Es kommt nicht jeden Tag vor, aber es ist auch nichts Außergewöhnliches: Ein anonymes Schreiben erreicht die Redaktion. Oft geht es um tatsächliche oder vermeintliche Missstände, um Fehlverhalten einzelner Personen, um Dinge, die nach Meinung der Verfasser an die Öffentlichkeit gehören.
Anonyme Schreiben sind eine besondere Herausforderung. Dass die Verfasser nicht in Erscheinung treten, kann verschiedene Gründe haben, die für diese Redaktion aber nicht an erster Stelle stehen. Vielmehr geht es auch bei einer Information ohne Absender um die Frage, die für Journalisten immer am Anfang steht: Wie relevant ist das Thema?
Bei dem anonymen Brief zu den Vorgängen am Landratsamt Würzburg musste die Redaktion nicht lange überlegen. Ein Abteilungsleiter der Behörde soll Mitarbeiterinnen gemobbt haben. Verschiedene Fälle werden geschildert und ein weiter Vorwurf erhoben: Die Betroffenen seien mit ihren Beschwerden bei der Personalstelle nicht durchgedrungen.
Ein relevantes Thema, zweifellos. Aber stimmen die Vorwürfe? So detailliert, wie die Fälle in dem Schreiben auch geschildert sind - sie müssen auf ihre Substanz überprüft werden. Das geht nur mit mühsamer Recherche. Mindestens zwei voneinander unabhängige Quellen sollen für kontroverse Informationen zur Verfügung stehen, so sehen es
vor.Redakteur Thomas Fritz machte Betroffene ausfindig und glich ihre Aussagen mit dem Schreiben ab, weitere Informationen aus dem Landratsamt ergänzten das Bild. Zugleich galt es angesichts der Vorwürfe, der anderen Seite die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Redaktion stellte mehrfach Anfragen an Landrat Eberhard Nuß, seine Erklärungen sind in die Berichterstattung eingeflossen.
Anonyme Schreiben, das zeigte sich auch in diesem Fall, sind für die Redaktion eine wichtige Quelle. Zugleich können sie aber immer nur der Ausgangspunkt sorgfältiger journalistischer Arbeit sein.