern. Man lässt sich lieber in einer bestehenden Praxis anstellen, möglicherweise auch in Teilzeit. Und wenn man mit 27 oder 28 Jahren Examen macht, fällt eine Familiengründung vielfach in die Zeit der Weiterbildung zum Facharzt – das gilt für beide Geschlechter. Deshalb ist sehr verbreitet, dass Nachwuchsärzte lieber in die Anstellung gehen. Und ja, manche ländlichen Regionen sind teilweise so strukturschwach, dass Praxen nicht mehr zu besetzen sind. Es muss ja meistens auch der Lebenspartner eine berufliche Perspektive haben.

    Gágyor: Insgesamt ist es ein komplexes Problem. Es kommen immer mehr Ärztinnen als Ärzte in die Versorgung und zusätzlich wollen immer mehr in Teilzeit arbeiten, als es in den älteren Generationen noch der Fall war.

    Sind medizinische Versorgungszentren der Ausweg?

    Simmenroth: Sie können helfen, den Bedarf zu decken, sollten aber ärztlich geführt sein. Ihnen muss wichtig sein, Patienten kontinuierlich zu behandeln. Im Vordergrund darf nicht das Ziel stehen, eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften, die dann womöglich noch ins Ausland geht. Solche investorengetriebenen MVZ sehe ich kritisch, auch die Kassenärztliche Vereinigung hat sich entsprechend geäußert.

    Gágyor: Insgesamt geht der Trend in Richtung größerer Praxen, die nicht selten zusätzlich zum ärztlichen Personal auch durch verschiedene medizinische Berufsgruppen besetzt sind und damit ein breiteres Versorgungsspektrum abdecken können.

    Tickt die nächste Mediziner-Generation anders? Stichwort Work-Life-Balance...

    Simmenroth: Ich finde es total richtig, wenn sie nicht mehr 60 oder 70 Stunden die Woche arbeiten wollen. Ich habe das früher teilweise machen müssen, das war schrecklich. Ganz viele Männer haben früher so gearbeitet und haben ihre Kinder nicht aufwachsen sehen. Das ging nur, weil die Frau in Vollzeit den Haushalt übernommen hat. Das ist heute nicht mehr das Modell. Auch Männer wollen Elternzeit nehmen – und das ist richtig so. Auch eine Hausarztpraxis kann so organisiert werden, dass Arbeitszeiten familienfreundlich sind. Mit mehreren Kollegen in einer "normalen" Hausarztpraxis zu arbeiten, ist eigentlich sehr attraktiv.

    Was ist von der Landarztquote zu halten, mit der Medizinstudierende einen strengen Numerus Clausus umgehen können?

    Simmenroth: Es ist zu früh für eine erste Bilanz. An der Auswahl sind wir nicht beteiligt, bei uns "ploppen" jedes Jahr im Oktober 12 bis 14 Landarztquoten-Studierende auf, die wir bislang gar nicht identifizieren durften. Nicht alle geben sich bei Veranstaltungen zu erkennen, etwa die Hälfte outet sich nicht. Da könnte man den Verdacht haben, dass man sich den Studienplatz sichern wollte und sich später von der Landarztverpflichtung freikauft. Die andere Hälfte dagegen ist hochmotiviert.

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