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WÜRZBURG: Wie wirkt sich ein Nationalpark aus?

WÜRZBURG

Wie wirkt sich ein Nationalpark aus?

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    _ Foto: DIRSCHL.com GmbH (iStockphoto)

    Als Hubert Job vor 14 Jahren in das Berchtesgadener Land kam, um zum ersten Mal die regionalwirtschaftlichen Effekte eines deutschen Nationalparks zu ermitteln, da schüttelten die Leute vor Ort noch den Kopf. Über zwei Jahrzehnte gab es den Nationalpark Berchtesgaden damals schon. Aber er war noch immer angefochten von den Verantwortungsträgern. Lokalpolitiker und Touristiker gaben nicht viel auf ihn. Ihr Tenor: „Der Nationalpark? Der bringt nichts, der verscheucht eher die Leute.“

    „Die Ergebnisse haben eingeschlagen“

    Die Zahlen, die der Geografieprofessor und seine Mitarbeiter mit ihrer kleinen Pilotstudie erfassten, zeigten indes schnell etwas anderes: „Die Ergebnisse haben eingeschlagen“, erzählt Hubert Job im Rückblick. „Der Landrat war ganz glücklich. Und die Bürgermeister sagten, naja, das hätten wir gar nicht gedacht.“ Denn in den Befragungen der Geografen hatten damals schon gut zehn Prozent der Besucher angegeben, allein wegen des Nationalparks in die Region zu kommen. Obwohl der in Gästebroschüren, in der Werbung der Urlaubsregion, im öffentlichen Auftreten der Gemeinden überhaupt keine Rolle spielte zu dieser Zeit.

    Besucherzahlen gestiegen - vor allem die der Touristen, die nur wegen der Natur kommen

    Längst hat sich das geändert. Die neue Generation Bürgermeister weiß, was sie am Nationalpark hat, und die Parkverwaltung betreibt eine rege wie erfolgreiche „Kommunikationspolitik“. Als Job vor zwei Jahren die Studie von 2002, das allererste sozio-ökonomische Monitoring, wiederholte, ergab sich ein verändertes Bild: Die Besucherzahlen waren beträchtlich gestiegen, vor allem die der Nationalparktouristen im engeren Sinn, die nicht nur beiläufiges Interesse an Natur haben. Waren vor 14 Jahren rund 114 000 Besucher wegen des Nationalparks in die Region Berchtesgaden gekommen, so waren es 2014 bereits 438 000 – ein gewaltiger Zuwachs von gut 280 Prozent.

    Zwar höre er heute von manchen Einheimischen, besonders den älteren, immer wieder Detailkritik – zum Beispiel über gefühlt zu viel Totholz am Wegesrand. Doch, sagt Job: „Die Ramsauer, Königseer, Berchtesgadener und die restliche Region lieben und stehen zu ihrem Nationalpark, und das ist gut so.

    “ Der Borkenkäfer ist schon lange kein Thema mehr, und der Regionalforscher sagt: „Ohne den Nationalpark wären alle ärmer, die Natur, der Naturschutz, aber auch die Menschen, seien sie Einwohner, Gewerbetreibende oder Besucher.“

    Hubert Jobs Job: Umfassende und ausgiebige Erstuntersuchung aller deuschen Nationalparks

    Die kleine Studie im Alpenschutzgebiet war für Job nur der Anfang. Finanziert vom Bundesumweltministerium, ging es 2004 mit einer größeren Untersuchung im Nationalpark Müritz weiter. Und dann hoch im Norden am Wattenmeer, in der Vorpommerschen Boddenlandschaft, im ältesten Gebiet Bayerischer Wald, im Hainich, im Harz. Bis heute haben Job und seine Mitarbeiter mit Kollegen aus München alle deutschen Nationalparke ausgiebig erfasst, die Analyse des 16. und jüngsten im Hunsrück-Hochwald steht kurz vor dem Abschluss. Dazu kommen die Biosphärenreservate, bis 2019 sollen auch sie komplett untersucht sein.

    Es ist eine gewaltige Datenerhebung. Für ihre erste kleine Studie in Berchtesgaden hatten die Forscher damals 10 000 D-Mark bekommen. „Inzwischen sind das ganz andere Größenordnungen“, sagt Job. „Eine fundierte Regeluntersuchung mit vielen wissenschaftlichen Teilaspekten kostet so um die 100 000 Euro.“

    Aber die Beobachtungen sind international gefordert. Zunächst war es nur um die Langzeitbeobachtung der Biodiversität und Artenvielfalt gegangen. Seit 2007 aber gilt die Auflage, auch die sozio-ökonomischen Auswirkungen von Schutzgebieten zu erforschen. Gibt es Tourismus, und ist er positiv oder eher negativ? Schadet er dem Gebiet oder trägt er zur Regionalwirtschaft bei? Wie entwickelt sich die Bevölkerung im und am Schutzgebiet? Wandert sie ab, bleibt sie stabil?

    Standardmethode entwickelt für ein Monitoring aller Schutzgebiete

    Die Geografen haben bei ihren Ersterhebungen eine Standardmethode entwickelt, ab 2020 soll damit vom Bund aus ein großes Monitoring-Programm in allen Großschutzgebieten betrieben werden. Mit zwei Dutzend vor allem ökologischer Indikatoren: Wie viel Steinadler sind da, wie ist die Laufkäfer-Population? Aber eben auch: Welche Effekte hat das Schutzgebiet für Wirtschaft und Gesellschaft?

    „Es ist trivial“, sagt Job, „ohne den Menschen bräuchte es ja auch die Schutzgebiete nicht.“ Das vorrangige Ziel aller Nationalparke, betont der Inhaber des Lehrstuhls für Geografie und Regionalforschung, seien nicht Tourismus und Regionalförderung, nicht Naturerlebnis für Städter, Erholungswert für Einheimische oder Umweltbildung. Sondern überall und immer gelte zuallererst, die Natur zu schützen und die Entwicklung einer neuen Wildnis zu fördern. Eigentlich müsse das ein Wert für sich und Grund genug sein, sagt Job. „Aber wir leben in einer pekuniär orientierten Gesellschaft, die Entscheidungsträger in der Politik wollen harte Zahlen sehen.“

    Wie viel Besucher kommen? Wie langen bleiben sie? Wo geben Sie wie viel Geld aus?

    Und da sind die Geografen gefragt. Die Effekte eines Nationalparks auf eine Region in Euro und Cent auf den Punkt zu bringen – „nicht so einfach“, sagt Job. „Wir versuchen auch immer, konservativ zu rechnen.

    “ Vor allem zwei Faktoren sind entscheidend: Wie viele Besucher hat ein Nationalpark pro Jahr? Und wie viel geben die Gäste während ihres Aufenthaltes aus? Aber da wird es schon schwierig. Sind die Besucher Tagestouristen oder bleiben sie zwei Wochen? Geben sie das Geld am oder im Nationalpark aus oder, wie in Berchtesgaden, zum Beispiel beim Ausflug nach Salzburg? Wollen sie wandern oder nur ein bisschen spazierengehen? Kommen sie wegen der Natur oder – wie im Bayerischen Wald – der Attraktion Baumwipfelpfad? Sind sie aktive Ökotouristen, ruhesuchende Erholungsurlauber oder Vergnügungsausflügler?

    Wie viel Eintritt würden Besucher zahlen?

    Welche Wertschätzung mit dem Begriff Nationalpark verbunden ist, lasse sich an der hypothetischen Zahlungsbereitschaft ablesen, sagt Job. Wären die Besucher bereit für den (kostenfreien) Nationalpark Eintritt zu bezahlen und wie viel? In Berchtesgaden sei die grundsätzliche Bereitschaft der Gäste leicht auf 63,2 Prozent angestiegen. Im Jahr 2002 hätten die Besucher durchschnittlich 2,82 Euro Eintritt gerne gezahlt, 2014 wären sie mit 4,26 Euro einverstanden gewesen. Hochgerechnet mit der Besucherzahl von fast 1,6 Millionen im Jahr ergibt sich nach Jobs Rechnung für den Alpennationalpark ein „Wertschätzungsbeitrag“ von 6,74 Millionen Euro.

    Nach vielen wissenschaftlichen Einzeluntersuchungen in den vergangenen Jahren sagt Job, dass von einem Nationalpark nicht auf den anderen geschlossen werden könne. Ins Schleswigholsteinische Wattenmeer kommen solvente Norweger, ins niedersächsische Wattenmeer wohlhabende Schweizer, der Bayerische Wald ist etwas für „grünere“ Urlauber. In den Alpennationalpark kommt der Tourist aus Asien, der eben mal über den Königssee fährt, den Watzmann fotografiert und wieder weg ist. Und ein dritter bayerischer Nationalpark in Franken ist vielleicht für den Holländer interessant, der auf dem Weg an die Adria kurz von der Autobahn abfährt und im Wald Torte isst. „Das ist dann“, sagt Job, „so wie der Baumwipfelpfad im Steigerwald eine coole Alternative zur Raststätte.“

    Einkommen für 2100 Menschen in der Region

    Was die Geografen zum Alpennationalpark sagen können: Allein durch die Nationalparkbesucher im engen Sinne ergeben sich „Einkommenseffekte in Höhe von 12,9 Millionen Euro“ pro Jahr. Das entspreche 573 Einkommen in der Region – ein Vielfaches der Personalkosten des Freistaates für die Parkverwaltung mit 100 Mitarbeitern in Voll- und Teilzeit.

    Und rechnet man die sonstigen Touristen mit ein, die eben auch noch im Nationalpark vorbeischauen, ergeben sich laut Job wirtschaftliche Effekte von 47,5 Millionen Euro im Landkreis – umgerechnet also Einkommen von 2100 Menschen außerhalb des Parks.

    Der Alpen-Nationalpark an der Kapazitätsgrenze

    Hubert Jobs Bilanz für Berchtesgaden: „Der Nationalpark braucht keinesfalls noch mehr Besucher, weder für die Existenzberechtigung noch für seine Bedeutung in der Regionalwirtschaft.“

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