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Frickenhausen: "Wie ein Roulettespiel": Wegen der steigenden Energiepreise bangt ein Frickenhäuser Bäcker um seinen Betrieb

Frickenhausen

"Wie ein Roulettespiel": Wegen der steigenden Energiepreise bangt ein Frickenhäuser Bäcker um seinen Betrieb

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    Bäcker Günther Stephan steht in der Backstube seiner Bäckerei in Frickenhausen bei Ochsenfurt. Er muss sich auf deutlich höhere Energiepreise einstellen.
    Bäcker Günther Stephan steht in der Backstube seiner Bäckerei in Frickenhausen bei Ochsenfurt. Er muss sich auf deutlich höhere Energiepreise einstellen. Foto: Daniel Peter

    Carmen Stephan steht hinter der Ladentheke in der gleichnamigen Bäckerei in Frickenhausen (Lkr. Würzburg) und verkauft Ware. Der frische Zwiebelkuchen ist noch warm, hinter ihr liegen verschiedene Brote in der Auslage. Ein Kunde nach dem anderen kommt vorbei, für manche hat sie die Bestellung "wie immer" schon zurechtgelegt, Brötchen und Bildzeitung.

    "Brot ist ein Grundnahrungsmittel"

    Wie gedrückt die Stimmung der Bäckerfamilie ist, merkt man ihr nicht sofort an. "An manchen Tagen habe ich Tränen in den Augen, an anderen kann ich darüber lachen", sagt die 55-Jährige. Denn die Preise für Energie und Rohstoffe steigen und steigen. "Ich bin jetzt das dritte Mal dabei, alle Preise raufzusetzen", erzählt sie und hantiert mit Preisschildern. "Es ist mit selbst sehr unangenehm. Brot ist ein Grundnahrungsmittel, wo soll das noch hinführen?"

    Der Laden ist das einzige Geschäft in Frickenhausen, in dem es noch frische Lebensmittel für die rund 1200 Einwohnerinnen und Einwohner gibt. Neben den Backwaren in der Auslage gibt es einen Kühlschrank mit Lebensmitteln: Schlagsahne, Wurst, Käse.

    "Brot ist ein Grundnahrungsmittel, wo soll das noch hinführen?"

    Carmen Stephan, Verkäuferin in der Bäckerei Stephan

    Bisher halten sie und ihr Mann, Bäckermeister Günther Stephan, die Preise noch einigermaßen stabil. Das normale Weizenmischbrot kostet nun 2,10 Euro statt 2 Euro, das Brötchen 45 statt 40 Cent im Vergleich zu Beginn des Jahres. Der Preis für das Mehl habe sich verdoppelt, sagt Günther Stephan. "Quark und Sahne genauso. Torten mache ich so gut wie gar nicht mehr, das ist mir zu teuer. Da müsste dann den ganzen Tag die Kühlung laufen. Da fange ich an zu sparen."

    Auch seine berühmten Müslistangen fertigt er nicht mehr, solange er keine Walnüsse von den eigenen Bäumen hat. Sie einzukaufen sei schlicht zu teuer, um noch bezahlbare Ware herzustellen. "Von solchen Artikeln muss ich mich verabschieden."

    Durch Kurzarbeit hat der Bäcker Corona überstanden

    Corona hat der Betrieb überstanden, vor allem dank der unkomplizierten Kurzarbeitsregelung, erzählt Günter Stephan. Jetzt sitzen dem Bäcker die Strompreise im Nacken. Sein Backofen heizt elektrisch, bis Ende des Jahres habe er einen festen Stromvertrag.

    Die Abschläge lagen bisher bei 700 Euro, sagt er. Doch für die Zeit von Januar an fand er zunächst als günstigstes Angebot nur einen Tarif mit einem Abschlag von 1750 Euro. Dafür müsste er täglich 40 bis 50 Euro mehr Umsatz machen. "Wir sind ja nur Dorfbäcker", sagt Stephan. 

    Also erhöht er peu à peu die Preise, um einen Puffer aufzubauen. In der Hoffnung, die Zeit bis ins Frühjahr beim Grundversorger überbrücken zu können – um dann einen etwas günstigeren Stromvertrag als befürchtet zu bekommen. Am Nachmittag nach dem Gespräch mit dieser Redaktion erreichte ihn ein Angebot für einen Stromtarif, bei dem der Abschlag bei rund 1000 Euro liegt. Doch er will noch abwarten.

    "Das ist wie ein Roulettespiel", findet Günther Stephan.  Die Unsicherheit ragt ins Privatleben hinein: Ob er den gekauften Bauplatz halten, die Tochter dort bauen kann, ist unsicher: "Die Baukosten laufen davon, die Zinsen laufen davon. Ich weiß nicht, wie es hier weitergeht und was ich meiner Tochter raten soll."

    Carmen und Günther Stephan stehen an der Ladentheke ihrer Bäckerei. Über Robert Habecks Äußerungen in der ARD-Sendung "Maischberger" sind sie wütend.
    Carmen und Günther Stephan stehen an der Ladentheke ihrer Bäckerei. Über Robert Habecks Äußerungen in der ARD-Sendung "Maischberger" sind sie wütend. Foto: Daniel Peter

    Von der Politik fühlt sich der Frickenhäuser im Stich gelassen. "Ich befürchte, dass die Regierung unfähig ist, dem Mittelstand unter die Arme zu greifen", sagt er. Die Wut merkt man ihm deutlich an. Gefragt nach der Aussage von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), wonach der keine Insolvenzwelle, aber gegebenenfalls vorübergehende Betriebsruhen erwartet, verlässt Carmen Stephan gar den Raum. "Ist der Mann geistig noch beieinander?", fragt ihr Mann. "Ein Betrieb hat laufende Kosten, die Löhne laufen weiter. Ich habe einen Ofen für 60.000 Euro, der will bezahlt sein." 

    Habecks Fauxpas bei Sandra Maischberger

    Habeck habe in der ARD-Sendung "Maischberger" den Unterschied zwischen Insolvenzverfahren und "stillen Betriebsaufgaben" verdeutlichen wollen, erklärte das Ministerium später gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Doch bei den Bäckerinnen und Bäckern kam das nicht gut an. "Diese Aussage ist sehr weltfremd", urteilt der Obermeister der Bäckerinnung Mainfranken, Wolfgang Rhein aus Acholshausen (Gaukönigshofen, Lkr. Würzburg). "Ich weiß nicht, wovon die träumen." 

    "Ich befürchte, dass die Regierung unfähig ist, dem Mittelstand unter die Arme zu greifen."

    Günther Stephan, Bäckermeister

    Auch er bekomme von den Innungsmitgliedern mit, wie sehr die Steigerungen der Energie-, Sprit- und Rohstoffpreise sie belasten. "Wenn das eine Sache ist, die teurer wird, geht das. Aber es summiert sich jetzt", sagt Rhein. Die Kosten könne man nicht einfach umlegen, "weil die Leute das Geld auch nicht haben. Und wenn man die Preise einfach weitergibt, gehen die Leute zum Discounter." Er gehe davon aus, dass es sich noch etwas hinzieht – aber dass einige Betriebe bald schließen dürften.

    Christian Englert, Inhaber der Bäckerei Brandstetter, sitzt in seinem Café in der Marktgasse in Würzburg (Archivbild).
    Christian Englert, Inhaber der Bäckerei Brandstetter, sitzt in seinem Café in der Marktgasse in Würzburg (Archivbild). Foto: Daniel Peter

    Auch bei der Bäckerei Brandstetter, die in Würzburg fünf Filialen betreibt, ist die Stimmung schlecht. "Nächstes Jahr geht es definitiv in die Existenzbedrohung", sagt Inhaber Christian Englert. Seine von langer Hand geplante Investition, bei der er einen Gas- durch einen Elektroofen austauschte, ging nach hinten los.

    Für den Elektroofen brauche er einen stärkeren Hausanschluss, dafür könne er Strom nur am Spotmarkt einkaufen, wo die kurzfristig lieferbaren Strommengen gehandelt werden. "Da ist der Arbeitspreis fünf- bis achtmal so hoch. Damit ist für uns diese Investition, die sich amortisieren sollte, eine Vollkatastrophe", so der Bäcker. Für die verbliebenen vier Gasöfen könne er ebenfalls nur noch am deutlich teureren Spotmarkt einkaufen. 

    Höhere Löhne, Spritpreise, Kaufzurückhaltung

    Die einzigen Stellschrauben: Preise und Betriebsabläufe. Letztere will Englert weiter rationalisieren, sofern das überhaupt noch möglich ist. "Wir können keine zwei oder drei Bleche mehr backen. Wir schauen, dass wir die Öfen voll kriegen", berichtet Englert. Also 18 oder 30 Bleche. Die Preise für seine Waren habe er schon wegen der gestiegenen Rohstoffpreise erhöht, sagt der Bäcker.

    Dazu habe er höhere Löhne ausgezahlt und mehr für den Sprit der Lieferfahrzeuge ausgeben müssen. Seit Beginn der schnellen Inflation merke er außerdem eine deutliche Kaufzurückhaltung. "Wir haben acht bis neun Prozent weniger Kunden", so Englert. Und die Reserven? Die gingen wegen Corona drauf. 

    "Ich hab noch zwanzig Jahre vor mir und weiß aktuell nicht, wie ich sie noch bestreiten soll."

    Christian Englert, Inhaber von der Bäckerei Brandstetter

    Der Inhaber hängt mit seinem Privatvermögen am Betrieb. "Ich hab noch zwanzig Jahre vor mir und weiß aktuell nicht, wie ich sie noch bestreiten soll. Ich möchte keine Almosen, aber ich hoffe, dass wir wieder zu vernünftigen Preisen Energie kaufen können, dass die Märkte wieder ins Lot kommen. Da muss eingegriffen werden."

    Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks hat sich längst an die Politik gewandt, um Unterstützung in Sachen Energiepreise zu erhalten, etwa mit einem Schreiben an die Minister Lindner und Habeck sowie Kanzler Scholz – schon im März. Nach dem Fauxpas bei Maischberger verkündete Habeck am Dienstag, so schnell wie möglich Zuschüsse für die Gas- und Stromkosten auch fürs Handwerk öffnen zu wollen.

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