Am Montag ist der Unterricht an den bayerischen Musikschulen wieder gestartet. Doch wie sieht die "neue Normalität" für die jungen Musiker aus? Wir haben uns mit Julia Erche, der Leiterin der Sing- und Musikschule Rottendorf, einer von drei kommunalen Musikschulen im Landkreis, darüber unterhalten. Sie verrät, warum die 312 Schüler, die dieses Jahr die Schule besuchen, auf die Krisen-Zeit besonders gut vorbereitet sind.
Frage: Musikunterricht und Mund-Nasen-Schutz passen schlecht zusammen.
Julia Erche: In der Tat. Mir liegt jedoch am Herzen, dass alle hier im Haus gesund bleiben. Das Virus ist ja weiter vorhanden, also arbeiten wir alle zusammen dran, dass es sich nicht ausbreiten kann. Masken sind auf den Fluren Pflicht. Für die Unterrichtsräume gibt es durchsichtige Scheiben, mit denen die Verteilung von gröberen Tröpfchen aufgehalten wird. Da können die Masken also abgelegt werden. Nach jedem Unterricht werden zehn Minuten lang alle Fenster im Raum geöffnet. In dieser Zeit werden auch alle Oberflächen desinfiziert.
Aber was ist mit den Blasinstrumenten oder Gesang. Sind das nicht wahre Virenschleudern?
Erche: Das hat uns viel Kopfzerbrechen bereitet. Lange war nicht klar, ob Blasinstrumente und Gesang ein besonderes Risiko darstellen. Man könnte meinen, es würde beim Spielen besonders viel Luft bewegt und Aerosole produziert. Glücklicherweise hat sich in Studien herausgestellt, dass die meisten Blasinstrumente keine erhöhte Verteilung dieser Aerosole zur Folge haben. Dennoch gibt es vorerst nur Einzelunterricht.
Was ist mit dem Gruppenunterricht, etwa den Bläserklassen?
Erche: Kaum jemand hat bei uns nur Gruppenunterricht, fast alle haben auch Einzelunterricht. Wir pflegen seit über zehn Jahren eine wunderbare Kooperation mit Musikvereinen und der Grundschule. Die Gruppenproben finden normalerweise im regulären Schulunterricht statt, den es ja noch nicht wieder gibt. Daher bekommen alle Schüler zum Einzelunterricht zusätzliche Materialien über unseren Youtube-Kanal angeboten.
Aber es gibt doch sicher auch mal einen Durchhänger?
Erche: Es war uns wichtig, miteinander im Kontakt zu bleiben. Etwas ganz besonderes finde ich unser Online-Angebot für die Gruppen der Elementaren Musikpädagogik, also die Kinder zwischen 1,5 und 7 Jahren. Sogar der Bürgermeister war nun schon dabei, wenn alle Kinder ihre Hände und Füße in die Kamera halten, um sich singend "hallo" zu sagen. Ich war am Anfang recht kritisch, stelle aber fest, dass gerade die jüngeren Kinder mit dem Format die geringsten Berührungsängste haben. Die positiven Rückmeldungen der Eltern zeigen, welch hohen Stellenwert der Unterricht in vielen Familien hat.
Wie verhindert die Schule, dass Schüler aus Familien, die finanziell unter der Krise zu leiden haben, nicht auf der Strecke bleiben?
Erche: Die Sing- und Musikschule Rottendorf legt größten Wert darauf, dass sie für alle Menschen zugänglich ist. Der Großteil unserer Kundschaft sind Familien, da ist es mehr als angebracht ein Auge drauf zu haben, dass der Unterricht machbar bleibt. Wir haben wochenlang Online-Unterricht angeboten. Der Unterrichtsbeitrag wird für die Zeit ohne Präsenz-Unterricht dennoch erstattet. Jetzt hat der Gemeinderat darüber hinaus beschlossen, für das kommende Schuljahr eine leicht zugängliche Möglichkeit zur Sozialermäßigung einzurichten – wir nennen es intern den "Corona-Tarif". Ich rechne damit, dass es für einige Familien schwierig werden wird, aber ich hoffe, dass diese sich auch trauen, die Ermäßigung zu beantragen.
Und die Lehrer?
Erche: Tja, da gab es zunächst mal große Angst und Unsicherheit, als allen das Ausmaß der Situation bewusst wurde. Bei uns im Haus wäre die Totalschließung oder die Kurzarbeit durch den enormen Einsatz der Lehrkräfte im Online-Unterricht nicht zu rechtfertigen gewesen. Bei Kollegen, die noch andernorts beschäftigt oder selbständig sind, war es dagegen teilweise schon dramatisch. Viele Musikschulen im Umkreis haben komplett geschlossen und die Honorarkräfte konnten nicht mehr bezahlt werden. Veranstaltungen und Konzerte entfallen auf Monate hin. Vorschläge wie "geh doch Spargel stechen, wenn Du Geld brauchst", waren da nicht hilfreich.
Frau Erche, verraten Sie uns, warum wir gerade auch in einer Zeit wie dieser Musik brauchen?
Erche: Ganz grundsätzlich ist Musik ein gesundheitsbildender, Freude schaffender Aspekt im Leben. Man kann ganz schwer gleichzeitig musizieren und sich Sorgen machen. Und man kann Gefühle ausleben und ausdrücken. Man spürt sich selbst und andere. Ich kann mir ein Leben ohne Musik kaum vorstellen.