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Würzburg: Wie Würzburger Frauen für Gleichberechtigung gekämpft haben

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Wie Würzburger Frauen für Gleichberechtigung gekämpft haben

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    Frauen stehen in einer Schlange vor einem Wahllokal: Im November 2018 wurde das Frauenwahlrecht per Gesetz in Deutschland beschlossen. Am 15. Juni 1919 wurden in Würzburg erstmals Frauen in den Stadtrat gewählt. 
    Frauen stehen in einer Schlange vor einem Wahllokal: Im November 2018 wurde das Frauenwahlrecht per Gesetz in Deutschland beschlossen. Am 15. Juni 1919 wurden in Würzburg erstmals Frauen in den Stadtrat gewählt.  Foto: dpa

    "Dem Reich der Freiheit werb' ich Bürgerinnen", unter diesem Motto brachte Louise Otto-Peters am 21. April 1849 das erste politische Frauenmagazin heraus. Sie kämpfte für Frauenrechte. Für eine Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Politik. Was heute unvorstellbar ist, war damals gang und gäbe: Frauen durften keine Mitglieder in politischen Vereinen sein, sich nicht politisch betätigen und nicht einmal bei Veranstaltungen dabei sein, wenn dort politische Themen behandelt wurden. Erst am 15. Juni 1919, also vor genau 100 Jahren, war es auch in Würzburg so weit: Die ersten Frauen wurden in den Stadtrat gewählt. 

    Ein Rückblick: Am 9. November 1918 ruft der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann von einem Balkon des Reichstagsgebäudes in Berlin die erste deutsche Republik aus. Drei Tage später kündigt der Rat der Volksbeauftragten - die provisorische Regierung bis zu den ersten Wahlen - eine Wahlrechtsreform an, wonach künftig alle Frauen und Männer ab 20 Jahren wahlberechtigt sind. Es ist die Geburtsstunde des Frauenwahlrechts in Deutschland. 

    Philipp Scheidemann rief am 9. November 1918 in Berlin die erste deutsche Republik aus.
    Philipp Scheidemann rief am 9. November 1918 in Berlin die erste deutsche Republik aus. Foto: dpa

    Der Kampf um Gleichberechtigung begann mit Frauenheil

    Doch bis dahin war es ein harter und langer Weg. In Würzburg begann der Kampf um Gleichstellung mit der Gründung eines Frauen-Bildungsvereins. Frauen aus dem Adel und gehobenen Bürgertum gründeten im Mai 1898 den Bildungsverein Frauenheil. Baronin Auguste Johanna Groß von Trockau übernahm bis 1904 den Vorsitz des Vereins, zweite Vorsitzende war die Bankiersfrau Emma Heim. Der Verein hatte laut seiner Satzung "die Förderung höherer Bildung des weiblichen Geschlechts und der Erwerbsfähigkeit der auf eigenen Unterhalt angewiesenen Frauen" zum Ziel.

    "Und das ist ihm hervorragend gelungen", weiß die Würzburger Historikerin Dorothee Klinksiek, die unter anderem an der städtischen Broschüre "Würzburgerinnen machen Politik" mitgewirkt hat: "1900 mit der Gründung der Sophienschule auf Mit-Initiative von Vereinsmitgliedern." Es war die erste nicht-konfessionelle Mädchenschule in Würzburg und die erste, die mit dem Ziel gegründet wurde, mehr als die damals übliche Bildung für "höhere Töchter" zu vermitteln.

    "Der Verein kämpfte dafür, dass Frauen höhere Abschlüsse machen und an Hochschulen studieren durften, aber auch für die Anerkennung von Ausbildungsberufen als Zugangsvoraussetzung und für die Erlaubnis berufstätig zu sein, um für sich selbst sorgen zu können", erzählt die ehemalige Würzburger Oberbürgermeisterin Pia Beckmann. Von 2002 bis 2008 war sie das erste und bislang einzige weibliche Oberhaupt der Stadt.

    Die Sophienschule in Würzburg wurde auf Mit-Initiative von Frauenheil-Mitgliedern gegründet und war die erste nicht-konfessionelle Mädchenschule in der Stadt.
    Die Sophienschule in Würzburg wurde auf Mit-Initiative von Frauenheil-Mitgliedern gegründet und war die erste nicht-konfessionelle Mädchenschule in der Stadt. Foto: Bast Medien

    Frauenheil organisierte Vorlesungen für Frauen an der Uni Würzburg. Die Kurse und Vorlesungen wurden vom Senat der Universität genehmigt, da sie außerhalb des normalen Studienbetriebs stattfanden. Ziel des Vereins war jedoch die Zulassung von Frauen zu einem regulären Studium. 1899 zählte der Verein bereits 200 ausschließlich weibliche Mitglieder. 

    Verband für Frauenstimmrecht gründet Ortsgruppe

    Am 15. Mai 1908 trat das neue Reichsvereinsgesetz in Kraft, das mit sich führte, dass eine Mitgliedschaft von Frauen in politischen Vereinen nicht mehr verboten werden durfte. In Würzburg schien man darauf schon gewartet zu haben, denn nur wenige Tage später erschien im Würzburger Generalanzeiger (die heutige Main-Post) eine Anzeige für einen Vortrag zum Thema "Wahlrecht der deutschen Frau in Staat und Gemeinde". Es sollte eine Ortsgruppe des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht gegründet werden. 32 Mitglieder zählte sie gleich zu Beginn. Zweck des Vereins war laut seiner Satzung:

    • Für alle deutschen Frauen soll die Gleichberechtigung erkämpft und den Frauen die Ausübung der politischen Rechte gesichert werden.
    • Die Frauen derjenigen Länder, Gemeinden, Berufsklassen, die im Besitze politischer oder sonstiger Stimmrechte sind, sollen zur Ausübung derselben veranlasst werden.

    Zehn Prozent in Würzburgs erstem Stadtrat waren weiblich

    Während des Ersten Weltkriegs musste der Kampf um das Frauenwahlrecht allerdings weitgehend ruhen. Die bisher engagierten Frauen konzentrierten sich auf Sozialarbeit oder waren in der Frauen-Friedensbewegung aktiv. Als Kaiser Wilhelm II. jedoch 1917 eine demokratische Wahlrechtsreform ankündigte, aber Frauen dabei ignorierte, kam es zu einem breiten Bündnis der Frauenverbände, deren Mitgliederzahlen rasant gewachsen waren. Es gab unter anderem eine gemeinsame Erklärung zur Wahlrechtsfrage und Kundgebungen zum Frauenwahlrecht.

    Am 12. November 1918 war es schließlich so weit: Die provisorische Reichsregierung erklärte das Wahlrecht für Männer und Frauen ab 20 Jahren für rechtsverbindlich. Knapp sieben Monate später fand in Würzburg die erste Stadtratswahl statt. Und auch Frauen durften wählen und gewählt werden. 40 Sitze waren zu vergeben. Die Bayerische Volkspartei (BVP) konnte 20 Sitze erringen, die Sozialdemokraten (SPD) acht, die liberale Deutsche Demokratische Partei (DDP) sieben, die Unabhängigen Sozialdemokraten drei und die Mittelstandspartei zusammen mit der Freien Bürgervereinigung zwei Sitze. Vier Frauen, also zehn Prozent, wurden gewählt: Maria Öhninger und Margareta Herold (BVP), Barbara Ramig (SPD) sowie Klara Löwe (DDP). 

    Seit 100 Jahren können Frauen in Deutschland wählen und gewählt werden. Ein Plakat aus dem Jahr 1914 informiert über den Frauen-Tag auf dem "Heraus mit dem Frauenwahlrecht" gefordert wird. 
    Seit 100 Jahren können Frauen in Deutschland wählen und gewählt werden. Ein Plakat aus dem Jahr 1914 informiert über den Frauen-Tag auf dem "Heraus mit dem Frauenwahlrecht" gefordert wird.  Foto: Frank Rumpenhorst

    Ob man damit als Frau zufrieden sein konnte? "Damals ja", findet Klinksiek. "Das Ergebnis in Würzburg war deutlich besser als in den anderen unterfränkischen Großstädten." In Aschaffenburg und Schweinfurt sei jeweils nur eine Frau in den Stadtrat gewählt worden. 

    "Es war ein Anfang. Deshalb war man sicher über jede Frau froh, die es geschafft hat", meint auch Beckmann. Mit der heutigen Situation ist die ehemalige Oberbürgermeisterin dagegen nicht glücklich. "Die Parität sollte die Regel sein. Sie ist die Ausnahme in Wirtschaft und Politik, und das obwohl Frauen heute super ausgebildet sind und in Schulen und Hochschulen die Mehrzahl der besseren Absolventen stellen. Dennoch landen sie nicht in den entsprechenden Positionen, vor allem nicht in Führungspositionen", kritisiert sie.

    Frauen veränderten die politischen Inhalte

    Mit dem Einzug von Frauen in die Parlamente veränderten sich auch die politischen Inhalte. So kamen Themen aus der Bildungs- und Sozialpolitik auf die Tagesordnung, beispielsweise ein Mutterschutz oder die Abschaffung von Berufsverboten für Frauen.  Auch in Würzburg konzentrierten sich die Stadträtinnen vor allem auf soziale Fragen. "Hier kannten sie sich am besten aus. Entweder durch eigene Erfahrung (SPD-Frauen) oder durch ihre Arbeit in Vereinen mit sozialer Ausrichtung. Und hier gab es auch massiven Handlungsbedarf", weiß Klinksiek. Ihrem erfolgreichen Engagement verdanke die Stadt Würzburg einige bedeutende Bildungs- und Fürsorgeeinrichtungen.

    "Nur wer zur Wahl geht, kann mitbestimmen, welche (frauen)politischen Ziele durch Regierungshandeln auf den Weg gebracht oder umgesetzt werden."

    Dorothee Klinksiek, Würzburger Historikerin

    "Frauenpolitik ist Querschnittspolitik", sagt Beckmann. "Dennoch gibt es Themen, die Frauen forciert haben, weil es nötig war, sie auf die Tagesordnung zu bringen." Sie zählt die Gleichstellung auf, die Familienfreundlichkeit einer Stadt, flexible Arbeitszeiten und weitere Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. "Auch die Effektivität der Sitzungen dürfte sich mit dem Einzug von Müttern in die Parlamente verändert haben. Ich zum Beispiel konnte mir ein open end, wie es unter Männern oft üblich war, nicht leisten", erzählt sie.

    Bis heute sind Frauen in der Politik unterrepräsentiert

    Aus ihrer Zeit als Stadträtin weiß Beckmann: "Für Frauen sind klare Strukturen und Effizienz wichtig, um ihre vielfältigen Aufgaben mit einem solchen Amt zu vereinen. Damals kam ich mit Baby in die Sitzung." Bis 1933 lag die Frauenquote im Würzburger Stadtrat bei zehn Prozent, für kurze Zeit bei 12,5 Prozent. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg der Frauenanteil aber nur langsam wieder an. Erst 1972 erreichte er die 20 Prozent, seit 1990 liegt er über 30 Prozent.

    100 Jahre Frauenwahlrecht: Der Stadtrat des damals noch eigenständigen Heidingsfeld im Jahr 1929 mit Herta Mannheimer (hintere Reihe, Mitte).
    100 Jahre Frauenwahlrecht: Der Stadtrat des damals noch eigenständigen Heidingsfeld im Jahr 1929 mit Herta Mannheimer (hintere Reihe, Mitte). Foto: Sammlung Willi Dürrnagel

    Aktuell sind Frauen mit einem Anteil von 38 Prozent im Würzburger Stadtrat vertreten. Und auch auf Bundesebene sieht es ähnlich aus: Bis heute sind Frauen dort unterrepräsentiert. In keinem deutschen Parlament sind seit 1919 Frauen und Männer zu gleichen Teilen vertreten. Frauen sollten sich viel mehr in der Politik engagieren, meint Beckmann. "Wir brauchen Parität. Nicht weil Frauen besser wären als Männer. Nein, weil sie anders an Entscheidungen herangehen, Themen oft weiter aufmachen und in der Regel in Generationen denken."

    Klinksiek sieht das ähnlich: "Nur wer seine Interessen und Ziele formuliert und sich Verbündete sucht, um gemeinsam dafür einzutreten, hat Erfolg." Das zeige die Geschichte der Frauenbewegung ganz klar. Und: "Nur wer zur Wahl geht, kann mitbestimmen, welche (frauen)politischen Ziele durch Regierungshandeln auf den Weg gebracht oder umgesetzt werden."

    Mehr Informationen rund um das Thema 100 Jahre Frauenwahlrecht gibt es in der Broschüre "Würzburgerinnen machen Politik" der Stadt Würzburg.

    Politisch engagierte Frauen in der Würzburger Stadtgeschichte

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