Liebe Leserinnen, liebe Leser!
Corona ist in diesen Tagen allgegenwärtig - ob Sie die Zeitung am Frühstückstisch aufschlagen, den Fernseher einschalten oder Radio hören. Nicht anders ist es bei Gesprächen mit Freunden, Kollegen oder Nachbarn. Ich kann mich in den zurückliegenden Wochen an keine Unterhaltung erinnern, in der nicht mindestens einmal das Wort Corona gefallen ist.
Da verwundert es nicht, wenn Psychologen empfehlen, dass wir tagsüber auf ausreichend Corona-Pausen achten sollen. Sicher ein gutgemeinter Ratschlag. Doch wie so oft ist das leichter gesagt als getan. Vor allem für uns Journalistinnen und Journalisten. Denn es ist unsere Aufgabe, Sie in der Zeitung, auf mainpost.de und in Newslettern nahezu rund um die Uhr mit allen wichtigen Nachrichten über die Corona-Entwicklungen zu informieren. Sie aufzuklären, Ihnen Hintergründe zu liefern und Geschehnisse einzuordnen. Wie in jeder Krise wächst mit zunehmender Verunsicherung auch das Bedürfnis nach Information und Orientierung.
„Nach meiner Beobachtung findet sehr wohl eine kritische Berichterstattung und Kommentierung statt."
Wir versuchen diesen Anspruch Tag für Tag zu erfüllen: mit aller Professionalität, Sorgfalt und der gebotenen kritischen Distanz zu den politischen Entscheidungsträgern. Dieses Bemühen erkennen die meisten von Ihnen an, liebe Leserinnen und Leser. Sie haben uns das in zahlreichen Zuschriften mitgeteilt.
So schreibt beispielsweise Peter B: „Nach meiner Beobachtung findet sehr wohl eine umfassende, plurale und kritische sowie verantwortungsbewusste Berichterstattung und Kommentierung des Geschehens in den Medien statt. Darüber hinaus wird den BürgerInnen eine Fülle von auch divergierenden Fakten und Kommentierungen geboten, welche der Orientierung dienen (können, wenn auch nicht immer).“ Beate B. findet „die Berichterstattung klar und ausreichend, für mich auch achtsam“. Auch Gunther S. kann „keine generelle unkritische Berichterstattung erkennen“.
Natürlich ernten wir nicht nur Lob für unsere Arbeit. So appelliert Fredy G. an uns: „Bitte liebe Presse macht euch nicht zum Sprachrohr von Politikern, sondern hinterfragt Entscheidungen der Politik, das ist eure Aufgabe. Die Meinung soll sich dann jeder Bürger selber bilden.“ Und für den ehemaligen Richter Dieter M. ist die Main-Post „in dieser Zeit der Coronakrise ein Muster an demütiger, den offiziellen Stellen kritiklos folgender Berichterstattung“. Sein Rat: „Sie sollten sich die Empfehlungen des Journalistikprofessors Klaus Meier sehr zu Herzen nehmen.“

Der Journalistik-Professor der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt forderte in einem Interview mit uns unter anderem, dass hochwertiger Journalismus jetzt in den Diskurs eintreten“ müsse. Meiers konkrete Erwartung: „Man muss alle möglichen Szenarien abwägen, die sinnvoll sind, um aus diesem Shutdown wieder herauszukommen. Welche Maßnahmen sind jetzt verhältnismäßig und zielführend? Welche übertrieben und widersprüchlich? All das muss öffentlich diskutiert werden.“
„Stellen Journalisten rund um Corona genügend kritische Fragen?“
Auch andere Medienexperten haben sich kritisch mit der Corona-Berichterstattung auseinandergesetzt. Anstatt zu hinterfragen, transportieren Journalisten die Krisenstrategie der Bundesregierung weitgehend kritiklos, bemängelt beispielsweise die Medienjournalistin Vera Linß. Auch in Krisenzeiten sei es nicht die Aufgabe der Medien, den verlängerten Arm der Regierung zu spielen und Kampagnen à la „Wir vs. Virus“ zu inszenieren, wie es etwa die Tagesschau in sozialen Medien getan habe. Und die Medienkolumne „Altpapier“ des MDR fragt provokant: „Stellen Journalisten rund um Corona genügend kritische Fragen?“.
Wir Journalistinnen und Journalisten der Mediengruppe Main-Post beschäftigen uns täglich in mehreren (Video-) Konferenzen mit der Kritik von Ihnen, unseren Leserinnen und Lesern. Wir sind uns bewusst, dass wir trotz allen Bemühens keineswegs immer alles richtig machen. Zumal in einer Krisensituation, die von uns das Kunststück der Paradoxiebewältigung verlangt. So hat Bernhard Pörksen, Professor für Medienwissenschaft in Tübingen, die aktuelle journalistische Herausforderung bezeichnet: Es gilt zu erklären und einzuordnen, was sich noch gar nicht richtig erklären und einordnen lässt. Und es gilt, kritische Distanz zu wahren, auch wenn man selbst gerade fortgerissen wird von den Ereignissen oder der eigenen Angst.
Das alles unter ungewöhnlichen Bedingungen. Seit Wochen schon planen, recherchieren und produzieren wir unsere Inhalte vom heimischen Schreibtisch aus – mit allen Herausforderungen, die eine solche Arbeitsumgebung mit sich bringt.
Trotz all dieser Erschwernisse, das kann ich Ihnen versichern, arbeitet die gesamte Redaktion engagiert, kreativ, motiviert – und mit bemerkenswerter Gelassenheit. Uns alle treibt ein Ziel an: Sie, liebe Leserinnen und Leser, auch in dieser für uns alle schwierigen und herausfordernden Zeit mit hochwertigem Journalismus zu versorgen. Begleiten Sie uns dabei gerne weiterhin mit Ihren kritisch-konstruktiven Rückmeldungen. Sie erreichen mich unter michael.reinhard@mainpost.de.
Herzlichst
Ihr
Michael Reinhard