„Die Sau war so aggressiv, das kann man sich gar nicht vorstellen“, erzählt Dieter Reimann. Der Schrecken steckt ihm noch in den Knochen, das ist ihm anzuhören. Der 57-jährige ging am Freitag mit seiner Lebensgefährtin und den beiden Hunden bei Greußenheim (Lkr. Würzburg), nahe des von Angehörigen der Gemeinschaft „Universelles Leben“ (UL) geführten Guts Terra Nova, spazieren, als er von einer Wildsau angegriffen wurde.
Reimann ist viel in der Natur unterwegs. Die Wälder und Felder sind ihm vertraut. Er kennt die Wildtiere und weiß, wie sie sich verhalten. „Wir haben bei unseren Spaziergängen schon öfter Wildschweine gesehen,“ erzählt der 57-Jährige. Normalerweise hätten die Tiere jedoch immer Reißaus genommen. Diesmal war es anders.
Reimann habe mit seinem Hund eine Lektion geübt, während seine Frau mit dem anderen Vierbeiner weiter vorauslief, erzählt er. Plötzlich habe die rund 100 Kilogramm schwere Wildsau, die sich offenbar in eine künstliche Behausung am Wegesrand zurückgezogen hatte, den Hund und die Frau angegangen. Als Reimann hinzukam, um einzugreifen, wurde auch er von dem Tier umgerannt. Die Spaziergänger konnten sich und die beiden mittelgroßen Hunde hinter einem angrenzenden Zaun in Sicherheit bringen. „Die Sau ist immer wieder gegen den Zaun gerannt. Sie war hochaggressiv“, erinnert sich Reimann. Selbst die hinzugerufenen Rettungskräfte und der Pilot des Rettungshubschraubers hätten sich nicht hinter dem Zaun hervorgetraut, so Reimann.
Die 56-jährige Frau wurde schwer verletzt. Das Bein wurde von den Hauern des Schwarzkittels aufgerissen. Die beiden Schnitte seien rund 30 Zentimeter lang, ob der Unterschenkel amputiert werden müsse, ob sie wieder normal laufen könne, all das sei noch unklar, sagt Reimann.
Entgegen dem Bericht der Polizei betonte Dieter Reimann, dass die Hunde angeleint waren. Auch sei die Wildsau alleine gewesen und habe nicht ihre Jungen verteidigt. „Das Tier war ein absoluter Einzelgänger“, erklärt Reimann. Er habe vielmehr das Gefühl gehabt, dass die Wildsau ihre Behausung und ihr Futter verteidigen wollte.
Keine unwahrscheinliche Annahme. Denn auch die Polizisten bestätigten, dass vor Ort eine halbe Betonröhre eingelassen war, die dem Wildschwein als Behausung gedient habe. Zudem habe es Hinweise darauf gegeben, dass die Tiere gefüttert wurden, erklärt Peter Häusinger, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken auf Anfrage. Die Anhänger des UL haben die Wildtiere gefüttert, da ist sich Reimann sicher.
Das Problem ist nicht neu. Immer wieder gab es in der Vergangenheit Kritik an dem Umgang der „Christusfreunde“ mit Wildtieren. Die Anhänger der Gemeinschaft sehen in den Tieren, und somit auch in den Wildschweinen, „ihre Geschwister“. Ihr Ziel ist ein „Friedensreich“ für Mensch und Tier.
Jäger sind für sie „Lusttöter“.
Es scheint, sie haben Wege gefunden, die Schwarzkittel zu schützen – zumindest auf ihrem Terrain. Die Tiere würden gefüttert und sollen so auf dem Gelände des Terra-Nova-Guts bleiben, erklärt Reimann. In dem angrenzenden Jagdrevier würden sie ebenso wie andere Wildtiere von Jägern geschossen. Die Wildschweinpopulation kann sich auf diese Weise nahezu ungehindert vergrößern.
Reimann erhebt nun schwere Vorwürfe gegen die Angehörigen der Gemeinschaft „Universelles Leben“ und ihr Verhalten. Es sei ein Fehler Wildtiere zu füttern, meint er. Darüber hinaus sei es unverantwortlich, dass keine Warnschilder angebracht seien, die auf die Tiere hinweisen. Die Wege rund um das Gelände seien schließlich öffentlich.
Zu dem jüngsten Fall vom Freitag wollten sich die Bewohner des Guts Terra Nova auf Nachfrage dieser Redaktion nicht äußern. Auch zu ihrem Umgang mit den Wildschweinen wollten sie keine Angaben machen.
Für Reimann ist eines jedenfalls klar, in diese Richtung wird er mit seinen Hunden nicht mehr spazieren gehen. „Das ist unverantwortlich“, sagt er. Der gleichen Meinung ist offenbar auch der bei der Attacke verletzte Hund. Er weigert sich, auch nur einen Schritt in die Richtung des Angriffsortes zu laufen.