Kathrine Switzer war die erste Frau überhaupt, die bei einem Marathon – 1967 in Boston – durchs Ziel ging. Ihre Startnummer musste sie sich damals allerdings unter verdecktem Namen holen.
. Denn: Frauen waren zu dieser Zeit offiziell nur zu Wettkämpfen bis 800 Meter zugelassen. Seinerzeit glaubten die Sportfunktionäre tatsächlich, dass Frauen körperlich nicht in der Lage seien, einen Marathon zu bewältigen. Einige glaubten sogar, sie würden einen Schnurrbart bekommen oder ihnen könnte die Gebärmutter herausfallen – wilde Fantasien, teils auch, um den Mythos männlicher Stärke und Überlegenheit im Sport aufrechtzuerhalten.Frauen haben weniger Muskulatur – und dadurch weniger zu schleppen
Dass Frauen und Männer gleichberechtigt bei einem Marathon mitlaufen dürfen, ist heute selbstverständlich. Gleichwohl gibt es bei trainierten Frauen und Männern durchaus Unterschiede in der körperlichen Konstitution, die sich auch auf das Laufen auswirken, erklärt Natascha Kissling, Mannschaftsärztin der s.Oliver Baskets und des Nachwuchsleistungszentrums der Würzburger Kickers: „Männer haben eine größere Muskulatur, einen kraftvolleren Laufstil und eine deutlich bessere Sauerstoffversorgung“, so die Ärztin beim Laufforum der Main-Post.

Die biologischen „Nachteile“ könnten Frauen ihrerseits wiederum ausgleichen: „Sie haben zwar weniger Muskeln, sind dafür aber wesentlich leichter und müssen dadurch weniger Masse über die Strecke transportieren.“ Kissling spricht auch von einem „gazellenhaften“ Laufstil der Frauen: Durch das geringere Körpergewicht der Läuferinnen sei die Belastung der Gelenke beim Aufkommen des Fußes außerdem wesentlich geringer. Hinzu kommt: Frauen machten meist kleinere und dadurch mehr Schritte als Männer – das senkt zwar die Laufgeschwindigkeit, spart jedoch auch Energie.
Auf Sprintstrecken haben Frauen bislang keine Chance gegen die schnellsten Männer zu gewinnen – auch weil Männer wesentlich mehr Muskelfasern ausbilden, erklärt Kissling: „Rein organisch können Frauen das Niveau der Männer erreichen; von der Konstitution her jedoch nicht.“ Je länger jedoch die Distanz, desto geringer werde der Unterschied: Über 1000 Meter auf der Bahn sind die schnellsten Männer noch ungefähr elf Prozent schneller als die schnellsten Frauen. Beim Marathon sind es noch neun Prozent. Im Ultra-Bereich, also bei Strecken von 100 Kilometern und mehr, können Läuferinnen mit ihren männlichen Kollegen durchaus mithalten – oder überholen sie sogar.
Auch Christoph Hoffmann, langjähriger Vorsitzender der Laufgemeinschaft Würzburg und selbst erfolgreicher Marathonläufer (Bestzeit 2:32 h) weiß um die Unterschiede der Geschlechter – auch bei der Renneinteilung: „Frauen laufen den halben oder vollen Marathon tendenziell gleichmäßiger und konstanter als Männer.“ Entsprechend bilden sich bei Wettkämpfen häufig Männertrauben um schnelle Frauen.
Laufcoach Diekow: „Spaßfaktor hat bei Frauen einen höheren Anteil“
Also unterscheiden sich Männer und Frauen nicht nur körperlich, sondern auch mental beim Laufen? Ja, sagt Laufcoach Jan Diekow: „Der Spaßfaktor hat nach meinem Eindruck einen deutlich höheren Anteil als bei Männern – zumindest im Nicht-Leistungsbereich.“ Männer würden darüber hinaus eher dazu neigen, sich über Zahlen zu vergleichen – bei Frauen sei das anders: „Das macht die Unbefangenheit und Lockerheit bei den Läuferinnen aus“, so Diekow. Zudem besäßen Frauen von Natur aus eine „höhere Leidensfähigkeit“ als Männer. In seinen Laufgruppen gebe es einen deutlichen Zuwachs an Frauen. Was ihm aber auch auffällt: „Sie sind immer im Training zu sehen, aber nicht in den Wettbewerben.“
Ist der Leistungsdruck ein Grund dafür, warum Frauen lieber bei sogenannten Frauenläufen mitmachen? Die Veranstaltungen boomen. So startete erst im vergangenen Jahr in Augsburg der erste Frauenlauf. Vor wenigen Tagen gingen dort in der zweiten Auflage über 800 Läuferinnen an den Start.Ebenfalls zum zweiten Mal stieg Mitte Mai der Frauenlauf im unterfränkischen Wollbach (Lkr. Rhön-Grabfeld) mit knapp 500 Teilnehmerinnen.
Frauenläufe werden wichtiger, findet auch Karin Bauer, Leiterin der Tourist-Information Bad Brückenau (Lkr. Bad Kissingen).
, der auf die Folgen von Brustkrebs aufmerksam machen möchte. Seit der Premiere 2011 habe sich die Zahl der Teilnehmerinnen mehr als verdreifacht, erklärt Bauer: „Die Frauen können hier ganz ohne sportlichen Leistungsdruck laufen. Diese Freiheit ist die, die Spaß macht.“ Für viele Frauen würden außerdem auch der soziale Aspekt und der Spaß am gemeinsamen Bewegen eine wichtige Rolle spielen. Gerade Einsteigerinnen würden sich in einem reinen Frauenrennen, wo sie unter sich bleiben können, wohler fühlen, fügt Alexandra Krohnen, Bezirksfrauenvertreterin beim Bayerischen Landessportverband, hinzu. Die Leistung sei dabei für viele sekundär.Frauen und Männer motivieren sich gegenseitig beim Training
Dass das nicht auf alle Läuferinnen zutrifft, weiß auch Günter Herrmann, Vorsitzender des Würzburger Stadtmarathon-Vereins. 2005 rief er in Würzburg den ersten Frauenlauf ins Leben. Ein Beispiel nahm er sich dabei an den durchaus leistungsorientierten und erfolgreichen Frauenläufen in Berlin. Nachdem die Veranstaltung im ersten Jahr überaus erfolgreich anlief, fehlte es im zweiten Jahr an Teilnehmerinnen.
Warum? „Bereits nach der ersten Veranstaltung haben ganz viele Frauen gesagt, dass sie es blöd finden, wenn beispielsweise der Partner nicht mitgehen kann“, erklärt Herrmann. Ob Frauen also lieber unter sich oder gemischt, zum Spaß oder aus sportlichem Ehrgeiz laufen gehen, lässt sich nicht ohne weiteres beantworten.
Bei „gemischten“ Läufen könne man aber durchaus einen positiven Effekt zwischen Männern und Frauen beobachten, erklärt Thomas Frobel vom Sport Institut Predia in Würzburg, ebenfalls Experte beim Main-Post-Laufforum. Beide Geschlechter würden sich wechselseitig stimulieren und dadurch motivieren – diesen positiven Effekt nutze er auch bei seinem Trainingsprogramm: „Frauen sind oft froh, wenn sie sich beim Laufen unterhalten können. Die Männer fangen dann auch meist an zu quatschen. Das heißt für uns: Sie befinden sich in einem guten Stoffwechselbereich.“ Oftmals hätten Männer außerdem auch ein Problem damit, wenn eine Frau sie beim Laufen überhole. Das gemeinsame Training helfe den Männern dabei, lockerer zu werden.
Frauenläufe in Deutschland
Die Teilnehmerzahlen steigen, neue Frauenläufe schießen aus dem Boden. Der größte in Deutschland findet in Berlin statt. Zuletzt gingen Ende Mai fast 18 000 Läuferinnen auf die 5- oder 10-km-Strecke oder machten beim Walking mit. Seinen Ursprung hat der Berliner AVON-Frauenlauf ausgerechnet am Vatertag 1984 mit damals 645 Debütantinnen.
Frauenläufe in nächster Zeit:
• 29. Juli: Ladies Run Dortmund • 4. August: Women´s Run Köln • 19. August Ladies Run Leipzig • 26. August Ladies Run Wiesbaden • 26. August Rostocker Frauenlauf • 1. September Frauenlauf Saarlouis • 1. September Frauenlauf Schwerin • 8. September Women´s Run München (mit Halbmarathon) • 8. September Frauenlauf Ludwigshafen • 9. September Frauenlauf Bremen • 15. September Frauenlauf Dresden • 23. September Frauenlauf Vogt