So viel steht fest: Der Kardinal-Faulhaber-Platz in Würzburg muss einen neuen Namen bekommen. Am 20.Oktober hatte der Stadtrat überraschend deutlich entschieden, den nach Michael Kardinal von Faulhaber (1869-1952) benannten Platz wegen der Rolle des Kirchenmannes in der NS-Zeit umzubenennen. Noch in der damaligen Sitzung hatte Würzburgs dritte Bürgermeisterin Judith Jörg (CSU) die am 5. Oktober verstorbene CSU-Politikerin Barbara Stamm als mögliche neue Namensgeberin für den Platz ins Spiel gebracht.
Nun hat auch die SPD-Stadtratsfraktion bei dem Thema den Ball aufgenommen und zur Stadtratssitzung an diesem Donnerstag einen eigenen Antrag für einen neuen Platz-Namen vorgelegt. Demnach solle der Stadtrat beschließen, dass der Platz künftig den Namen "Theaterplatz" trägt. "Mit der Umbenennung in Theaterplatz würdigt der Stadtrat die Arbeit des Mainfranken Theaters und macht durch eine thematische Gestaltung niedrigschwellige Werbung für den nächsten Theaterbesuch", heißt es in der Begründung des Antrags, der von allen vier SPD-Stadtratsmitgliedern unterzeichnet ist.
CSU stellt in dieser Sitzung noch keinen Antrag
Entschieden wird in der Sache an diesem Donnerstag wohl nicht. Die Verwaltung empfiehlt zunächst, den Antrag weiterzuverfolgen, inhaltlich solle sich der Stadtrat später damit befassen. Zunächst wird der Vorschlag wohl in der Arbeitsgruppe Straßenbenennung landen, einem Gremium aus Stadtratsmitgliedern und Fachleuten.

Und wie geht es mit einem möglichen Barbara-Stamm-Platz weiter? Einen offiziellen Antrag Jörgs dazu gibt es bisher nicht, und es wird ihn auch in der Stadtratssitzung an diesem Donnerstag noch nicht geben. "Ich stehe gerade mit unterschiedlichen Kollegen im Austausch, da ich den Antrag auf möglichst breite Beine stellen will", sagt Judith Jörg auf Anfrage der Redaktion. "Es besteht aber auch keine Eile, weil die nächste Sitzung der AG Straßenbenennung erst im Januar terminiert ist."
"Wir halten es für richtig, eine Karenzzeit zu haben, um die Person auch geschichtlich einordnen zu können."
Alexander Kolbow, SPD-Fraktionsvorsitzender
Auch wenn Barbara Stamm als Persönlichkeit parteiübergreifend geschätzt wurde, steht einer zeitnahen Benennung des Faulhaber-Platzes nach ihr eine Richtlinie der Stadt Würzburg entgegen. Darin sind die Kriterien zur Benennung von Straßen und Plätzen festgelegt, die unter anderem vorsehen, dass eine Benennung nach Personen "grundsätzlich erst drei Jahre nach deren Tod zulässig" ist.
Ob im Falle Barbara Stamms davon abgewichen werden kann, ist umstritten. Während Jörg das für kein Problem hält und auf Stamms Ehrenbürgerschaft hinweist, ist SPD-Fraktionschef Alexander Kolbow dagegen, von dieser Regel abzuweichen. "Wir halten es für richtig, eine Karenzzeit zu haben, um die Person auch geschichtlich einordnen zu können. Das hat nichts mit Barbara Stamm zu tun, das würden wir bei jeder anderen Person auch so sehen."

Nachdenkliche Töne schlägt in dieser Frage auch Würzburgs Stadtheimatpfleger Hans Steidle an. "Barbara Stamm ist auf jeden Fall eine Persönlichkeit, nach der man einen Platz oder eine Straße benennen kann. Was ich von ihr mitbekommen habe, ist, dass sie einer Ausnahmeregelung für ihre Person gar nicht zugestimmt hätte, sie war nicht eitel."
"Wie der Stadtrat vorgehen will, muss er selbst diskutieren. Am einfachsten macht er es sich, wenn er sich an die Regeln hält."
Hans Steidle, Stadtheimatpfleger Würzburg
Würde diesmal von der Drei-Jahres-Regel abgewichen, befürchtet Steidle, der auch Mitglied der Würzburger Straßennamenkommission war, einen Präzedenzfall. "Man muss dann damit rechnen, dass das dann einen Vorbild-Charakter bekommt. Das Prinzip der drei Jahre gewährleistet einen vernünftigen Abstand zu dem Verstorbenen", sagt Steidle. "Wie der Stadtrat vorgehen will, muss er selbst diskutieren. Am einfachsten macht er es sich, wenn er sich an die Regeln hält."
Deutscher Städtetag empfiehlt Frist von fünf Jahren
Achim Könneke ist als Würzburgs Kulturreferent von Berufs wegen mit dem Thema befasst und hatte die Straßennamenkommission geleitet. Auch er hält Barbara Stamms Verdienste für "absolut unbestritten". Beim Thema Platz- oder Straßenbenennung gebe es aber "aus guten Gründen" die Regel, dass eine Benennung frühestens drei Jahre nach dem Tod erfolgen soll.

"Die Regel soll verhindern, dass Benennungen, die ja für Generationen Gültigkeit behalten sollen, bewusst nicht aus emotionaler Betroffenheit erfolgen. Angesichts der Würzburger Erfahrungen mit Straßenumbenennungen halte ich es für angemessen, wenn der Stadtrat – und damit die Politik – gerade bei einer Politikerin diese selbst gesetzte Regel beachtet", so Könneke auf Anfrage der Redaktion. Allerdings sei der Stadtrat natürlich frei, einen anderen Beschluss zu fassen.
Mit der Drei-Jahres-Frist bleibt Würzburg übrigens deutlich unter einer Empfehlung des "Ständigen Ausschusses für geographische Namen", auf die auch der Deutsche Städtetag Bezug nimmt: In einer im April 2021 veröffentlichten Handreichung mit dem Titel "Straßennamen im Fokus einer veränderten Wertediskussion" werden als Karenzzeit fünf Jahre empfohlen.