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Würzburg: "Wir möchten endlich einen Schlussstrich ziehen können": Wiesenfeld-Prozess beginnt mit einem emotionalen Appell

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"Wir möchten endlich einen Schlussstrich ziehen können": Wiesenfeld-Prozess beginnt mit einem emotionalen Appell

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    Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat am Montag am Landgericht Würzburg der Prozess um den Mord von Wiesenfeld (Lkr. Main-Spessart) im Jahr 1993 begonnen. 
    Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat am Montag am Landgericht Würzburg der Prozess um den Mord von Wiesenfeld (Lkr. Main-Spessart) im Jahr 1993 begonnen.  Foto: Daniel Peter

    Vor dem Landgericht Würzburg warten am Morgen ein paar Unentwegte aus dem Wohnort des Mordopfers. Sie wissen, dass sie an diesem Montag nicht hinein dürfen in den Sitzungssaal, wo es nach mehr als 30 Jahren jetzt um den Tod der 13-jährigen Sabine B. gehen soll. Dennoch sind sie gekommen - als wollten sie sich nach all den Jahren, stellvertretend für die Bewohner von Wiesenfeld im Landkreis Main-Spessart, persönlich davon überzeugen, dass nun vor Gericht für Gerechtigkeit gesorgt werden soll.

    Der 47-jährige Angeklagte kommt als freier Mann, aber mit einer unsichtbaren Last auf den Schultern: Seit Jahrzehnten schwelt der Verdacht, er könne die 13-jährige Sabine getötet haben. Womöglich mit einem zweiten Verdächtigen zusammen? Vielleicht zur Verdeckung eines sexuellen Übergriffs, den er bestreitet. Aber wie und warum kamen dann die nachgewiesenen DNA-Spuren von ihm auf die Unterwäsche des Mädchens?

    47-Jähriger auf der Anklagebank: Keine Aussage zu Prozessbeginn

    Nur kurz kreuzt sich am Montagmorgen sein Blick mit dem des Anklägers. Missbilligend schüttelt der 47-Jährige den Kopf, als Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach dann die Anklage vorliest.

    Das nimmt der Vorsitzende Richter Thomas Schuster zum Anlass, ihn direkt anzusprechen. Es sei "aufgrund der Aktenlage sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich, dass Sie gar nichts damit zu tun haben", sagt er zu dem Beschuldigten. Und: "Sie sollten sich darüber klar sein, dass es Sabines Familie wohl wichtiger ist, dass sie weiß, was passiert ist, als Sie im Gefängnis zu sehen.“

    Aber zunächst bleibt der Appell des Richters ungehört. "Unser Mandant wird sich zur Sache nicht äußern", hatten die Verteidiger Hanjo Schrepfer und Tilman Michler bereits im Vorfeld angekündigt.

    Die Beweisaufnahme beginnt - wird aber wohl keine zehn Monate dauern, wie es zunächst hieß: Der letzte von über 80 Zeugen ist für Anfang November geladen. Bis Mitte 2025 sind Prozesstermine angesetzt. Das Würzburger Gericht hofft aber, noch in diesem Jahr zu einem Urteil zu kommen - nicht erst im kommenden Juli.

    Das Mädchen auf dem Reiterhof auf den Dachboden gelockt: Was in der Anklage steht

    Der Angeklagte soll am 15. Dezember 1993 zwischen 17.45 Uhr und 18.15 Uhr auf dem Reiterhof in Wiesenfeld bei Karlstadt auf Sabine getroffen sein. Dort, "wo die Getötete häufiger bei der Versorgung der Pferde half", verliest Seebach. Der Anklageschrift zufolge soll der damals 17-Jährige das Mädchen auf den Tennenboden des Stalls gelockt haben. "Hier soll sich der Angeklagte dem Mädchen genähert haben, um sexuelle Handlungen vorzunehmen oder an sich vornehmen zu lassen", beschreibt der Oberstaatsanwalt in der Anklage. Das Mädchen soll sich dagegen gewehrt und laut um Hilfe gerufen haben.

    Das Mädchen sei mit dem Kopf auf dem Boden aufgeschlagen und habe dadurch bereits schwere Kopfverletzungen erlitten. Der Angeklagte soll die 13-Jährige von hinten gewürgt und ihren Tod in Kauf genommen haben. Laut Anklage soll Sabine B. zu diesem Zeitpunkt "bereits irreversible Hirnschäden erlitten haben".

    Nach der Tat nach Hause und später zurück, um die Leiche zu verstecken?

    Die Ermittler gehen davon aus, dass der damals 17-Jährige das leblose Mädchen zurückließ, nach Hause ging - und später aber zum Reiterhof zurückkehrte. Dort soll er den Leichnam aus dem Stall geschleift, in eine Güllegrube gebracht und den Deckel verschlossen haben. 

    Vor Gericht in Würzburg schildert an diesem Montag als erste Zeugin eine Ermittlerin der EKO "Reiterhof", wie 2018 die Ermittlungen nach 25 Jahren wieder aufgenommen worden waren. In den folgenden drei Jahren "haben Vernehmungen von Zeugen eine Vielzahl von Indizien gegen den Angeklagten ergeben", sagt die Kripo-Beamtin. Jedoch auch Indizien gegen den Erben des Reiterhofes, der inzwischen gestorben ist. Unter den Belastungszeugen sei auch die Schwester des Angeklagten. Sie gibt an, als Mädchen von ihm ebenfalls missbraucht worden zu sein. Sie habe "sehr glaubwürdig gewirkt", sagt die Polizistin. 

    Familie von Sabine im Zeugenstand: Merkwürdige Begebenheit nach der Tat

    Wie sehr die Erinnerung Sabines Familie auch nach 31 Jahren noch aufwühlt, lässt sich kaum erahnen. Am ersten Verhandlungstag berichten die Eltern und die Schwester des getöteten Mädchens im Zeugenstand von der Ungewissheit in den zwei Tagen bis zur Entdeckung von Sabines Leiche.

    Sie schildern eine seltsame Begegnung am Tag nach der Tat: Da hätten der Angeklagte sowie der damals unter Verdacht geratene, später freigesprochene 15-Jährige bei der Familie daheim geklingelt. Die beiden Jugendlichen hätten gefragt, ob Sabine schon gefunden worden sei - obwohl sie gar nicht näher mit ihr bekannt waren. Das sei ihnen hinterher verdächtig vorgekommen, sagen die Eltern.

    Tränen und emotionaler Appell der Schwester des Opfers

    Beeindruckend war die Zeugenaussage von Sabines Schwester: "Wir möchten endlich einen Schlussstrich ziehen können", brach es vor Gericht plötzlich aus ihr heraus. "Ich möchte, dass der Verantwortliche dafür zur Rechenschaft gezogen wird", flehte sie unter Tränen das Gericht an. "Es macht meine Eltern kaputt." 

    Der Prozess wird an diesem Dienstag nichtöffentlich fortgesetzt.

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